Regina Adam zeigt zwei der ältesten Bücher aus dem Bestand der Haslacher Stadtbücherei: Zwei 1934 beziehungsweise 1938 erschienene Werke Erich Kästners. Fotos: Seehase Foto: Schwarzwälder-Bote

Haslacher Stadtbücherei blickt auf 100 Jahre Geschichte zurück

Von Niels Seehase Haslach. Die Haslacher Stadtbücherei feiert ein rundes Jubiläum: Am 1. Januar 1912 wurde in der alten Schule im Fürstenberger Hof die erste "Volksbücherei" der Stadt eröffnet – mit einem Grundstock von 200 Büchern."Robinson Crusoe", "Gullivers Reisen", Grimmelshausens "Simplicissimus", Märchen der Gebrüder Grimm und von Wilhelm Hauff, aber auch die Schilderung einer Expedition des norwegischen Polarforschers Fridtjof Nansen – bekannte Werke und Namen finden sich auf der Liste des Erstbestands der Haslacher "Volksbücherei". Auch Heinrich Hansjakob habe damals einige Bücher gestiftet, berichtet Regina Adam.

Adam, seit 2009 Leiterin der Haslacher Stadtbücherei, hat sich im Dezember intensiv mit der Geschichte des öffentlichen Bibliothekswesens in der Stadt beschäftigt. Die Idee, eine städtische Bücherei einzurichten, sei bereits 1909 aufgekommen, berichtet sie. Es sollten allerdings noch gut drei Jahre ins Land gehen, bis daraus Realität werden konnte.

In den folgenden Jahren war die Haslacher "Volksbücherei" den Stürmen der Zeiten ausgesetzt. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten verschwanden auch in Haslach die Werke der von den Nazis verfemten und verfolgten Schriftsteller aus den Regalen. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Bücherei zwar nicht offiziell aufgelöst – allerdings löste sich ihr Bestand in den Nachkriegswirren auf. "Teilweise lagen die Bücher auf der Straße und die Schüler haben sie sich einfach genommen", erzählt Regina Adam. Ein Appell des Pfarrers im Gottesdienst, die Bücher zurückzugeben, habe nicht gefruchtet.

Anschließend gab es in Haslach über mehrere Jahre lang faktisch keine Bibliothek. Erst 1958 wurde der Neuanfang gewagt: Mit einem Bestand von 147 Büchern ging die neue "Stadt- und Jugendbücherei" an den Start. Aufgebaut wurde sie von Erna Grießbaum, die die Bibliothek fast 40 Jahre lang ehrenamtlich geleitet hat. Der stetig wachsende Bestand machte mehrere Umzüge in dieser Zeit notwendig, ehe im Herbst 1996 das derzeitige Domizil im Haslacher Bürgerhaus bezogen werden konnte.

Heute stehen dort 16 500 Medien – vom Buch bis zur DVD – zur Ausleihe bereit. Mit dem Bestand sind auch die Nutzerzahlen gewachsen. Mehr als 7000 Menschen seien angemeldet, rund 1100 würden die Bücherei aktiv nutzen, berichtet Regina Adam. Gefragt seien derzeit vor allem Thriller und Krimis, sagt die Leiterin, die von fünf weiteren Mitarbeiterinnen unterstützt wird. Bei Jugendlichen stünden Mystery-Geschichten ähnlich denen der "Twilight"-Saga hoch im Kurs, bei Kindern seien Fantasy-Bücher angesagt.

Trotz des Siegeszugs des Internets sieht Regina Adam eine Zukunft für gedruckte Bücher – obwohl sich das Bibliothekswesen durch die Entwicklung des weltweiten Datennetzes gewandelt habe. Das spiegelt sich auch in der täglichen Arbeit der Leiterin der Haslacher Stadtbücherei wider: So zieht sie bei der Auswahl neuer Medien für den Bestand gern die Rezensionen auf den Seiten des wohl größten Online-Versandhauses zu Rate. "Das ist sehr hilfreich", meint Regina Adam.

Anlässlich des 100. Gründungstags der "Volksbücherei" zeigt die Haslacher Stadtbücherei ab 3. Januar 2012 den ganzen Monat über eine Ausstellung zur Geschichte des Bibliothekswesens in der Stadt. Zwischen Februar und November soll zudem jeden Monat eine chronologische Lesung stattfinden. Die Idee dahinter: Bekannte Haslacher tragen aus einem Werk vor, das für jeweils ein Jahrzehnt der Büchereigeschichte steht. Bei der ersten Veranstaltung im Februar müsste demnach aus einem Buch gelesen werden, das zwischen 1912 und 1922 veröffentlicht worden ist.