"Hebamme Sophie" unterhält die Gruppe mit Witz und Charme bei ihrem Rundgang durch die Stadt.Foto: Kluckert Foto: Schwarzwälder-Bote

Stadtführung mit Hebamme "Sophie" durch Haslach

Die Hebammen-Stadtführung hat sich in Haslach zu einem echten Renner entwickelt, sodass von der örtlichen Tourismus-Information regelmäßig Zusatztermine angeboten werden. Wir begleiteten Brigitta "Billy" Sum-Herrmann bei ihrem Rundgang durch die Stadt.

Haslach. Rund 30 Frauen und einzelne Männer verbrachten den Mittwochabend gemeinsam mit der "Miss Kinzigtal" in Haslach. Allerdings trug diese keine Nylons und High-Heels, sondern bei knapp 30 Grad Hitze Holzschuhe und selbst gestrickte Wollsocken. Als Hebamme aus der "guten" alten Zeit führte sie die frauenlastige Gruppe durch die Kinzigtalstadt. "Ich werde als ›Miss Kinzigtal‹ bezeichnet, weil ich regelmäßig Themenführungen in ganz unterschiedlichen historischen Rollen in der gesamten Region anbiete, beispielsweise in Hausach, Wolfach, Gengenbach, Zell oder eben auch hier in Haslach", so die examinierte Krankenschwester. "Hebamme war schon immer mein Wunschberuf und passt ja auch gut zu Haslach, das alljährlich am 22. Februar den Storchentag feiert", erklärt Brigitta Sum-Herrmann. Sie führt die Besucher in der entsprechenden Berufskleidung samt Köfferle, Abhörrohr und Stoffstorch zu den interessanten Orten der historischen Zähringerstadt und schlüpft dabei in die Rolle der "Hebamme Sophie" vor 100 Jahren, beleuchtet aber auch mit Witz, Charme und so manch einer süffisanten Bemerkung die Lebens- und Arbeitswelt im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit.

"Hebamme ist der älteste Frauenberuf und hatte im Mittelalter ein hohes Ansehen. Wer den Beruf ergreifen wollte, musste über eine große Erfahrung verfügen, durfte nicht geschwätzig sein und vor allem keine Kinder mehr kriegen können. Zudem mussten Hebammen einen Eid schwören, daher stammt auch der Begriff ›geschworene Weiber‹", schildert die vierfache Mutter die Situation der ›Baby-Auffängerinnen‹ im Mittelalter. "Gefährlich wurde es für die ›weisen Frauen‹ erst ab dem 16. Jahrhundert. Gezielte Denunziationen führten dazu, dass einige Hebammen auf dem Scheiterhaufen landeten, so auch in Haslach", spricht sie ein dunkles Kapitel der lokalen Geschichte offen an. Ebenso offen ging sie auch mit den Themen "Ungewollte Schwangerschaft" und "Abtreibung" in der damaligen Zeit um. "Für das ›Unaussprechliche‹ waren in erster Linie die Hebammen, die übrigens auch bei kritischen Geburten nottaufen durften, zuständig. Sie standen den Frauen mit Rat und Tat zur Seite."

Und natürlich hatte die gute "Sophie" auch für die männlichen und weiblichen Zuhörer während der Führung einige nachwuchsfördernde Tipps – meist in Reimform – parat, beispielsweise "Petersil bringt Power auf den Stiel". Zudem empfahl sie den Genuss von reichlich Haselnüssen und Rosmarin – der aphrodisierenden Wirkung wegen. Und zur Dämpfung der Begierde Hopfensud. "Das beruhigt. Daher haben früher die Mönche auch so viel Bier getrunken."

Auf dem Weg zu den einzelnen Stationen der Führung präsentierte die Hausacherin ihr schauspielerisches Talent, das sie von ihrem Vater geerbt zu haben scheint. Kein Passant war vor ihren Aktionen und Sprüchen sicher, egal ob Mann oder Frau. Bei dem fast zweistündigen Rundgang durch Haslach erfuhren die Zuhörer aber nicht nur Interessantes über die Lebensumstände von Hebammen, sondern auch viel über die Historie der Storchenstadt, ihre berühmten sowie berüchtigten Persönlichkeiten, über geschichtsträchtige Bauwerke und auch über teilweise bis in die heutige Zeit gepflegten Sitten und Bräuche – beispielsweise den Storchentag oder die Narrentaufe, bei der in der fünften Jahreszeit die Hebamme das Narren(puppen)baby mit einer riesigen Zange aus dem Rohrbrunnen holt.

Am Ende des Rundgangs und vor der Einkehr zum "Flammenkuchenessen" war die Schar der Zuhörer voll des Lobs für die informative, lebendige und authentische Stadtführung. "Mit den Hebammenführungen habe ich erst im vergangenen Jahr begonnen und seitdem schon fast 40 durchgeführt", meint Sum-Herrmann nicht ohne Stolz. "Der Erfolg freut mich besonders für die Stadt Haslach, denn für mich ist Hasle eine der schönsten Städte."

Und zum Beweis stimmt sie gemeinsam mit den Zuhörern das Badnerlied an, natürlich die zweite Strophe: "In Haslach gräbt man Eisenerz."