TTIP-Gegner bei der Demonstration vor dem Reichstag am Wochenende. Foto: Steinberg

Zahlreiche Gegner nehmen an Demo gegen Freihandelsabkommen in Berlin teil. Teilnehmer können sich Gehör verschaffen.

Haslach - Die Verhandlungen um das Transatlantische Freihandelsabkommen, kurz TTIP, schlagen hohe Wellen. Zu der Großdemonstration in Berlin waren am Wochenende auch Teilnehmer aus dem Kinzigtal angereist.

"Es war grandios!", freut sich Dieter Müller, Vorsitzender der Ortsverbands Kinzigtal/Gutachtal des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Er war mit zwei Mitstreitern in einem der zwei Busse aus der Region nach Berlin aufgebrochen, um an dem Protestmarsch teilzunehmen. "Es waren viele junge Leute da, was mich überrascht hat", berichtet Müller. Reisende hatten ihm berichtet, dass Bahnen mitunter ohne zu halten durch die Stationen gefahren seien. Der Bahnhof sei laut Müller vollkommen überfüllt gewesen. Nach Angaben der Polizei waren mehr als 150 000 Demonstranten zu dem Aufmarsch gekommen. Die Veranstalter wollen hingegen rund 250.000 Teilnehmer gezählt haben. Dennoch sei alles friedlich abgelaufen.

Die Demonstration stand unter dem Titel "Für einen fairen Welthandel". Dass dieser mit dem TTIP-Abkommen eintritt, bezweifelt Müller allerdings: "Es werden Arbeitnehmerrechte abgebaut", ist er sich sicher. Zudem fürchtet er, dass die Kontrolle an die privaten Schiedsgerichte abgetreten wird, vor denen die Unternehmen dann klagen könnten.

Verhandelt wird das Abkommen zwischen der EU und den USA bereits seit rund zwei Jahren, größtenteils jedoch hinter verschlossenen Türen, wie auch Dieter Müller bemängelt: "Warum machen die da so eine Geheimniskrämerei?" Das Verfahren sei "undurchsichtig" und wer etwas hinter verschlossenen Türen bespreche, wolle schließlich, dass die Leute es nicht mitbekommen. Er ist sich sicher, dass die Proteste gar nicht erst so hochgekocht wären, hätte die Politik Transparenz walten lassen und den Bürgern einen Blick auf die Verhandlungen erlaubt. "Es geht hier nicht um Genmais und Chlorhühnchen, sondern um den massiven Abbau von demokratischen Rechten", fürchtet der Gewerkschafter.

Pünktlich zur Demonstration am Wochenende in Berlin hatte Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel in mehreren Zeitungen seitenhohe Anzeigen geschaltet, in denen er klarstellt, dass an den bisherigen Errungenschaften festgehalten werden soll: "Es wird keine Absenkung der in Deutschland und Europa erreichten Umwelt-, Sozial-, und Verbraucherschutzstandard geben." Es komme darauf an, was man aus dem Abkommen mache, die Regeln könne man selbst mitgestalten, heißt es dort weiter. Dieter Müller hält das für schön und gut: "Aber nur, weil Siegmar Gabriel das nicht will, heißt das ja nicht, dass auch Angela Merkel das nicht will."

Das Abkommen zwischen der EU und den USA würde das weltweit größte Handelsnetzwerk schaffen. Befürworter versprechen sich davon, dass der globale Handel angekurbelt wird und dass durch die steigende Zahl der Exporte weitere Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden, insbesondere in Exportländern wie Deutschland. Dieter Müller hingegen stellt das Abkommen gänzlich in Frage: "Brauchen wir das Freihandelsabkommen überhaupt? Der Handel klappt doch auch so." Und die Normen für Handelswaren könne man schließlich auch ohne das Abkommen angleichen, etwa bei Bauteilen für Autos, die wegen unterschiedlicher Standards bislang häufig in mehreren Ausführungen gefertigt werden müssen. Er fordert nun von der Politik, zunächst offen zu legen, was im Abkommen festgehalten werden soll.

Auch Angelika Kalmbach-Ruf, Vorsitzende des BUND Kinzigtal, lehnt TTIP ab. Sie fürchtet um Probleme, unter anderem in der Kennzeichnung von Lebensmitteln und anderen Waren: "Wir kämpfen ja selbst hier in Deutschland noch um Kennzeichnungspflichten", in den USA sei das noch lange nicht auf dem selben Stand. Doch auch in der Gentechnologie sieht die Wolfacherin unüberwindbare Differenzen zwischen den möglichen Handelspartnern.

Mit der Demonstration konnten sich die Gegner nun Gehör verschaffen. Die Verhandlungen gehen indes weiter – wohl im Verborgenen.

Bei dem sogenannten Transatlantischen Freihandelsabkommen, kurz TTIP, handelt es sich um einen Vertrag zwischen der EU und den USA, dessen Inhalte seit 2013 verhandelt werden. Gegen den Vorläufer, das Multilaterale Investitionsabkommen, gab es bereits in den 90er-Jahren Proteste seitens der Aktivisten, schließlich wurde es nicht eingeführt. TTIP soll dazu dienen, sogenannte Handelshemmnisse zwischen den beteiligten Ländern zu mindern. Dazu gehören neben Zöllen etwa die Importquote für Käse in die USA, aber auch unterschiedliche technischer Standards oder Kennzeichnungsvorschriften für Waren. Der Handel soll durch einen Abschluss des TTIP-Abkommens also erheblich vereinfacht werden, damit das Wirtschaftswachstum ankurbeln und Arbeitsplätze sichern. Hunderte Lobbygruppen können ihre Einwände einbringen, schlussendlich wird der Stand der Verhandlungen jedoch nicht im Detail öffentlich gemacht. Gegner des Abkommens befürchten, dass damit auch Umwelt-, Sozial- und Arbeitsstandards fallen könnten. Die elfte Verhandlungsrunde zum Transatlantischen Freihandelsabkommen hatte Ende Juli in Brüssel stattgefunden.