Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Foto: dpa

Verfügt die Terromiliz "Islamischer Staat" über Chemiewaffen? Und kamen sie im Irak bereits zum Einsatz? Nicht nur Bundesaußenminister Steinmeier ist hochbesorgt.

Berlin/Washington - Die Berichte über einen angeblichen Einsatz von Chemiewaffen durch die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) alarmieren Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Der SPD-Politiker regte nach Angaben aus Regierungskreisen in einem Telefonat mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon an, dass sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit dem Thema befasst. Ban habe zugesagt, das Thema „aufzunehmen“, hieß es in der Nacht zum Freitag in Berlin.

Der „Washington Post“ liegen Informationen darüber vor, dass die Extremisten im Irak Chemiewaffen eingesetzt haben sollen. Demnach wurden im September elf Polizisten in ein Krankenhaus 50 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bagdad gebracht. Sie hätten nach eigenen Angaben nach einem Angriff von IS-Kämpfern über Übelkeit, Erbrechen und Atembeschwerden geklagt. Die Diagnose in der Klinik habe auf Vergiftung durch Chlorgas gelautet, berichtete das Blatt am Freitag.

Ein Vertreter des irakischen Verteidigungsministeriums bestätigte der Zeitung demnach den Vorfall. Zudem habe es zwei weitere Angriffe gegeben, deren Details aber nicht geklärt seien.

Giftgas in Kobane?

Für einen weiteren Fall, wonach die Extremisten Giftgas in der belagerten syrischen Grenzstadt Kobane eingesetzt haben sollen, gibt es bislang keine offizielle Bestätigung. Augenzeugen hatten angegeben, dass zahlreiche Einwohner unter Atemnot litten und Symptome eines Giftgasanschlags zeigten. Dagegen sagte Rami Abdel Rahman, Leiter der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte: „Ein Allergiepatient litt unter dem durch die Bombardierungen verursachten Rauch.“

Die US-Regierung kündigte am Freitag bereits an, die Berichte prüfen zu wollen. „Wir nehmen alle Vorwürfe des Einsatzes von Chemiewaffen sehr ernst - insbesondere die jüngsten Vorwürfe über den Einsatz von Chlorgas“, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats. „Der Einsatz von Chlorgas als Chemiewaffe ist eine abscheuliche Tat.“ Umso wichtiger sei es, sich in der instabilen Region weiter für eine Vernichtung der Giftgas-Bestände einzusetzen.

Restbestände aus Saddams Zeiten

Die „New York Times“ hatte Mitte Oktober berichtet, dass der Terrormiliz im Irak Restbestände alter Chemiewaffen in die Hände gefallen sein könnten. Die Zeitung bezog sich auf den Chemiewaffen-Komplex Muthanna nordwestlich Bagdads. Dort seien unter anderem Sarin-Raketen und Senfgas-Geschosse zurückgelassen worden. IS-Kämpfer hatten den Komplex Anfang Juni erobert. Die irakische Regierung versicherte Anfang Juli allerdings, alle dort ehedem gelagerten Chemiewaffen seien in der Vergangenheit zerstört worden.

Zugleich gibt es neue Vermutungen, dass das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad weiterhin Chemiewaffen einsetzen lässt. obwohl die internationale Gemeinschaft sich um die Zerstörung des Arsenals bemüht hatte. Das Institut für Kriegsstudien ISW in Washington zählte zuletzt mindestens 16 Vorwürfe über Chlorgas-Attacken in Syrien seit Beginn der Luftangriffe gegen IS am 8. August.

Der erste Angriff sei am 19. August erfolgt - am selben Tag also, als die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) die Vernichtung von rund 600 Tonnen Chemikalien zur Herstellung des Giftgases Sarin sowie von Senfgas aus dem syrischen Arsenal verkündete. Genau ein Jahr zuvor waren bei einem Giftgasangriff in Syrien rund 1400 Menschen getötet worden, unter ihnen viele Kinder. Das Assad-Regime hatte im Oktober 2013 nach internationalem Druck mit der Weltgemeinschaft vereinbart, seine Chemiewaffen abzugeben und im Ausland vernichten zu lassen.