Angela Merkel bei der Eröffnung der Hannover-Messe: Roboter Frau Antje verteilt Tulpen. Foto: dpa

Nach einem durchwachsenen Jahr 2013 richtet sich die Hoffnung der deutschen Industrie auf die kommenden Monate. Zu wenige Fachkräfte und politische Krisen könnten die Dynamik aber ausbremsen - das würde Maschinenbau hart treffen. 

Nach einem durchwachsenen Jahr 2013 richtet sich die Hoffnung der deutschen Industrie auf die kommenden Monate. Besonders das europäische Ausland bietet wieder Absatzchancen. Zu wenige Fachkräfte und politische Krisen könnten die Dynamik aber ausbremsen.

Das vergangene Jahr brachte für bedeutende Industriebranchen mehr Rückschläge als Erfolge. Job- und Umsatzgaranten der deutschen Wirtschaft wie der Maschinenbau oder die Elektroindustrie konnten auch im Jahr fünf nach den massiven Einbrüchen in Folge der Finanzkrise nicht zu den Rekorden des Jahres 2008 aufschließen. Mit einem Umsatz von 206 Milliarden Euro verpasste der Maschinenbau – bundesweit eine der Leitbranchen – seine selbst gesteckten Ziele ebenso wie die Elektroindustrie. Beide Branchen kommen auf gut 1,8 Millionen Jobs. Zusammen machte man 2013 einen Umsatz von 373 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die deutsche Autobranche setzte im selben Zeitraum gut 270 Milliarden Euro um. Baden-Württemberg gilt als eines der Zentren aller dieser Branchen. Während die Exporte beim Maschinenbau 2013 bei 149 Milliarden Euro stagnierten, sanken sie bei der noch stärker ausfuhrorientierten Elektrotechnikbranche leicht auf 158 Milliarden Euro. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2013 begann sich der Negativtrend langsam umzukehren.

Hoffnungsträger 2014

Mit dem milden Winter stieg auch die Temperatur im Maschinenraum der europäischen Wirtschaft – insbesondere in Deutschland. Schon machen Schlagworte wie „bärenstarkes Wachstum“ die Runde. Vonseiten der führenden Verbände ist man etwas vorsichtiger. „Seit neun Monaten steigt die Auslastung der deutschen Wirtschaft wieder“, sagte Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) am Montag auf der Hannover-Messe. Die derzeit gute Entwicklung schlägt sich auch in den Prognosen nieder. Um zwei Prozent wird die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr nach BDI-Daten zulegen. „Es kann auch ein Ticken mehr sein“, sagte Grillo. Der Maschinenbauerverband VDMA rechnet gar mit einem Plus von drei Prozent bei der Produktion. Das sei allerdings ein sehr ehrgeiziges Ziel, sagte VDMA-Präsident Reinhold Festge. Friedhelm Loh, Präsident des Elektrotechnikverbands ZVEI, sagte, man gehe von einem Produktionswachstum von zwei Prozent aus – nachdem die Branche zwei Jahre in Folge leicht geschrumpft war. Alles in allem steht die Ampel aber auf Grün.

Das Fachkräfte-Risiko

Es gibt allerdings Risiken. In der deutschen Industrie ist man sich einig, dass der erwartete Aufschwung kein Selbstläufer ist. Darauf hatte bereits Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Eröffnung der Hannover-Messe hingewiesen. „Wir müssen uns sputen“, sagte sie mit Blick auf immer schärfere Konkurrenten in aller Welt. Aktuell gibt es mehrere Unabwägbarkeiten. Bis 2020 fehlen in Deutschland rund 1,5 Millionen Akademiker und Fachkräfte, wobei die Fachkräftelücke rund neunmal höher ist als der Akademikerbedarf. Bereits jetzt gebe es „einen erheblichen Mangel“, sagte ZVEI-Präsident Loh. Nach einer neuen Studie des Elektronikverbands VDE klagen schon heute neun von zehn Unternehmen über Engpässe beim Elektro- und IT-Nachwuchs.

Das Russland-Risiko

Alle exportorientierten Verbände stellen ihre Prognosen unter den Russland-Vorbehalt. Am härtesten träfe eine Verschärfung der Ukraine-Russland-Krise wohl den Maschinenbau. „Ein hartes Russland-Embargo hätte das Zeug, die Konjunkturentwicklung im Maschinenbau zu brechen“, sagte VDMA-Präsident Festge. Bei Russland gehe es um den viertgrößten Markt für den Maschinenbau. Kein Land habe „derartig massive Investitionen in Russland getätigt wie Deutschland“. Eine Verschärfung der Krise sei „Gift“, zumal auch schon in Anrainer-Staaten des Riesenreichs – etwa der Türkei – eine Kaufzurückhaltung zu spüren sei. Auch beim Spitzenverband BDI sieht man die Gefahr, die in einer Ausweitung der Krise beruht, enthält sich aber harter Rhetorik. Mit Blick auf mögliche Sanktionen, sagte BDI-Chef Grillo, der Primat der Politik sei „nicht diskutierbar“. Wirtschaftliche Interessen müssten dahinter zurückstehen. „Sicherheit und Völkerrecht stehen über der Wirtschaft“, sagte Grillo. Manchmal seien Sanktionen eben unvermeidbar.

Das Energiewende-Risiko

„Großbaustelle Nummer eins“ und damit auch der größte Sorgenbringer der Industrie ist nach Grillos Worten die Energiewende, insbesondere der Anstieg der Energiepreise. Diese lägen für Unternehmen in Deutschland durchschnittlich bei 14 Cent, in Frankreich bei neun Cent, sagte er. Die derzeitigen Pläne der Bundesregierung zur Reduzierung der Kosten der Energiewende seien „nicht ehrgeizig genug“. Zu langsam geht dem Funktionär etwa, dass Ökostrom erst ab 2017 in großem Stil über Börsen direktvermarktet werden soll. Außerdem sieht er die Gefahr, dass durch eine Streichung von Industrierabatten im Strompreis nicht nur die deutsche, sondern auch die EU-Wirtschaft leide. Der Grund: Über ihr Wachstum trage die deutsche Wirtschaft die Entwicklung in ganz Europa erheblich mit.

Chance Netz-Industrie

Es gibt aber auch Grund zur Zuversicht. Der europäische Markt kommt wieder in Tritt, immer mehr Aufträge trudeln bei deutschen Firmen ein. Frankreich, Spanien und Italien hätten ihre einstige Schwäche überwunden – ebenso wie die Ökonomien in den USA und Japan. Eine Konjunkturabkühlung in den Schwellenländern werde dadurch wettgemacht. Um fünf Prozent sollen die deutschen Exporte nach BDI-Daten daher 2014 steigen. Längerfristig setzt Deutschland auf eine Verfeinerung der vollautonomen Produktion – kurz: Industrie 4.0. Eine aktuelle Fraunhofer-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das volkswirtschaftliche Potenzial von Industrie 4.0, die im Grunde das Zusammenwachsen von Produktion und Internet beschreibt, enorm ist. Bis 2025 könne sich die Bruttowertschöpfung im Land um gut 267 Milliarden Euro erhöhen. Die Hauptprofiteure sollen Branchen wie der Maschinenbau, die Elektrotechnik oder der Kommunikationssektor sein. Auch die Automobil- und Landwirtschaft werden immer wieder genannt.