Die Kraft des Gegners für den eigenen Angriff nutzen: Martin Seyfer lehrt in Haslach Wing Tsun, die Kunst der Selbstverteidigung. Foto: Forth Foto: Schwarzwälder-Bote

SchwaBo-Volontär wagt Selbstversuch im Wing Tsun / Stilform des Kung-Fu kann nun in Haslach trainiert werden

Meine Faust schnellt nach vorne und müsste meinen Gegner genau auf die Nase treffen. Doch einen Wimpernschlag später rauscht sie bereits vorbei. Mein Arm wird nach unten gerissen, ich bekomme ein Bein gestellt und verliere das Gleichgewicht.Was sich nach einer handfesten Prügelei anhört, ist eigentlich das genaue Gegenteil. Mein Gegenüber heißt Martin Seyfer und ist Lehrer am Wirtschaftsgymnasium in Hausach. Drei mal in der Woche lehrt er als Si-Hing ("älterer Bruder") in Haslach die Kunst des Wing Tsun. In einer Probestunde bringt er mir die ersten Schritte dieser Stilform des Kung-Fu bei und lässt mich auch spüren, wie effektiv man diese Techniken nutzen kann.

Wing-Tsun klingt in der Übersetzung ("schöner Frühling") eher friedliebend. Tatsächlich ist es aber eine Selbstverteidigungstechnik, dessen Ziel es ist, einen Angreifer bei einer Attacke möglichst schnell kampfunfähig zu machen – und selbst mit heiler Haut davonzukommen. Einen geraden Schlag würde man normalerweise versuchen abzuwehren. Wing Tsun gilt jedoch als "weicher Stil", bei dem man raffiniertere Techniken anwendet und die Kraft des Gegners für den eigenen Angriff nutzt.

Ich übe mit Christian Pressler, wie man den Arm des Angreifers mit der linken Hand am eigenen Kopf vorbei leitet, um mit der rechten selbst einen Treffer zu platzieren. Pressler trainiert seit gut einem Jahr bei Seyfer, hat den vierten Schülergrad und ist gegen Angriffe bereits gut gewappnet. Ich hingegen stelle mich am Anfang noch ziemlich ungelenk an. "Das ist ganz normal", sagt Seyfer, "je lockerer man die Übungen macht, umso leichter ist es".

Der Legende nach wurde Wing Tsun vor rund 360 Jahren von eine Nonne eines Shaolin-Klosters im Süden Chinas entwickelt. Sie wollten es auch mit körperlich überlegenen Gegnern aufnehmen können. In den Westen gelangte die Kampftechnik über den posthum als Großmeister geadelten Yip Man, zu dessen Schülern auch Filmstar Bruce Lee zählte.

Im Gegensatz zu vielen Kampfsportarten sei Wing Tsun relativ leicht zu erlernen, sagt Seyfer: "Die Fähigkeit zum Selbstschutz besitzt man bereits nach sechs Monaten", bis man die zwölf Schülergrade hinter sich gebracht habe, dauere es allerdings einige Jahre.

Martin Seyfer übt diese Verteidigungskunst seit vielen Jahren aus und arbeitet gerade an seinem ersten Technikergrad, vergleichbar etwa mit dem schwarzen Gürtel im Karate. Er musste sich bereits gegen einen Angreifer wehren, "die Sache war allerdings schnell vorbei", sagt er unbeeindruckt.

Er ist durchtrainiert, die blauen Flecken an seinen Handgelenken und der wache Blick sind nur kleine Hinweise auf das harte Training, die hinter dieser Kampfkunst steckt.

Schlägertypen sucht man im Kurs vergebens: "Jemandem, der sich gerne prügelt, würde ich Wing Tsun nicht beibringen wollen. Das kann ich nicht verantworten", sagt Seyfer. Frauen sind aber selbstverständlich mit dabei. "Kaum jemand bei uns hat ein Ego. Einfach deshalb, weil es noch so viel zu lernen gibt", sagt er. Dafür spielen Respekt, Disziplin und Demut eine große Rolle. Hat man von seinem Lehrer eine neue Technik erlernt, verneigt man sich, um ihm Respekt zu zollen.

Jetzt ist die Wing-Tsun-Schule von Wolfach nach Haslach umgezogen. In der neuen Trainingsstätte in der Schwarzwald Straße 2 (neben dem Club Milieu) fehlen noch die Schriftzeichen, trainiert wird aber bereits. Bis zur offiziellen Eröffnung am Samstag, 28. Februar, soll aber alles komplett sein.       Florian Forth