Ulla Schmidt plauderte bei ihrem Besuch in Haslach mit den Mitarbeitern der Lebenshilfe-Werkstätten. Foto: Reutter

Ehemalige Gesundheitsministerin und aktuelle Bundesvorsitzende der Lebenshilfe besucht Haslacher Werkstätte.

Haslach - Die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zeigte am Mittwoch beim Besuch der Haslacher Lebenshilfe keinerlei Berührungsängste. Ihr Verhalten passte damit zu ihrem Anliegen, behinderte Menschen ernst zu nehmen und normal zu behandeln.Die aktuelle Bundesvorsitzende der Lebenshilfe plauderte bei einem Rundgang ganz ungezwungen mit den Mitarbeiter der Werkstätte. Das Gespräch leitete Schmidt dabei immer mit einem freundlichen "Hallo, ich bin die Ulla" ein. Dann ließ sie sich von ihnen erklären, woran sie gerade arbeiten, und von Manfred Schmidt (Bereichsleitung Technik) und Helmut Pfotzer (Vorstandsvorsitzender) weitere Hintergünde erläutern. geben. SPD-Bundestagskandidat Johannes Fechner erkundigte sich ferner bei Manfred Schmidt über die momentane Auftragslage. Diese sei bei Werbeartikeln – die Lebenshilfe bedruckt und baut beispielsweise Artikel wie Kugelschreiber für bundesweit für 4000 Kunden zusammen – momentan eher schlecht, aber in anderen Bereichen dafür gut. Ganz schlimm sei es während der großen Wirtschaftskrise 2009 gewesen. "Damals war es schwer die Leute zu motivieren, in die Werkstatt zu kommen, da sie dort nichts zu arbeiten hatten", so Manfred Schmidt. Dabei sei die Arbeit für ihr Selbstwertgefühl nicht weniger wichtig als für Nichtbehinderte.

Nach dem Rundgang hatten die Lebenshilfe-Vertreter noch Gelegenheit, ihre Fragen und Sorgen loszuwerden. Dabei ging es vor allem über das Thema Inklusion. Jürgen Borho (Bereichsleitung Pädagogik) machte darauf aufmerksam, dass die Lebenshilfe mit der Art der Diskussion und einigen Vorschlägen zu dieser Thematik Schwierigkeiten habe. So sei von Kostenträgern beispielsweise schon "von Vermeidung der Werkstätten" zu hören. Ferner macht er sich über einen Vorschlag Gedanken, wonach private Träger zugelassen werden und diese sich dann auch die Leute aussuchen könnten, während die Lebenshilfe eine Aufnahmepflicht habe. Seine Befürchtung ist daher "ein Kampf um die Fitten". Manfred Schmidt könnte sich auch vorstellen, dass es zu einem Preiskampf kommen könnte.

Zudem merkte er an, dass beim Thema Inklusion nach seinem Eindruck auch oft der Hintergedanke, Geld zu sparen, mitschwinge. Im Zuge der Inklusion sollten aber nicht Standards beschränkt werden.

"Jeder hat Angst vor Reformen"

"Jeder hat Angst vor Reformen", merkte Ulla Schmidt an, dafür habe sie auch Verständnis, aber man solle keine Angst vor Neuen haben. Sie vertrat die Auffassung, dass die Behinderten selbst entscheiden sollten, was sie wollen. Um Inklusion zu ermöglichen, müsse die Politik für die passenden Rahmenbedingungen sorgen. Wahlmöglichkeit beinhalte aber auch, sich dagegen zu entscheiden. Es dürfe keinen Zwang zur Inklusion geben und diese dürfe auch kein "Sparmodell" sein. Denn ohne ausreichende Betreuung sei es nicht machbar. Dabei verwies sie auf ihre frühere Tätigkeit als Lehrerin, bei der sie auch mit der damals noch Integration genannten Thematik zu tun hatte. Auch sprach sich Ulla Schmidt deutlich gegen eine Zwei-Klassen-Inklusion von leichter und weniger leicht integrierbaren Menschen aus. Generell bezeichnete die SPD-Frau die Lebenshilfe als einen wichtigen "Brückenbauer" und lobte den im Kinzigtal praktizierten Ansatz der Wohnschule. Bei der Lebenshilfe sollen weiterhin so viele Menschen wie nötig beschäftigt sein und betreute werden, so Ulla Schmidt.

Aber auch die Lebenshilfe müsse sich ändern und öffnen. So regte die Politikerin an, dass sich die Werkstätten auch für andere Menschen öffnen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt Probleme haben. Für alle sollte der Weg auf den ersten Arbeitsmarkt dann offen sein, so Ulla Schmidt.