Die beiden Autoren Philipp Winkler (von links), Anna Weidenholzer und Moderator Andreas Platthaus Foto: Störr

Leselenz überrascht mit neuem Format

Hausach (stö). Der Hausacher Leselenz überrascht mit neuen Formaten. So wurde "Ins Erzählen eingehört" erstmals als Lesung und Gespräch mit zwei Autoren geführt, deren Lektüren sich inhaltlich deutlich unterschieden und doch ein gemeinsames Leitmotiv aufwiesen.

"Sicher haben Sie alle schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Ihnen beim Lesen verschiedener Schriftsteller ähnliche Figurenkonstellationen oder andere Elemente aufgefallen sind", führte Moderator Andreas Platthaus in das neue Format ein. "Die künftige Vorgabe ist ein Leitmotiv in der Lektüre, das auf den ersten Blick vielleicht gar nicht unbedingt erkennbar sein muss." Es könne sich um inhaltliche, stilistische oder biografische Gemeinsamkeiten der Autoren handeln. Bei Philipp Winkler und Anna Weidenholzer hätten ihn beide Bücher unglaublich überrascht, die stilistische Verwandtschaft beider Autoren sei das verbindende Element. Zunächst las Anna Weidenholzer aus "Warum die Herren Seesterne tragen". Sie nahm die vielen Zuhörer in das Leben des pensionierten Lehrers Karl mit, der anhand eines Fragebogens zum Bruttonationalglück herausfinden möchte, wie zufrieden die Menschen sind. Der Glücksforscher unterhält sich an einem namenlosen Ort mit einem namenlosen Mann, der ihm beispielsweise erklärt: "Wissen Sie, wie das Leben funktioniert? Man kann das Leben planen wie man will, es bleibt immer etwas ungewiss." Anhand von "zwei Möglichkeiten", die es immer und überall zu geben schien, wurde die Beobachtungsgabe der Autorin deutlich. Die skurrile Art ihrer Protagonisten machte Lust auf mehr.

Inhaltlich völlig anders stellte Philipp Winkler seinen Debüt-Roman "Hool" vor, in dessen Gegenwarthandlung er einen Hannoveraner Hooligan in der Ich-Perspektive erzählen lässt – die Sprache hart und ungeschminkt, die erzeugten Bilder drängend und dicht. Im Rückblick auf einen Stadion-Besuch in der Kindheit lässt er seinen Protagonisten sagen: "Zwischen grölen, die Fäuste strecken und Bier trinken hatten sie manchmal Zeit für eine Antwort."

Im Gespräch mit Andreas Platthaus wurde dann die Gemeinsamkeit der Autoren in ihrer Beobachtungsgenauigkeit und in den Betrachtungen ihrer Protagonisten herausgearbeitet. In beiden Bücher sah Platthaus den Umgang mit der Zeit beachtenswert, in beiden Werken sei die Vergangenheit die bessere Welt, die als Erinnerungssplitter in die Gegenwartserzählung hineinwirkten und doch nicht streng aufeinander aufgebaut seien. Das unterscheide sie von den sogenannten Flashback, die Platthaus als "Pest der modernen Literatur" bezeichnete.

Die Frage: "Warum macht man es seinen Lesern schwerer, als es sein muss?" beantwortete Anna Weidenholzer schlicht mit: "Weil es nicht anders geht." Philipp Winkler verwies auf den "biologischen Ablauf im Werk-Prozess, bei der sich die Dramaturgie im Entstehen entwickelt." Er werde als Leser selbst gerne gefordert und sei der Meinung, "dem Leser muss nicht alles mit dem Silberlöffel serviert werden."

Platthaus sah eine weitere Gemeinsamkeit der Werke in "einer verblüffend genauen Schilderung von scheiternden Liebesbeziehungen, obwohl sie gar nicht so deutlich beschrieben werden" und eine Bereitschaft der Leser, Dinge in einen Text hineinzulesen, von denen der Autor selbst meist überrascht sei. Mit kurzen Lesungen beider Autoren endete der Nachmittag.