Emotion an der Seitenlinie: Jens Bürkle. Foto: Eibner

Handball: Jens Bürkle ist für seine "Herzenssache" Feuer und Flamme.

Jens Bürkle ist zurück beim HBW Balingen-Weilstetten. Von 2005 bis 2012 hielt er als Kreisläufer für den Klub die Knochen hin, feierte mit dem HBW am Ende der Saison 2006/07 den Aufstieg in die Handball-Bundesliga. Danach führte er die DJK Rimpar als Trainer aus der 3. Liga in die Spitzengruppe der 2. Liga und stand zuletzt zwei Jahre beim Erstligisten TSV Hannover Burgdorf unter Vertrag. Und dennoch hat es den Anschein, dass er nie so richtig weg war – zum Antritts-Interview bittet der neue HBW-Trainer in sein Balinger Stamm-Café.

Herr Bürkle, was macht den HBW für Sie so besonders?

Ich habe hier als Spieler tolle Jahre gehabt, deshalb ist das hier für mich eine Herzenssache. Ich gehe die Aufgabe ganz motiviert an. Das habe ich aber auch bei meinen vorherigen Vereinen getan. Dass ich den Verein und die Umgebung kenne, ist sicher kein Nachteil. Es fühlt sich gerade so an, als wäre ich gar nicht lange weg gewesen, dabei war es doch eine lange und ereignisreiche Zeit. Ich bin emotional, weil ich diesen Sport so liebe, das ist meine Art, eine Mannschaft zu führen. Denn nichts Großes entsteht, ohne Begeisterung. Wenn wir unsere Sache nicht lieben, werden wir keinen Erfolg haben, wenn wir sie lieben, haben wir zumindest eine Chance darauf.

Glauben Sie, dass auch bei der Vereinsführung der emotonale Aspekt eine große Rolle gespielt hat, als es darum ging, sie als Trainer zu verpflichten?

Vielleicht. Aber ich war in den vergangenen Jahren auch nicht so ganz unerfolgreich. Ich bin mit der DJK Rimpar in die 2. Liga aufgestiegen, habe dort vernünftig gearbeitet und bin zweimal zum Trainer des Jahres gewählt worden, danach habe ich zwei Jahre vernünftig bei der TSV Hannover-Burgdorf gearbeitet. Da kann man sich als Verein so eine Verpflichtung schon mal überlegen (lacht).

In Ihrer Trainerkarriere ging es immer nur bergauf. Wie sehr schmerzte dann das Aus in Hannover?

Es ging tatsächlich immer nur nach oben. Ich habe Hannover nach einem 13. Platz in der Saison 2014/15 übernommen, danach sind wir Siebter geworden. Vor der Rückrunde der vergangenen Saison waren wir Fünfter und hatten dann das Problem mit der WM. Fünf Spieler sind völlig ausgelaugt von diesem Turnier zurückgekommen, zwei weitere waren verletzt, und dann sind wir nie mehr richtig reingekommen und haben es nicht mehr geschafft uns aus diesem Kreislauf zu befreien. Da haben wir ein halbes Jahr lang sehr viel mitgemacht. Ich bin aber sehr glücklich, dass die Mannschaft diese Phase hinter sich hat. Für mich war es eine sehr lehrreiche Zeit, weil ich so etwas zuvor nicht erlebt hatte.

Wie sahen bei Ihnen die vergangenen Monate ohne Trainer-Engagement aus?

Ich habe eine Art Nomadenleben geführt. Viel Zeit mit der Familie verbracht, damit mein kleiner Sohn auch mal seine Großeltern richtig kennen lernt, bin wandern gewesen, habe Urlaub gemacht. Das hat nach 15, 16 Jahren Handball-Bundesliga mal gut getan.

Ohne Handball ging es bei Ihnen dann aber doch nicht?

Nein, natürlich nicht. Ich habe mir viele Spiele der 1. und der 2. Bundesliga angesehen. Außerdem habe ich beim FC Barcelona hospitieren dürfen, habe dort Spiele von der C-Jugend bis zur Champions-League gesehen. Mein ehemaliger Co-Trainer in Hannover, Roi Sanchez, trainiert in Barcelona jetzt die zweite Mannschaft. So hat sich für mich diese Chance eröffnet.

Welche Inspirationen haben Sie aus Barcelona mitgebracht?

Ich wollte einfach sehen, wie in so einem Klub gearbeitet wird, wie und mit welchen Inhalten ein Training aufgebaut ist. Der Verein hat natürlich Möglichkeiten, wie kein anderer auf der Welt. Das fängt mit den verschiedenen Trainingsstätten an und hört mit der Anzahl an Betreuern und Physiotherapeuten auf.

Sie haben knapp zwei Wochen bis zum Derby gegen die HSG Konstanz, um das Team auf Kurs zu bringen. Was werden sie ändern?

Die Aufgabe ist hoch risikoreich. Das ist natürlich wenig Zeit, um Dinge einzuarbeiten. Und nach dem Derby kommen dann die großen Spiele gegen die Mannschaften, die in der Tabelle vorne stehen. Es wird auf jeden Fall eine ganz, ganz lange Reise. Dennoch: Ich sehe in der Truppe sehr viel Potenzial, das es nun hervorzubringen gilt. Wir müssen viel lernen. Das wird spannend.

Was werden Sie der Mannschaft in der Kürze der Zeit als Hilfestellung geben?

Wir müssen die Abwehr stabilisieren. Dafür brauchen wir klare Regeln, um ein klares Bild zu schaffen. Viele Spieler, die auf zentralen Positionen verteidigen müssen, haben noch keine 100 Bundesligaspiele auf dem Buckel. Es wird einen Leitfaden mit vielen Wenn-Dann-Entscheidungen geben. Das werden wir dann im System entwickeln. Bei einem Fehler sieht man dann gleich, ob er systembedingt oder individuell war. Außerdem müssen wir die Beine einsetzen, wir sind schnell und wollen den Gegner mit unserer Power müde kämpfen. Außerdem haben wir zwei gute Torhüter und ein gutes Konterspiel. Diese Waffe müssen wir uns erhalten. Wir müssen wissen, wer wir sind.

Einige der Neuzugänge haben in der vergangenen Saison weit über 100 Tore erzielt in der 2. Liga erzielt. Wiese treffen Sie bisher noch nicht am fließenden Band?

Das Logo mancher Klubs wiegt schwerer auf der Brust. Damit müssen die jungen Spieler umzugehen lernen. Wir wollen die Truppe entwickeln, wollen die Spieler individuell weiterbringen – das sind wir als Klub ihnen auch schuldig – ohne die Ergebnisse zu vernachlässigen. Aber ich denke, dass jetzt auch dem letzten klar ist, dass es nicht leicht ist, oben mitzuspielen.

Wie haben Sie ihre neue Mannschaft bisher erlebt?

Ich lerne die meisten Leute jetzt im Training kennen. Und wenn man gelernt hat, zu beobachten, merkt man schnell, wie einer drauf ist. Ich freue mich, wenn die Leute im Training Spaß haben und lachen – aber mit der nötigen Ernsthaftigkeit bei der Arbeit sind. Bisher waren alle super engagiert, Ich gespannt, wie lernfähig alle sind. Ich bin mir bewusst, dass es lange dauern kann, bis wir einen Abwehrriegel hinstellen, der dann auch unter Stress funktioniert.

Arbeiten Sie lieber mit jungen Spielern oder mit Profis, die schon alles erlebt haben?

In Hannover war es schön, mit gestandenen Nationalspielern zu arbeiten. Es ist anders, weil man sie anders führen muss. Was sich nicht ändert, ist der Auftrag, einen neuen Input zu geben, zu erfüllen. Egal, ob es sich um einen jungen Zweitligaspieler handelt oder um einen Nationalspieler, der gerade Olympia-Gold gewonnen hat.

Haben Sie schon jemandem im Auge, der Ihnen als Co-Trainer zur Seite stehen könnte?

Momentan unterstützt mich Sascha Ilitsch. Er ist ja auch Athletiktrainer in der Drittliga-Mannschaft. Mal schauen, wie das funktioniert. Es ist jedenfalls klar, dass man einen Staff braucht, wen man vernünftig arbeiten will.