Markus Zagermann bedient sich beim Bekleben der Notizblöcke einer Hilfsvorrichtung, die in vielen Arbeitsbereichen das A und O für die Menschen mit Behinderungen sind. Jürgen Borho ist als pädagogischer Leiter auch für die Auszubildenden zuständig. Foto: Störr

In der Haslacher Werkstatt der Lebenshilfe werden junge Menschen ausgebildet. Tag der offenen Tür am Samstag.

Haslach - »Die Lebenshilfe will sich als Werkstatt öffnen und zeigen, wie hochwertig und technisch versiert hier gearbeitet wird«, erklärt Jürgen Borho als pädagogischer Leiter der Arbeitsbereiche. Beim Besuch des SchwaBo in der Lehrwerkstatt betont er: »Wir wollen hier keine Insel sein, sondern am Leben teilhaben.«

Damit das gelingt, werden junge Menschen mit Behinderungen nach dem Schulabschluss zwei Jahre lang nicht nur auf die Arbeit, sondern auch auf das tägliche Leben vorbereitet. Seit 1984 gibt es den Berufsbildungsbereich, der damals noch Arbeitstraining hieß.

Heute haben sich die Anforderungen gewandelt, die Arbeitsplätze auf dem freien Markt werden immer im Blick behalten. »Das große Thema der Zukunft wird die Bildung der jungen Menschen sein.« Derzeit gebe es bundesweite Diskussionen, um die Ausbildung durch Teilabschlüsse aufzuwerten und so den Übergang auf den freien Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Die Ausbildungsinhalte werden von der Bundesagentur für Arbeit vorgeschrieben – und in Haslach mit Leben gefüllt. Im Rahmenarbeitsplan hat jeder Monat sein eigenes Schwerpunktthema, derzeit werden Grundfertigkeiten in der Metallverarbeitung vermittelt. Was sich theoretisch anhört, wird mit ausgedienten Teelichthaltern und Figuren des Haslacher Künstlers Frieder Haser plastisch und praxisnah umgesetzt. Die kleinen Alubehälter werden in Handarbeit vom Wachs befreit, via Handhebelpresse geplättet und anschließend zu Kunstwerken oder einem Vorhang verarbeitet. Dass zur Ausbildung auch Grundlagenwissen zur Ordnung am Arbeitsplatz oder zum Umgang mit Werkzeugen und Farben gehört, haben die neun Auszubildenden in ihren Berichtsheften schriftlich oder via Fotos dokumentiert.

Für Ausbildungsleiter Bernhard Keller ist das Berichtsheft somit Schulung kognitiver Fähigkeiten und Beleg für Gelerntes. »Außerdem macht das Berichtsheft auch Spaß, und ich sehe, was wir das ganze Jahr gemacht haben«, erzählt Marius Neumaier. Er ist seit September des vergangenen Jahres in Ausbildung und hat derzeit noch keine Vorstellung, in welchem Bereich er einmal arbeiten möchte.

Für Jasmin Neumaier wurde die Arbeit fürs Berichtsheft zur Aufgabe, weil sie am Computer extrem fit ist. Und so dokumentiert sie einzelne Tätigkeiten für den Rahmenarbeitsplan, laminiert ihre Ausführungen und macht sie somit dauerhaft verwendbar.

Damit die Auszubildenden den Arbeitsalltag der einzelnen Bereiche und die Anforderungen an den jeweiligen Arbeitsplatz kennenlernen, werden in jeder Abteilung – oder wo möglich in der freien Wirtschaft – Praktika absolviert. Außerdem legen sie in der Berufsbildungsabteilung Hand an, wenn es in der Produktion zu Engpässen kommt. »So lernen sie Arbeiten zügig zu erledigen und trotzdem auf Qualität zu achten«, erklärt Keller.

Anna Schmid demonstriert derweil, wie Kalender und Notizbuch einsortiert werden müssen, damit sie den Anforderungen des Kunden entsprechen. In der Qualitätskontrolle werden die Kalenderbücher anschließend sortiert und gezählt. Doch neben dem Erlernen der Arbeitsgrundlagen steht die Schulung des lebenspraktischen Bereichs auf der Agenda. »Der Führerschein ist beispielsweise immer ein Thema, der Umgang mit dem Handy, Facebook und Co. oder dem Fahrkartenautomat will gelernt sein.«

Als Zwischenschritt von der Schule ins Arbeitsleben würden viele Auszubildende große Fortschritte in ihrer Persönlichkeitsentwicklung machen und lernen, Verantwortung zu übernehmen. Und so orientiert sich die Ausbildung in der Lebenshilfe so nah wie möglich an der freien Wirtschaft und hat am Ende nur einen entscheidenden Unterschied: Es gibt keinen offiziellen Abschluss. Noch nicht.