Die erste Baiersbronner Handball-Damenmannschaft nahm bereits 1946 ihre Spiele auf; hier in Calw.  Foto: Archiv TVB

Handball: Baiersbronner Handball-Chef Oliver Balle zieht zum Doppeljubiläum zufrieden Bilanz.

Die älteste Handball-Hochburg im Landkreis Freudenstadt feiert Geburtstag – und das gleich zweifach: Die Abteilung des TV Baiersbronn wird 90 Jahre, die SG Freudenstadt/Baiersbronn zehn Jahre alt. Bilanz zum Doppeljubiläum: Beim TVB ist man zufrieden.

Am kommenden Samstag, 23.   Juli, knallen beim TV Baiersbronn die Sektkorken: Los geht es mit einem Festakt um 15.30 Uhr im TV-Treff, anschließend stehen sich ab 17.30 Uhr die beiden Damen-Teams der SG BBM Bietigheim (1. Bundesliga) und der SG H2Ku Herrenberg (2. Bundesliga) in der Murgtalhalle gegenüber. "Wir hoffen auf eine volle Halle, damit das Spiel einen würdigen Rahmen bekommt", sagt Oliver Balle, Chef der SG Freudenstadt/Baiersbronn und Leiter der Handball-Abteilung des TV Baiersbronn.

Späterer Weltmeister in der Schwarzwaldhalle

Es ist nicht das erste Mal, dass sich zwei Spitzenteams in Baiersbronn gegenüberstehen. Den Beginn machte die tschechoslowakische Nationalmannschaft, die im Januar 1967 ihr letztes Vorbereitungsspiel vor der WM in der Schwarzwaldhalle bestritt. Gegner war der TVB, der sich mit einer 15:29-Niederlage achtbar aus der Affäre zog. Die CSSR wurde kurz darauf in Schweden Weltmeister. Drei Jahre später schaute der amtierende Weltmeister erneut in Baiersbronn vorbei, dieses Mal kam der TVB mit 10:35 unter die Räder.

Es blieb nicht das letzte Mal, dass man in Baiersbronn internationale Handball-Luft schnuppern konnte. Die deutsche Nationalmannschaft etwa veranstaltete hier 2007 – kurz nach dem Gewinn des WM-Titels – ein Schautraining. Zuletzt fand das Qualifikationsspiel für die Frauen-EM zwischen Deutschland und Italien in Baiersbronn statt.

Sicherlich: Mitverantwortlich für die internationalen Gastspiele ist die Nähe zum Schliffkopf. Das ändert jedoch nichts am Stellenwert: Baiersbronn ist die älteste Handball-Hochburg im Kreis Freudenstadt. Bei ihrer Gründung in der ersten Jahreshälfte 1926 war die Abteilung des TV Baiersbronn die erste in der Region und die dritte des Schwarzwald-Turngaus, die Handball spielte. Am Dalkenbächle (der heutige Kurgarten) entstand im April 1926 der erste Handball-Platz, schließlich handelte es sich damals noch um eine Freiluft-Sportart. Fünf Wochen nach der Gründung präsentierte sich die Abteilung dort dann zum ersten Mal der Öffentlichkeit: Bei einem Freundschaftsspiel besiegte die zweite die erste Mannschaft mit 4:3.

Die Erfolge ließen in Baiersbronn nicht lange auf sich warten: Beiden TVB-Mannschaften gelang in ihrer ersten Saison prompt der Aufstieg. Weitere Meistertitel folgten, ehe der Zweite Weltkrieg das Vereinsleben auch in Baiersbronn zum Erliegen brachte. Erst im April 1946 schafften die französischen Besatzer die Voraussetzungen für Neugründungen von Vereinen und der TVB, der VfB Baiersbronn und der Schneeschuhverein vereinigten sich zum SV Baiersbronn. Noch im selben Jahr wurde der Handball-Spielbetrieb wieder aufgenommen, ab jetzt auf dem Rosenplatz. Mit Bernhard Günther, der Ende 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, hatten die Handballer ab Frühjahr 1949 auch ihren alten Abteilungsleiter zurück. Er übernahm das Amt von Fritz Braun, der die Abteilung nach dem Krieg wieder aufgebaut hatte. Und auch ihren TVB hatten die Handballer bald wieder zurück: Am 24. Oktober 1953 wurde der Turnverein per Mitgliederentscheid aus dem SV Baiersbronn herausgelöst.

A-Jugend dreimal südbadischer Meister

Es folgten erfolgreiche Jahre für den TV Baiersbronn. Besonders die A-Jugend machte auf sich aufmerksam, sie wurde 1955, 1958 und 1959 südbadischer Meister. Ein Kuriosum, denn der TVB gehört eigentlich dem Württembergischen Handballverband an. Doch zur Saison 1951/52 wechselten die Baiersbronner aufgrund der isolierten Lage hinüber nach Südbaden – wo sie noch heute mit Gastrecht spielen. "Das bleibt auch so, auch wenn die Badener meist über die Anreise jammern", lacht Balle.

Enorm profitiert hat der TV Baiersbronn vom Bau der Schwarzwaldhalle, die in den 50er-Jahren eine der ersten Hallen im Kreis Freudenstadt war. Und das genau in einer Phase, in der sich der Handball von der Freiluft- zur Hallensportart entwickelte. Balle: "Die Halle war ein echtes Pfund." In dieser Zeit kamen auch die Freudenstädter Handballer nach Baiersbronn, da sie noch keine eigene Halle besaßen.

Man konnte es in den 50er-Jahren vermutlich noch nicht ahnen, aber dies war ein erster Vorbote für das, was ein halbes Jahrhundert später passieren sollte: Freudenstadt und Baiersbronn schließen sich zusammen. Zunächst waren es die Damen-Mannschaften beider Vereine, die ab der Saison 2002/03 gemeinsam antraten. Am 1. Mai 2006 entstand dann offiziell die SG Freudenstadt/Baiersbronn.

Balle war damals schon Handball-Abteilungsleiter des TV Baiersbronn. Zusammen mit seinem Freudenstädter Pendant Stefan Barth, der inzwischen von Simon Höfler abgelöst wurde, gilt er als einer der Väter der Fusion. "Das war aber keine Ein-Mann-Show. Das kann nur mit einem guten Team im Hintergrund funktionieren", betont Balle, der auch persönlich gut mit Barth klar kam.

Abgesehen davon waren die Sorgen in Baiersbronn und Freudenstadt die gleichen: Es ist weniger Nachwuchs in Sicht. Balle unterstreicht: "Es ist nicht so, dass wir zwei kranke Vereine waren. Aber es wurde immer schwieriger, genügend junge Leute in den Verein zu bekommen." Klar war beiden Seite, dass es nur zusammen geht – und das möglichst schnell. "Wir wollten nicht warten, bis gar nichts mehr geht. Wenn zwei kranke Vereine zusammengehen, muss ja nicht automatisch ein gesunder dabei herauskommen", weiß Balle.

Inzwischen ist klar: Die Fusion hat die Nachwuchsprobleme abgefedert, aber nicht aus der Welt geräumt. 2006 spielten noch 300 Personen bei der SG Handball, heute sind es rund 180 – mehr als ein Drittel weniger. Vergangene Saison konnte keine B-Jugend mehr gestellt werden. Doch ohne den Zusammenschluss wäre die Lage vermutlich noch prekärer. Balle: "Es würde dann wahrscheinlich zumindest einen, wenn nicht sogar beide Vereine nicht mehr geben." Entsprechend stark ist der Fokus bei der SG auf die Jugendarbeit gerichtet. Dazu gehören Schulaktionstage genauso wie die Beschäftigung von FSJlern in beiden Stammvereinen, die Nachwuchs generieren sollen. Balle: "Wir sind da sehr aktiv."

Für Zündstoff habe die Fusion nicht gesorgt, auch wenn der Baiersbronner Abteilungsleiter einräumt: "Vor 30 Jahren wäre das noch undenkbar gewesen." Doch schon in den 90er-Jahren hätte sich das einst von Rivalität geprägte Nachbarschaftsverhältnis entspannt. Balle freut sich: "Die Identifikation mit der SG ist da. Das ist eine zusammengewachsene Sache. Heute ist es auch egal, ob ein Spieler aus Freudenstadt oder aus Baiersbronn kommt. Das haben wir gut hingebekommen." Und da das Ziel sei, sowohl Herren als auch Frauen auf Verbandsebene zu etablieren, liege man "auch sportlich im Soll", so Balle.

Am Samstag schließt sich somit gewissermaßen ein Kreis, denn das Doppeljubiläum passt sowohl zur Philosophie der SG als auch zur Tradition des TVB: Wieder einmal werden Spitzenspieler zu Gast sein, die den Stellenwert des Handballs am Standort Baiersbronn unterstreichen – und damit Werbung für mehr Nachwuchs machen. Und doch steckt noch mehr hinter der Veranstaltung, denn Balle sagt: "Ich freue mich vor allem auf die Begegnung mit den vielen Ehemaligen."