Friedemann Hagenbuch informiert in Hausacher Seniorenzentrum über "Sucht im Alter" / "Stille Katastrophe"

Hausach (stö). Neben allen Themen, die das Altern ausmachen, ist die Sucht im Alter ein Tabu, das definitiv zu kurz kommt. So jedenfalls beschrieb es Friedemann Hagenbuch, der als Chefarzt der Klinik für Suchtmedizin im Zentrum für Psychiatrie in Emmendingen arbeitet.

Am Dienstagabend informierte der Arzt im Hausacher Seniorenwohnzentrum zu einem Thema, das in der Altenpflege wachsende Bedeutung erhält. Eingeladen hatte der Förderverein der Fachstelle Sucht. Hausachs Bürgermeister Manfred Wöhrle und Stadträtin Brigitte Salzmann begrüßten seitens des Vorstands. Auch in Hausach werde man mit dem Thema Sucht konfrontiert, derzeit werde aus gegebenem Anlass diskutiert, ob das Rauchen von Wasserpfeifen abhängig mache.

Hagenbuch machte deutlich, dass es nur wenige Studien zu diesem Thema gebe, aber der Stoff allein noch nicht zur Sucht führe. Das Probierverhalten – gerade in jungen Jahren – sei etwas Normales, das Umfeld sei entscheidend wichtig. "Bei Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenabhängigkeit spielen sehr oft seelische Probleme eine große Rolle", wusste der Psychiater.

So würden die seelische Gesundheit und das Wohlbefinden älterer Menschen zunehmend wichtiger werden. Zwar gebe es bei den über 65-Jährigen tendenziell mehr medikamenten- als alkoholabhängige Menschen, aber auch die Gruppe der substituierten Drogenabhängigen nehme zu. Natürlich wäre sei das Älterwerden nicht nur ein Suchtproblem, aber für die Altersmedizin seien Patienten mit einem chronischen Krankheitsverlauf charakteristisch. Daraus resultiere oft eine umfangreiche Medikation, womit etwa 20 Prozent der über 70-Jährigen zu viele Medikamente erhielten. Dabei gebe es kaum Leitlinien für die Behandlung dieser Patienten, der Grundsatz "Reha vor Pflege" werde oft nicht umgesetzt.

Anhand einiger Fallbeispiele zeigte Friedemann Hagenbuch die Folgen eines plötzlichen Suchtmittelentzuges auf, die bis ins Delirium führen können. Besser sei die Behandlung der Suchterkrankung mit neuer Sinnfindung und Perspektiven. Aus seiner Sicht sei das ganze Thema "eine stille Katastrophe". "Hilflose Helfer, mangelnde Sensibilität, wenig Fachwissen, Fehleinschätzungen und Vorurteile – neben allen Themen, die das Altern ausmachen, kommt die Sucht definitiv zu kurz", sagte er.

Er stellte die Frage nach dem sinnvollen Altern und den Vorbildern, die mehr Leben in die Jahre bringen würden. Es gelte Hinzuschauen statt die Augen zu verschließen.

"Wir müssen uns davon lösen, das Alter immer nur als Defizit zu sehen und über frühere Hobbies oder Vorlieben die Bilder im Kopf in Bewegung bringen", so Hagenbuch. Die Frage nach dem Sinn und die Sicht hätten einen sehr engen Zusammenhang. Für den Referenten muss es "einen Brückenschlag zwischen der Medizin, der Suchthilfe und der Altenhilfe" geben.

Dann diskutierten die Anwesenden eine ganze Weile die Fragen nach der Suchtdefinition, die Rückfallquoten beim Alkoholentzug, und der verschwindend geringen Anzahl verordneter Psychotherapien für ältere Menschen. Dietmar Haas zog als Leiter des Hausacher Seniorenzentrum am Ende das Fazit: "Eigentlich geht es immer um das Thema Einsamkeit und die zwischenmenschliche Begegnung. Wir können hier nicht alles auffangen, aber durch gezielte Interaktion punktuell Hilfe leisten."