Nach jedem Halt macht die Busfrau im russischen Pskow ihre Fahrkartentour. Foto: Spitzmüller Foto: Schwarzwälder-Bote

Das Busfrau-Leben im russischen Nahverkehr

Mittleres Kinzigtal/Pskow. Neues aus Russland: Christina Spitzmüller berichtet für den "Schwarzwälder Boten" in einer losen Serie von ihren Erfahrungen in der Großstadt Pskow (Nordwestrussland). Hier absolviert sie zur Zeit ein freiwilliges soziales Jahr. Die Busfrau heißt wörtlich übersetzt eigentlich "Schaffnerin". Aber ich finde, Busfrau trifft die Sache besser. Die Busfrau also ist fester Bestandteil eines jeden öffentlichen russischen Busses. Sie wohnt quasi in "ihrem" Bus. Dort hat sie einen reservierten Platz, der mit einem liebevoll gestalteten Pappschild "Platz der Busfrau" ausgezeichnet ist.

Meine Busfrau deponiert dort ihre Frauenzeitschriften oder Kreuzworträtsel. Wie alle Russen pflegt sie zu Hause, also im Bus, einen etwas lockereren Kleidungsstil: im Sommer schon auch mal Jogginghose und T-Shirt. Im Winter trägt sie aufgrund der eisigen Temperaturen im Bus selbstverständlich einen Skianzug.

Diese russische Arbeitskraft der Busfrau hat die Aufgabe, alle zu Befördernden mit Fahrscheinen zu versorgen. Ihr Schlachtruf: "Fahrkarten!" Entweder zeigt man dann seine Monatskarte oder man kauft ihr ein "Bilet" für 16 Rubel, also schlappe 40 Cent ab. Und zwar in jedem Bus, nach jedem Umsteigen.

Nach jeder Haltestelle zwängt sich die Busfrau einmal längs durch den Bus. "Wer ist reingekommen? Wer braucht noch einen Fahrschein? Haben alle schon eine Fahrkarte?", schreit sie auf ihrer Tour durch die Reihen. "Die Passagiere auf den hinteren Plätzen, haben Sie Monatskarten? Und Sie, junger Mann, brauchen Sie einen Fahrschein?"

Hände strecken ihr genauestens abgezähltes Geld entgegen. Wer nämlich kein passendes Kleingeld dabei hat und etwas größere Scheine wechseln will, wird schon auch mal von der weiteren Beförderung ausgeschlossen, weil er keine Fahrkarte kaufen kann.

Manchmal kommt noch eine Kontrolleurin in den Bus. Anfangs war mir immer schleierhaft, wieso diese zweite Frau jetzt auch noch meine Fahrkarte sehen wollte. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass die Busfrau lediglich Fahrkarten verkauft, aber nicht dafür zuständig ist, sie auch zu kontrollieren. Dafür ist die Kontrolleurin zuständig. Ich, die deutsche Fahrscheinautomaten gewohnt bin, frage mich natürlich, ob es sich bei dieser Aufteilung und dem Beruf der Busfrau im Allgemeinen um die effektivste Methode, schützenswerte Tradition oder doch nur um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme handelt.

Die Effektivität zweifle ich immer dann an, wenn ich mit einem Rucksack voller Lebensmittel in einem überfüllten Bus stehe und die Busfrau an mir durchzwängt: "Lassen Sie mich hier mal durch. Wer ist noch ohne Fahrkarte?"

Wenn sie auf ihrem Rückweg dann noch einen abschätzigen Blick auf meinen Rucksack wirft, habe ich ein bisschen Angst, dass sie mir gleich 16 Rubel für mein Übergepäck abknöpft. Vielleicht sollte ich auf russische Plastikeinkaufstüten umsteigen, um von der Busfrau akzeptiert zu werden. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

Weitere Informationen: Die Arbeit im HPZ, in dem Christina Spitzmüller ihr FSJ ableistet, finanziert sich hauptsächlich über Spenden aus Deutschland, Spendenkonto unter www.initiativepskow.de.