Kurz vor dem Abflug nach Russland: Christina Spitzmüller Foto: Adler Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Zeller Abiturientin leistet ab dem 1. September ein Freiwilliges Soziales Jahr in Pskow in Nordwestrussland

Zell/Hausach (mad). Der Osten und Russland speziell haben es ihr einfach angetan: Christina Spitzmüller aus Zell hat gerade ihr Abitur am Hausacher Robert-Gerwig-Gymnasium abgelegt und verbrachte während ihrer Schulzeit ein Jahr in Uglitsch – etwa 200 Kilometer nördlich von Moskau.

In knapp einer Woche bricht sie schon wieder in den Osten auf – die Abiturientin wird ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Provinzhauptstadt Pskow in einer Einrichtung für Behinderte absolvieren. Von Düsseldorf geht es mit dem Flugzeug nach Sankt Petersburg – von dort sind es mit dem Auto noch mehr als vier Stunden in das Drei-Länder-Eck von Russland, Lettland und Estland.

Pskow hat etwas mehr als 200 000 Einwohner und ist quasi der nordwestlichste Punkt des russischen Kernlands – außerhalb der Exklave von Kaliningrad. Christina Spitzmüller wird dort in einer von einer deutsch-russischen Initiative getragenen Einrichtung für Behinderte arbeiten, die am ehesten mit einer Einrichtung wie der Lebenshilfe zu vergleichen ist.

Träger des FSJ ist die evangelische Kirche im Rheinland, die hier im Zuge der deutsch-russischen Aussöhnung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein Netz an Projekten auf die Beine gestellt hat . Seit 1999 gibt es als Trägerverein die "Initiative Pskow in der Evangelischen Kirche im Rheinland", die auch das Heilpädagogische Zentrum betreut, an dem die Zellerin bis Juni 2013 tätig sein wird. Dort werden Jugendliche und junge Erwachsene in einer Tageseinrichtung gefördert und betreut.

Was ist anders in Russland als bei uns? "Die Leute nehmen das Leben eher, wie es kommt und müssen sich mit weniger zufrieden geben", sagt Christina Spitzmüller, die den Vorteil hat, dass sie die Sprache bereits beherrscht. "Ich habe dort auch eher erlebt, dass man sich gegenseitig hilft", erzählt die Zellerin, die Sprache, Land und Menschen in Russland bei ihrem ersten Aufenthalt so interessant fand, dass sie gern nochmals ein Jahr dort leben möchte.

Wie erlebt sie das Land, das als "gelenkte Demokratie" unter Putin nicht gerade auf dem Stand einer pluralistischen Gesellschaft nach westlichem Vorbild ist? "Die Mehrzahl der Menschen interessiert sich nicht wirklich für Politik", erzählt Christina Spitzmüller. "Das Thema spielte in der Schule oder in meinem schulischen Umfeld keine große Rolle." Politische Diskussionen werden im Privaten geführt: Ihr Gastvater war so etwas wie ein Oppositioneller, und dort wird dann auch nicht wirklich ein Blatt vor den Mund genommen.

Aber ein Stück weit müsse man sich auch auf die Situation vor Ort einstellen, weil sich aus der Entfernung alles immer etwas anders darstellt. Mit Christina Spitzmüller wird eine weitere junge Frau aus der Nähe von Kaiserslautern ihr FSJ absolvieren, die als Russlanddeutsche ebenfalls die Sprache schon beherrscht.

Dass noch jemand anderes aus Deutschland mitkommt und in der gleichen Situation ist wie sie, erleichtert den Einstieg vor Ort, wenn es noch keine eigenen Kontakt gibt. Die Erfahrungen mit dem Freiwilligendienst sind positiv: Auf der Homepage der "Initiative Pskow" heißt es dazu: "Mehr als 20 Jugendliche haben in den vergangenen acht Jahren bereits dort mit großer Freude gearbeitet und ihren Einsatz nicht bereut. Die Freiwilligen wohnen im Gästehaus der Werkstätten in Einzelzimmern mit Toilette und Dusche und haben eine kleine gemeinsame Küche. Sie bekommen monatlich 150 Euro Taschengeld und zwei Flüge von Düsseldorf nach St. Petersburg."

Die junge Zellerin ist schon ganz neugierig und auch ein bisschen aufgeregt auf ihre neuen Erfahrungen, freut sich aber auch auf die Begegnung mit den Menschen vor Ort. Auch Besucher aus Russland, ganz konkret ihre Gastfamilie aus Uglitsch, haben sich bereits angekündigt.

Dem "Osten" wird sie übrigens nach ihrem FSJ treu bleiben: Ab Sommer 2013 will Spitzmüller Politikwissenschaft inklusive Sozialwissenschaften und Philosophie studieren – allerdings wegen der fehlenden Komptabilität der Abschlüsse nicht in Russland, sondern in Leipzig.