Kohlmann sieht die Bratwurst und den Blick auf die Schweizer Berge als Zeichen kommunaler Freiheitstradition (1)

Von Antonie Anton

"Vor fünf Minuten habe ich von meinem Vater erfahren, dass ich ein Hardter bin, denn meine Eltern haben sich auf dem Hardt kennengelernt". Mit dieser Eröffnung löste Carsten Kohlmann Überraschung und Erstaunen aus, doch Kohlmann freute sich, "zu sprechen, als ob ich ein Hardter bin".

So eröffnete der Volkskundler und Historiker Carsten Kohlmann, der an diesem Abend die Festrede hielt, "die Volksversammlung" mit der ebenso verblüffenden Frage, wer die auf der Leinwand gezeigten Bratwürste kenne. In diesen Bratwürsten der Hardter Metzgerei Öhler sah er ein Symbol für die kommunale Freiheitstradition der Gemeinde, denn beim Kampf um die kommunale Selbstverwaltung sei es nicht nur im Gründungsjahr 1840, sondern auch vor 40 Jahren "um die Wurst gegangen", als in der Zeit der Gemeindereform die Gefahr bestand, die kommunale Freiheit wieder zu verlieren. Die Gemeinde Hardt habe sich jedoch behauptet und sei in ihrem 175. Jubiläumsjahr ein kraftvoller Ort mit hoher Lebensqualität.

Gegenüber dem Geburtsjahr 1840 mit rund 500 Einwohnern habe sich die Bevölkerung im Jubiläumsjahr verfünffacht. Gemäß dem Sprichwort "Die Leute wollen eine kurze Predigt und eine lange Bratwurst" wollte der Festredner keine den Rahmen sprengende Geschichtsstunde abhalten, sondern in seinem dem ehrenden Andenken des unvergessenen Familien- und Heimatforschers Alfons Brauchle gewidmeten Vortrag einen Überblick über die kommunale Freiheitstradition der Gemeinde Hardt geben.

Ein weiteres Symbol für die kommunale Freiheitstradition erblickte Kohlmann im Blick auf die Schweizer Berge und auf die Orientierungstafel der Bürgervereinigung Oberhardt um Martin Flaig. Er versetzte die Zuhörer in die Gemeindeversammlungen in Mariazell und Hardt um 1840, die er mit der Gemeindeversammlung 2006 in Glarus verglich, wo die Entscheidung in direkter Demokratie getroffen wurde. Zu dieser Zeit gehörten zur Gemeinde Mariazell 15 Bauernhöfe auf dem Hardt, die als "Höfler zu Marienzell" bezeichnet worden seien. Aus Amtsprotokollen des 18. Jahrhunderts seien einige Konflikte zwischen dem Hauptort Mariazell und seinem Filialort Hardt überliefert.

Der erste wichtige Schritt in Richtung Selbstständigkeit sei erreicht worden, als den Höflern 1795 eine Filialschule auf dem Hardt bewilligt wurde. Im Zuge der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wurde, wie der Redner ausführte, die vorderösterreichische Herrschaft Schramberg und damit auch Mariazell mit ihrem Filialort Hardt dem Königreich Württemberg zugeteilt. Dadurch sei Hardt 1810 in eine Grenzlage gekommen. Unter dem Einfluss der preußischen Reformen seien die Gemeindeverfassungen im Königreich Württemberg ganz auf demokratische Grundsätze gestellt worden. Vor diesem Hintergrund der Selbstverantwortung hatten auch die "Höfler" den Mut aufgebracht, sich von ihrer Muttergemeinde Mariazell zu lösen Fortschritte brachten auch der Bau des Gasthauses Kreuz und der Straße von Schramberg nach Königsfeld. Im "aufmerksam gepflegten" Gemeindearchiv Hardt befinde sich ein Amtsbuch, das über Verhandlungen über die Trennung der "Parcelle Hardt" berichte. In dieses Amtsbuch, nach Kohlmann gewissermaßen die "Magna Charta" der Gemeinde, seien Kopien aller wichtigen Schreiben der damaligen Zeit eingetragen. Daraus gehe hervor, dass die Geburt der Gemeinde Hardt von keinen schlimmen Wehen begleitet gewesen sei. Am 5.Juni 1839 sei von den Einwohnern der Parzellen Hugswald, Neuwelt, Blumenhäusle, Nonnenberg, Nägelesee, Oberhardt, Unterhardt, Ober- und Untertischneck, Steinreute, Theilen, Friedrichsberg und Hutneck ein einmütig verfasster Antrag an das Oberamt Oberndorf auf Trennung von der Gemeinde Mariazell gestellt worden. Zwar sei ihr Wunsch nach einer eigenen Pfarrgemeinde und Kirche zunächst ohne Erfolg gewesen, doch habe die Muttergemeinde ihrem Filialort Hardt bei der Bildung einer eigenen politischen Gemeinde keine Steine in den Weg gelegt. Bei der Abstimmung am 13. Mai 1840 über den Teilungsplan habe es unter den 74 anwesenden Bürgern der Gemeinde Mariazell nur drei Neinstimmen gegeben. So habe sich am 23. November 1840 die neue Gemeinde mit ihrem ersten Schultheißen Ignaz Ganter vom Wangerhof konstituiert. Die junge Gemeinde habe eine gedeihliche Entwicklung genommen. 1894 habe Hardt durch das Engagement von Pfarrer Marcellus Langenbacher die lange ersehnte Kirche und 1897 die Pfarrei bekommen.