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Fünfter Hospizfachtag in Haslach stößt auf große Resonanz

Hospiz- und Palliativversorgung lassen auch die Angehörigen Sterbender nicht außer Acht. Der Hospizfachtag, der am gestrigen Freitag im Haslacher Caritashaus stattfand, hatte daher sein Hauptaugenmerk auf die Angehörigen gelegt.

Haslach. "Wir treffen uns bereits zum fünften Hospizfachtag. Wer hätte das gedacht? Wir sicher nicht", freute sich Dorothea Brust-Etzel eingangs der Veranstaltung über die große Resonanz.

Im Namen des Caritas-Netwerks "Palliativcare und Hospiz Kinzigtal" konnte die Koordinatorin des ambulanten Besuchs- und Hospizdiensts Kinzigtal 70 Anmeldungen verbuchen. Zusammen mit den Organisatoren kam der Hospizfachtag auf stattliche 80 Teilnehmer. Der Raum im Erdgeschoss, in dem die Vorträge und Teile der Workshops abgehalten wurden, war voll besetzt. "Wir haben sogar einen Teilnehmer aus Sinsheim", informierte Brust-Etzel morgens am Rande der Veranstaltung.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Fachtagung eines Palliativ-Netzwerks sich mit schwierigen Themen beschäftigt. Umso lockerer jedoch die Stimmung unter den Teilnehmern. So kommentierte Brust-Etzel die etwas beengten Verhältnisse trocken: "Eine Kollegin sagte noch, ›wenn man eng zusammensitzt, kann man auch intensiver zusammenarbeiten.‹"

"Vier Jahreszeiten mit Theo" eröffnet fachlichen Teil

Den fachlichen Teil der Tagung eröffnete ein Vortrag von Marion Bauer. Sie ist Logotherapeutin, Diplom-Trauerbegleiterin, Krankenschwester und Palliativ-Fachkraft. In dem Vortrag "Vier Jahreszeiten mit Theo" berichtete sie über die Begleitung eines 93-Jährigen in den letzten vier Jahreszeiten seines Lebens. Theo war der Vater einer Freundin, den Bauer von August 2015 bis zu seinem Tod im Juli 2016 regelmäßig besuchte. Informativ verknüpfte Bauer in ihrem Vortrag Theorie und Praxis.

Der Fall Theos diente dazu, das Publikum über eine bestimmte Art der Trauer aufzuklären, das Bauers Aussage nach viel zu wenig bekannt sei und viel zu selten erkannt werde: Die Trauer eines schwerhörigen Menschen, der an seinem Umfeld nicht mehr teilnehmen kann oder will, weil er nichts mehr versteht.

Ein ganzheitliches Verständnis für den Menschen ist – nicht nur – bei der Arbeit mit Alten, Schwerkranken oder Sterbenden wichtig. Die Vortragende betonte, sie ziehe zu diesem Zweck das Identitäts-Säulen-Modell nach Petzold heran. Dieses besagt, dass die Identität eines Menschen sich aus fünf Säulen speist. Vor allem die Schwerhörigkeit machte Theo zu schaffen. Eine Beeinträchtigung der ersten Säule (Leiblichkeit), die sich aber auch auf andere Säulen auswirkte.

Die Trauerbegleiterin führte aus, viele Menschen nähmen diese Störung nicht wahr. Sie redeten zu leise, zu undeutlich oder wenden sich vom Gesprächspartner ab. Häufiges Nachfragen sei dem Betroffenen peinlich, er gebe auf, er beginne einen inneren Rückzug. Das hatte auch Einfluss auf weitere Säulen von Theos Identität. So nahm er nicht mehr am Sozialleben des Pflegeheims, in dessen betreutem Wohnen er lebte, teil, weil er ohnehin nichts mehr verstand (Säule 2).

Bauers Einsatz förderte etwa zutage, dass die Hörgeräte gar nicht richtig funktionierten. "Sie hätten die Freude dieses Mannes miterleben sollen, als er wieder Lebensgeäusche wahrnehmen konnte, aus der Natur, die Sprache seiner Mitmenschen", erzählte Bauer bewegt. Theo blühte wieder auf. Den Tagen mehr Leben zu geben, bedeute auch mehr Lebensqualität.

Ab 17. September 2015 baute Theo ab: Vergesslichkeit, erneuter Rückzug, Frustration. Im Frühjahr 2016 kamen Wahnvorstellungen dazu. Schließlich wurde seine Wohnung aufgelöst – ein Moment des Abschieds auch für die Angehörigen – und er kam ins Pflegeheim. Den Wunsch, zu sterben, formulierte Theo schließlich bei klarem Verstand. Er verweigerte die Nahrung. Die Familie, die ihn oft besuchte und in engem Kontakt mit Bauer gestanden hatte, begleitete ihn auf seinem letzten Weg. Schließlich starb er, als seine Familie gerade daheim neue Sachen holte. "Sie werden das kennen", sagte Bauer, und erntete Zustimung aus dem Publikum.

Nach diesem bewegenden Vortrag und einem weiteren von Martin Stippich, Leiter des Hospizes Maria Frieden in Oberharmersbach, ging es in die Arbeitsgruppen. Hier hatten die Teilnehmer Gelegenheit dazu, die Arbeit mit Klangschalen kennen zu lernen. Adelheid Wagner betreibt die Klangschalenmassage ehrenamtlich und zeigte, wie diese eingesetzt werden. Die Klänge der Schalen befinden sich im Obertonbereich, ebenso wie Naturklänge. Diese zu hören, und ihre Vibration zu spüren, wirkt tiefenentspannend. Aber auch Kommunikation durch künstlerischen Ausdruck und Themen wie das einfühlsame Fragen und Antworten, die Sinnfrage und Begleitung für die Angehörigen waren dabei. Zum Abschluss fassten die Referenten noch einmal zusammen, was ihnen an ihren Vorträgen wichtig war. Die gelöste Stimmung in der Abschlussrunde bewies, dass die intensive Zusammenarbeit sich auszahlte – die durchweg positiven Rückmeldungen bestätigten dies.

Rückmeldungen zeigen: Arbeitsreicher Tag voller Erkenntnisse

Anne Schwab, die ihre Teilnehmer im Kurs "Kommunikation ohne Worte" malen ließ, freute sich besonders darüber, dass die "Ängstlichen" sich dazu animieren ließen. "Mir wird dann immer warm ums Herz". Judith Müller, Bauer und Stippich berichteten von ergiebigen, tiefgehenden Gesprächen. Stippich erläuterte noch einmal, mit seiner Arbeitsgruppe "Hilfreiches Fragen – einfühlsames Antworten" habe er den Teilnehmern bewusstmachen wollen, dass in einer Extremsituation wie dem Abschied die Kommunikaiton mit den Angehörigen elementar sei. Statt sich in Floskeln zu retten, sei es wichtig, tiefgründig zu antworten. Die Teilnehmer bestätigten dies und betonten den hohen Erkenntnis- und Kraftgewinn für ihre Arbeit. Die Rückmeldungen zeugten insgesamt von einem produktiven, erkenntnis-, aber auch arbeitsreichen Tag. Brust-Etzel deutete bereits an, dass der Fachtag eine Wiederauflage erfahren soll: "Er wird ja offensichtlich gut angenommen."