Revierförster Philipp Glanz verbringt drei Viertel seiner Arbeitszeit an der frischen Waldluft. Foto: Schwarzwälder-Bote

Atem holen unter sattem Grün: Bäume schuften fortwährend und sorgen für unvergleichlich gute Luft

Von Nicola Schwannauer

Ein Förster, die Kinder eines Waldkindergartens, ein Luftkurort, eine Wald-Expertin: Sie alle verbringen Zeit im Wald. Kein Wunder: Der wartet nicht nur mit grenzenloser Natur auf – auch seiner Luft schreibt man besonders gute Eigenschaften zu.

Der Wald und die Luft zum Atmen: Wie hängt das zusammen? Und: Ist die Luft im Wald wirklich besonders gut? Ja, das ist sie. Schließlich sorgt allein eine einzige Buche für soviel Sauerstoff, dass 13 Menschen einen Tag lang davon atmen könnten. Das ist die nüchterne Zahl, die die Forstleute dazu kennen.

Der Förster und sein Wald

Auf dem Urenkopfturm. Halb zehn Uhr morgens, die Luft ist kühl und feucht. Nebelschwaden machen sich zwischen den Bäumen breit und wabern träge nach oben. Philipp Glanz zeigt auf sein Forstrevier unterhalb, um Haslach und Biberach: Bäume, Bäume, Bäume. Der Förster weiß, warum die Luft hier auf 550 Metern Höhe und der 35 Meter hohen Plattform so gut ist: "Die Bäume filtern die Schadstoffe, und durch Photosynthese produzieren sie Sauerstoff." Photosynthese? Das Fachwort meint nichts anderes, als dass aus energiearmen Stoffen mit hilfe von Licht energiereichere Stoffe gewonnen werden. Das können alle Grünpflanzen, und die Bäume mit ihren tausenden von Blättern und Nadeln ganz besonders wirkungsvoll.

Nirgendwo sonst könne die Luft so gut sein wie in der Nähe von Wäldern mit ihrem vielen Grün, sagt der Förster. Die üppige Bepflanzung hält die Luft kühl und feucht, wenn sie anderswo schon verbraucht und abgestanden ist. Das schafft in einer solchen Wirkung keine andere Umgebung, nur der Wald, sagt Philipp Glanz. Damit diene er auch als Luftaustausch für die Stadt, im Wald bleibt die Temperatur lange gleich, und so haben auch die Bereiche etwas von der Luft, die an den Wald angrenzen.

Wenn Revierförster Philipp Glanz von der Aussichtsplattform des Urenkopfturms nach unten schaut, dann überblickt er sein Revier: Den Haslacher und Biberacher Wald. Wir sind mit dem Auto ohne Allrad die für die Öffentlichkeit gesperrten Waldwege hoch und direkt zum Turm gefahren, dem douglasiengestützten Stahltreppenhaus. Philipp Glanz wollte immer schon Förster werden, den Großteil seiner Zeit verbringt er im Freien.

Der Rundblick reicht weit, bis zum Windkopf und zum Kräherkopf in der Ferne. Es ist windstill. Das Rauschen der Bundesstraße ist hier oben gut zu hören. Die Zahlen, geht es um die Leistung des Waldes, sind beeindruckend.

Buchenblätter sind Filter

Ein Beispiel veranschaulicht, was Bäume leisten: Eine hundertjährige Buche etwa, 25 Meter hoch und vier Menschengenerationen alt, hat zwischen 300 000 und 600 000 Blätter. Das entspricht einer Fläche von 1200 Quadratmetern. Durch die schwammartige Struktur sei aber die Atmungsfläche der Blätter noch viel größer und liege bei 15 000 Quadratmetern, informiert Silke Lanninger, Forstbezirksleiterin Wolfach. Das ist die Fläche von zwei Fußballfeldern. An einem Sonnentag nehmen rund 36 000 Kubikmeter Luft ihren Weg durch die Blätter. Da schafft der Wald mit seinem vielen Grün ordentlich was weg.

In einer Wachstumssaison filtern die Buchenblätter dann 150 Kilogramm Schadstoffe, Schmutzpartikel und Mikroorganismen aus der Luft. Außerdem wandelt die Buche täglich zwischen acht und 18 Kilogramm Kohlendioxid zu organischen Stoffen um und produziert fünf bis zwölf Kilogramm Traubenzucker.

400 Liter Wasser durchströmen eine Buche täglich, von den Wurzeln angesaugt. Über die Blätter wird dieses wieder verdunstet.

Weil sie die Photosynthese beherrschen, produzieren solche Buchen täglich 13 Kilogramm Sauerstoff. Dazu Silke Lanninger: "Das entspricht dem Tagesbedarf von 13 Menschen." Ein Kilo Atemsauerstoff würde etwa 40 Euro kosten, als so wertvoll wird eingeschätzt, was die Bäume gratis produzieren.

Luftkur und Erholung

Vom Urenkopfturm aus nicht zu sehen liegt Oberwolfach. 1978 erhielt die Wolftal-Gemeinde das Zertifikat eines Luftkurorts. Wie viele Besucher aus diesem Grund kommen, kann man bei der Gemeinde nicht schätzen, im Jahr 2014 zählte man fast 57 000 Übernachtungen und rund 14 000 Gäste. Luftkur-Experten wissen, dass in einem solchen Ort das Klima stimmen muss: Die Luft darf nicht stehen, es muss schattige Plätzchen geben und die Landschaft abwechslungsreich sein. Auch dank seiner vielen Seitentäler wird das Wolftal stets mit frischer Luft versorgt und erfüllt damit eine wichtige Voraussetzung für einen Luftkurort: Die Luft ist in Bewegung.

Die Kinder und ihr Garten

Nicht ab und zu mal, sondern täglich gehen die Kinder des Haslacher Waldkindergartens an die Luft. Ihr Kindergarten findet im Freien statt, im Wald: Weithin sichtbar sind die beiden Tipis, die vor vier Jahren auf den Hügeln vor Haslach aufgetellt wurden.

Die Kinder des Waldkindergartens denken wohl nicht als erstes an den gesundheitlichen Aspekt: Ihnen geht es ums Spielen. Baumstämme sind mal Krokodile, mal Schlösser, mal Burgen, mal Lokomotiven. Dass mit jedem Atemzug ein halber Liter Waldluft in ihre Lungen strömt, ist da nur Nebensache. Dennoch gibt es Eltern, die ihre Kinder wegen der gesundheitsfördernden Wirkung des Waldes in der Einrichtung anmelden, sagt Leitern Bianca Schaub Schwarz. "Hier leben wir mit der natur zusammen", sagt sie für die Kinder ist das ein tägliches Lernen an der Luft mit allen Sinnen."

Auf 10 000 Liter Atemluft kommt der Mensch am Tag. Doch was ist eigentlich Luft? Das Netz gibt rasch Auskunft: Luft ist das Gasgemisch der Erdatmosphäre, bestehend im wesentlichen aus Stickstoff und Sauerstoff. So weit, so nüchtern. Für den Förster, die Luftkurgäste, die Forstamtsleiterin und die Waldkinder ist Luft noch viel mehr. Und die griechischen Naturphilosophen hielten sie für eines der vier Grundelemente, aus dem alles Sein besteht.

Der Schwarzwälder Bote Kinzigtal wird immer samstags und mittwochs in seiner Sommerserie "Das Tal, in dem wir leben" den Blick hinter die Kulissen des alltäglichen Lebens lenken. Spannende Berichte, Interviews, Porträts und Reportagen zeigen, welche geologischen Prozesse zu der Landschaft geführt haben, durch die beispielsweise der Weg zur Arbeit täglich führt. Auch aktuelle Herausforderungen für die Landwirtschaft und die Lebensmittelversorgung im Tal wollen wir beleuchten. Und es gibt viel Wissenswertes. Gerne können Sie uns Ihr Wunschthema für diese Serie mitteilen. Wir freuen uns über jede Zuschrift an Schwarzwälder Bote, Kinzigtal-Redaktion, Hauptstraße 41, Telefon 07832/975214 oder per Email an redaktion-wolfach@lahrer-zeitung.de. Viel Spaß beim Lesen!