In dieser Hall findet wahrscheinlich ein Atelier seinen Platz. Foto: Reinhard

Tag der Offenen Tür für eventuelle Pächter und Öffentlichkeit. Gründungsversammlung des Vereins.

An den Wagen kann sich Hans Lehmann erinnern. "Den haben die Nazis samt Fahrer bei einer Auslieferung in Frankfurt beschlagnahmt", weiß er und blickt ernst auf das alte Schwarz-Weiß Foto an der Wand. Es ist eine Reproduktion von Negativen, die bei der Herrichtung des Mostmaier-Areals für den Tag der offenen Tür gefunden wurden. Auf ihm ist ein alter, mit Fässern beladener Lastwagen zu sehen; genau wie fünf grinsende Männer in Arbeitskleidung.

Betrieb bis 1998

Im Gegensatz zum Militär seien zu dieser Zeit viele Unternehmen mit Wagen wie dem auf dem Foto bereits gut motorisiert gewesen, erklärt Lehmann. Die NS-Herrschaft kassierte sie ein, wenn sie ihrer habhaft werden konnte. Für Benjamin Maier, den damaligen Geschäftsführer der Hausacher Mosterei und "bekennendem Nazi-Gegner", wie Lehmann betont, war das besonders bitter. Nachdem Lehmann 1955 angefangen hatte als Küfer bei der Mosterei zu arbeiten, war er der letzte arbeitende Angestellte, als sie 1998 ihren Betrieb einstellte. Lehmann weiß noch, wie es auf dem Hof ausgesehen hat, als dort geschäftiges Treiben herrschte, Äpfel angeliefert und ausgepresst wurden, Pferde-Fuhrwerke und später Lastwagen die Ware auslieferten – damals, als das Areal noch "lebte", bevor es dem Verfall überlassen wurde und immer die Frage über Hausach schwebte: "Wann wird der Mostmaierhof abgerissen?".

Gründung der IG

Eine Frage, die bei vielen Kinzigtälern Unbehagen auslöste, verbinden viele mit dem Areal doch Kindheitserinnerungen, zum Beispiel daran, wie sie Äpfel brachten, die gewogen wurden und dann mit einer entsprechenden Literzahl Most entlohnt wurden. Einige halfen auch als junge Männer in dem Betrieb aus. Zur Hochzeit im Herbst sprangen außerdem die in Hausach so geachteten "Isebähnler" ein. Kein Wunder, dass sich vor zwei Jahren eine Interessengemeinschaft (IG) gründete, die den Erhalt des Areals zum Ziel hatte – nicht nur wegen dieser Erinnerungen, sondern auch wegen seines besonderen Charmes, das es, so fand die IG, gerade für eine kulturelle Nutzung interessant mache. Diese "alte, ehrwürdige Sache", wie Werner Hafner als Sprecher der IG das Ziel damals bezeichnete, gipfelte in der Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die der Stadt deren Anteil an der Fläche abkaufen will. In einer Gemeinderatssitzung im November des vergangenen Jahres willigte die Stadt ein. "Die Unterzeichnung des Kaufvertrags ist nur noch eine Frage der Zeit", sagt Andreas Braun.

Er ist einer der Gesellschafter der GbR sowie deren Sprecher und rechnet im Mai mit der Unterzeichung, wie er beim Tag der offenen Tür bei einem Rundgang über das Gelände und durch die Gebäude sagt. Bereits jetzt haben IG und GbR per Nutzungsvereinbarung mit der Stadt Ausbesserungsarbeiten ausgeführt und unter anderem morsche Deckenbalken ersetzt. "Bestandssicherung eben", wie Braun zusammenfasst. "Leider wurde das Areal für Feuerwehrübungen genutzt. Dabei spritzten Dachziegel weg und Löschwasser drang ein", berichtet er im lichtdurchfluteten Dachgeschoss über der ehemaligen Arbeitshalle.

Eigener Charme

Es ist ein wenig staubig, aber es stimmt: Das alte Gebäude versprüht einen ganz eigenen Charme. Ein bisschen wirkt alles, als wäre die Zeit stehen geblieben. Gerade in der darunter liegenden Halle wird das deutlich. Auch wenn keine Maschinen mehr herumstehen und der lang gezogenen Raum komplett ausgeräumt wurde, wird man das Gefühl nicht los, dass das erst gestern geschehen ist.

Ein paar Schritte weiter hat sich der Mostmaier-Verein, der heute Abend seine Gründungsversammlung hat, ein Plätzchen reserviert. Im ehemaligen Pausenraum bollert bereits ein kleiner Ofen. Das Zimmer soll als Versammlungsraum genutzt werden. Werner Hafner wartet dort.

Zeichnungen

Ihn haben es vor allem die Zeichnungen an den Wänden des Raums angetan. Trinkende Männer, Karikaturen und Motive aus dem Arbeitsalltag der Moster sind zu sehen. "Die Bilder stammen von Eugen Falk", erzählt Hafner. Der Maler habe als 17-Jähriger eine Zeit lang bei dem Mostmaier-Unternehmen gearbeitet. Auch Hans Lehmann erinnert sich an den jungen Mann. "Der war nicht so reich betucht, deswegen hat er ein bisschen was hier hingemalt, damit er etwas zu trinken bekommt", weiß er noch. Besonders ins Auge sticht in dem Raum aber ein Elektrokasten, der mit Marmor verkleidet ist. Ob das damals üblich war? Hafner zuckt mit den Schultern und weiß keine Antwort. Der Kasten passt aber zum Ambiente und gehört zu den vielen kleinen Überraschungen, die der Hof zu bieten hat. Einige von ihnen sind im Keller zu finden.

Abstieg in "Katakomben"

Während Braun dorthin führt, betont er, wie sehr er sich freut, dass nun auch die Nachbarschaft hinter dem Projekt steht. "Manche waren zuerst skeptisch, aber nach einem Treffen in der vergangenen Woche stehen sie positiv dazu", berichtet er. Über eine knarzende Treppe geht es nach unten, wo es bedeutend kälter ist. Ein paar Glühlampen erhellen die Steinwände der recht engen Gänge. In einigen von ihnen ist eine runde Form eingelassen, "27 900 Liter" ist darauf zu lesen. "Stahlbetontanks für den Most", erklärt Braun. Ein paar Meter weiter stehen ein paar andere Tanks frei im Raum. Was mit ihnen geschehen soll, steht noch nicht fest. "Wahrscheinlich entfernen wir sie, um mehr Platz zu schaffen, und lassen dann einen als Erinnerung stehen", überlegt Braun laut. Es ist zu kalt, um sich lange im Keller aufzuhalten, wieder oben angekommen, erklärt Braun, wie der Eingangsbereich gestaltet werden soll. "Wir planen ihn als eine Art Treffpunkt", erläutert er. Angedacht sei auch eine kleine Bühne in dem Bereich.

Vielfältige Nutzungsideen

"Die Nutzungsideen, die bisher an uns herangetragen wurden, sind sehr vielfältig und reichen vom Künstleratelier bis zum privaten Bierbrauer", sagt Antonia Kienzler, die genau wie Braun eine der Gesellschafter der GbR ist. Vor allem Künstler und Kunsthandwerker hätten ihr Interesse bekundet. Es sei die Aufgabe des Mostmaiervereins, die unterschiedlichen Interessen zu verknüpfen. Platz genug gibt es jedenfalls: Fast 2000 Quadratmeter stellt das Areal – den Keller mitgezählt – zur Verfügung, schätzt Andreas Braun.

Wenn alles so klappt, wie Verein und GbR es sich vorstellen, wird sich Hof bald wieder mit Leben füllen. Er wird nicht wieder so werden, wie Hans Lehmann ihn noch kannte. Aber als er sich die Halle und den ehemaligen Pausenraum anschaut, nickt er anerkennend. "Da habt ihr aber ganz schön was geschafft", meint er.                                       

Weitere Informationen: Die Gründungsversammlung des Mostmaiervereins findet am Mittwochabend um 19 Uhr auf dem Mostmaierhof statt.


Kommentar von Charlotte Reinhard

Brückenschlag

Wer es vorher nicht wusste, weiß es spätestens seit dem Tag der offenen Tür: Der Mostmaierhof hat einen ganz besonderen Charme. Nicht nur deswegen ist er es wert, erhalten zu bleiben. Mit ihm wird ein Stück Hausacher Historie bewahrt. Das Gebäude, die mit ihm verbundenen Erinnerungen und Geschichten spiegeln den Zeitgeist und das Leben der Menschen wieder. Dadurch, dass es noch einige Zeitzeugen gibt, deren Väter und Großväter genau wie sie etwas mit dem Hof verbinden, wird zwischen den Generationen eine Brücke geschlagen. Und mit der Umnutzung und Verpachtung werden nun auch die Menschen mit eingebunden, die das Areal bisher nur als Abrissgelände kannten.