Charlotte Reinhard beträufelt den jungen Vogel ganz vorsichtig mit Wasser. Das hat ihn immerhin wieder auf seine – allerdings noch sehr wackeligen – Füßchen gebracht. Foto: Gräff

Charlotte Reinhard und Eckhard Gräff haben nicht alltägliches Erlebnis: Völlig geschwächter Vogel fällt ihnen fast vor die Füße.

Mittleres Kinzigtal - Die derzeitige Sommerhitze macht nicht nur den Menschen zu schaffen. Auch die Tiere leiden darunter, wie die beiden SchwaBo-Redakteure Charlotte Reinhard und Eckhard Gräff jetzt erlebt haben: Ihnen fiel ein völlig geschwächter Vogel fast vor die Füße.

Freitagmorgen, kurz vor 10 Uhr: Die Temperaturen sind schon auf weit über 30 Grad Celsius gestiegen, die Sonne brennt vom Himmel und heizt den Asphalt auf.

Charlotte Reinhard und Eckhard Gräff sind auf dem Weg in die Redaktion, als vor ihnen ein kleiner Vogel auf dem glühend heißen Gehweg liegt. Das Tier bewegt sich nicht mehr, es atmet heftig. Als die beiden Zeitungsleute es vorsichtig hochheben, zeigt es keine Gegenwehr mehr.

Was ist zu tun? Wasser und Schatten schadet niemandem, sicherlich auch dem kleinen Vogel nicht. Ein Glas des frischen kühlen Nass gibt es spontan vom Fitnessturm, etwas Schatten spendet ein geparktes Auto. Vorsichtig beginnt Charlotte Reinhard, den kleinen Vogel mit Wasser zu beträufeln. Zunächst ohne Erfolg, das Tier ist zu kraftlos, um sein Köpfchen zu heben. Dann treffen die Wassertropfen seinen geöffneten Schnabel. Es dauert nicht lange, da reagiert das kleine Wesen und nimmt erste Tropfen auf. Aber die Hitze ist zu groß, das Tier völlig geschwächt. Kurzerhand nimmt Charlotte Reinhard den Jungvogel in die Hand, und zügig steuern die beiden Zeitungsleute die nahegelegene Redaktion an. Die Kollegen staunen nicht schlecht, als sie den ungewöhnlichen Gast sehen.

Die Konferenz wird kurzerhand verschoben, die Küche in ein "Badezimmer" umfunktioniert. In einen tiefen Teller kommt etwas Wasser, darin setzt Reinhard den kleinen Vogel, der inzwischen wieder etwas munterer geworden ist. Damit das Jungtier nicht vom Teller auf den Boden fällt, stülpen die beiden Redakteure noch Mikrowellen-Kunststoffabdeckung mit Löchern darüber.

"Sie haben in diesem Fall richtig gehandelt, das war ein echter Notfall", sagt dazu Angela Grieß vom Hornberger Tierschutzverein. Generell sollte man allerdings beim Fund von Jungvögeln zurückhaltender sein, auch wenn man glaube, dass die Eltern ihn verlassen hätten. Oft seien sie ganz in der Nähe.

Findet man ein Junges, das noch sein Daunenfederkleid trägt, dann sollte man allerdimgs versuchen, das Nest ausfindig zu machen und das Junge zurückzusetzen. "Vögel orientieren sich nicht so stark wie Säugetiere nach dem Geruchsinn. Auch nach der Berührung durch den Menschen nehmen sie ihr Junges wieder an", sagt Grieß.

In dem Fall des überhitzten Vögelchens, das allem Anschein nach schon flügge war, helfe es, das Tier vorsichtig herunterzukühlen, so Katharina Stocker, Tierärztin in Haslach. Sonst drohe ein Schock. "Setzen Sie den Vogel zum Beispiel auf ein nasses Handtuch und bieten Sie Wasser an", rät sie. "Und wenn es ihm besser geht, lassen Sie ihn frei."

Eine halbe Stunde später: Aus der Redaktionsküche werden die ersten Zwitschergeräusche hörbar. Was dann zu sehen ist, begeistert: Der kleine Vogel spielt im Wasser, flattert mit den Flügeln und schaut ganz neugierig umher. Zeit also, ihn wieder freizulassen. Und das geschieht ganz feierlich: Charlotte Reinhard trägt den Jungvogel, der jetzt – das ist aus der Handkuhle deutlich zu hören – wieder putzmunter ist, in eine Ecke mit viel Grün und einem hohen Baum.

Der kleine Gast verharrt kurz noch auf der Hand. Dann geht es – nach einem kurzen Zwischenstopp an einer Hauswand – schnurstraks und laut zwitschernd in besagten Baum, wo er in das Konzert seiner vielen Artgenossen einstimmt.

Dann hat der Alltag die beiden Redakteure wieder. Aber beide haben ein besonders zufriedenes Gefühl an diesem heißen Freitag.