Noch steht der Baum sicher und die Forstwirte Daniel Ballay (linkes Bild von links), Christian Obert und Josef Spitz können in Ruhe erklären, wie sie den Stamm an- und den Fallkerb (dreieckiges Stück) für die Fallrichtung einsägen. Nach dem ersten Achtungsruf und Rundumblick beginnt Obert, den "Fällschnitt", also den Baum bis aufs sogenannte "Halteband" fertig zu machen (rechtes Bild). Nach zweitem Achtungsruf und freiem Rundumblick durchtrennt er diesen stehengelassenen Wurzelausläufer, lässt die laufende Säge liegen und begibt sich dann so schnell wie möglich auf seine "Rückweiche". Foto: Schwarzwälder-Bote

Serie: Hausacher Holzwege, Teil 3: Wenn Bäume fallen / Reportage begleitet Forstwirte bei gefährlicher und faszinierender Arbeit

Das Zwitschern der Vögel in den Waldwipfeln, gefressen wird es vom heulenden Geräusch der Säge. Noch scheinen die Waldarbeiter weit weg. Doch mit jedem Schritt ins zu durchforstende Gebiet kreischen Kette auf Holz, Motor auf hohen Touren lauter. Wie um Luft zu holen, beruhigt sich plötzlich die Säge, der Motor brummt noch.

"Achtung", hallt der Ruf. Kurz herrscht Ruhe, noch einmal heult die Säge laut auf, nölt noch ein paar Mal, verstummt dann zum brummenden Motorengeräusch. "Achtung" schreit wieder jemand. Das Kreischen der Säge scheint laut zu antworten und verhallt. Dann raschelt es, immer lauter, Äste knacken, krachen.

Erst wie ein Windhauch, dann, fast wie ein hereinbrechender Hagelschauer nehmen Geräusch und fallender Baum an Fahrt auf. Immer sichtbarer fällt die rund 35 Meter hohe Douglasie. Und landet mit einem stumpfen Schlag als tonnenschwerer Riese auf dem Waldboden. Der Boden im Umkreis bebt unter der Wucht. Dann wird es still – bis auf das ferne, leise Schnurren der Motorsäge. Licht fällt zwischen den fernen Baumkronen auf den Waldboden. Wie rote Schatten tauchen die Forstwirte in ihrer Schutzkleidung zwischen den Stämmen auf.

"Das ist eine sehr riskante Arbeit, gefährlich und schwer", weiß Herbert Heine. Der Diplom-Forstwirt leitet das Fischerbacher Revier und betreut als Förster auch den Hausacher Distrikt Adlersbach. Die Unfallhäufigkeit sei ein großes Thema im Ortenaukreis. Man denke über verbesserte Sicherheitsmaßnahmen nach. Für die unüberhörbare Durchforstung der Staatswaldflächen hat Heine derzeit zwei seiner Mitarbeiter und ein Dreier-Team von seinem Ettenheimer Kollegen hier im Einsatz. Mindestens Zweier-Teams sind bei Waldarbeiten vorgeschrieben, ideal sind auch wegen der Rettungskette drei Mann pro Team.

Es ist morgens halb Zehn im Wald: Die Forstwirte Daniel Ballay, Christian Obert und Josef Spitz stapfen mit ihren Schutzschuhen bergauf zu uns. Nein, eigentlich um Vesperpause zu machen. Seit 7 Uhr in der Früh sind sie hier, durchforsten das Gewann vom unteren Weg waldaufwärts – mit Pausen bis um 17 Uhr. Die zu fällenden Bäume hat Heine zuvor mit roter Sprühfarbe markiert und eine Geländekarte erstellt, in der auch die Rettungspunkte vermerkt sind.

Der Fallkerb bestimmt später die Fallrichtung

"Möchten Sie, dass mir jetzt gleich einen Baum hauen?", fragt Ballay erfreut über den seltenen Besuch. Wie lang dauert das? "Fünf bis sechs Minuten", lautet die Antwort. Noch haben die Waldarbeiter mit ihrer Schutzausrüstung – Helm, Gesichtsschutz, Schnittschutzhosen, Hand-, Sicherheitsschuhe und Co. – die volle Montur an. Und so schnappt sich Christian Obert kurzerhand die Motorsäge und sägt fast alle Wurzelausläufer einer markierten Tanne ab.

Ohrenbetäubend kreischt und schreit nun aus nächster Nähe die Säge. Kein Problem für die Waldarbeiter: Sie tragen Ohrenschutz und können über Funk im Helm miteinander kommunizieren. Noch steht der Baum sicher und man kann sich gefahrlos nähren. Während die Motorsäge immer lauter heult, macht Forstwirt Josef Spitz aus für den Beobachter unerklärlichen Gründen kehrt und holt den Benzinkanister. Dank Funk kann noch flux getankt werden, dann schmeißt Obert die Säge wieder an und macht sich an den "Fallkerb", der die Fallrichtung bestimmen wird.

"Zielen ist in einem solchen Bestand schon angesagt", weiß Balley, zeigt auf die dafür hilfreiche Markierung auf der Motorsäge und merkt an, dass man manchmal nacharbeiten muss. Denn nicht auszuschließen aber ungünstig ist es, wenn ein Baum auf einen nicht markierten fällt.

Dann ist es soweit, der Fallkerb liegt abseits, die Richtung stimmt. Nun heißt es: Motorsäge aus, Gehörschutz runter und Achtungsruf. "Zum Achtungsruf mach’ ich auch einen sogenannten Rundumblick, schaue, ob ich jemanden sehe", erklärt Obert. Zur eigenen Sicherheit hat es sich bereits im Vorfeld Platz um den Stock und einen Fluchtweg geschaffen, den er schnell und gefahrlos begehen kann – die "Rückweiche".

Nur dank Halteband steht der Baum noch

"Achtung", ruft er da. Einen Rundumblick später schmeißt Obert den Motor wieder an und sägt den "Fällschnitt", die Bruchleiste und für die Holzqualität durch den Kern. Nun hängt der Baum am "Halteband", einem stehengelassenen Wurzelausläufer. Das ist noch sicher. Jetzt jedoch müssen alle, die nicht mit dem Fällen beschäftigt sind, mindestens zwei Baumlängen auf Abstand gehen.

70 Meter entfernt: Der Baum kaum mehr zu sehen, die Säge heult auf. Obert durchtrennt auf kürzestem Weg das Halteband. Noch während der Motor sich abregt, sieht man Obert durch die Baumreihen seine "Rückweiche" hinauf flüchten. Das ist lebenswichtig, denn rund um den Stock ist es bei Fällarbeiten am gefährlichsten: Äste können von oben fallen, der Stock ausschlagen. Die größte Gefahr besteht laut Heine im Zwei-Meter-Bereich um den Baum.

Daran, dass der Waldarbeiterberuf ein gefährlicher ist, erinnern Ballay nicht nur die kleine Narbe im Gesicht. Nach dem der Baum liegt und die durch den Fall abgeknickten Stämme rundum "abgeklotzt" sind, berichtet er: In seinen 40 Arbeitsjahren hat es schon drei Fälle gegeben, die ihn das Leben hätten kosten können – wenn’s dumm gelaufen wäre. Doch lange darüber nachzudenken, bringe nichts, "abhaken" helfe. Er findet: "Zum alt werden brauchst du Glück." Und Arbeitstechniken wegen der körperlichen Belastung.

"Dafür, dass wir so einen gefährlichen Beruf haben, sind wir ganz schön unterbezahlt", witzelt Obert. Das Einstiegsgehalt liegt für Forstwirte bei etwa 1400 Euro netto. Die anderen Zwei pflichten bei. Die Drei sind schon Jahrzehnte ein Team, das merkt man und das ist im Wald sehr wichtig. Gemein ist ihnen auch ihre Motivation für den Beruf. Sie begründen: "Man ist in der Natur, man ist draußen." Und trotz Gefahr, Belastung und manchmal auch Regen, das ist ihr Ding. Arwen Möller