Die Proteste gegen das geplante Absetzgelände für das Kommando Spezialkräfte auf dem Segelflugplatz beim Dürrenhardter Hof reißen nicht ab. Foto: Fritsch Foto: Schwarzwälder-Bote

KSK-Absetzgelände: In Haiterbach kehrt keine Ruhe ein: Bürgerinitiative frustriert von vertraulichem Gespräch in Stuttgart

Haiterbachs Bürgermeister Andreas Hölzlberger hatte gehofft, dass "Ruhe einkehrt", als der Gemeinderat sich für einen Bürgerentscheid zum geplanten Absetzgelände des Kommandos Spezialkräfte (KSK) auf dem Segelfluggelände beim Dürrenhardter Hof ausgesprochen hatte. Doch in der Kuckucksstadt kochen weiterhin die Emotionen hoch.

Kreis Calw. Birgit Kaupp, eine der Sprecherinnen der Bürgerinitiative "Kein Fluglärm über Haiterbach und für einen Bürgerentscheid", kann ihren Unmut kaum verbergen. Sie war eine von mehr als zwei Dutzend Haiterbachern, die in dieser Woche zu einem vertraulichen Gespräch mit Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, ins Stuttgarter Clay-Haus geladen wurde. Über zwei Stunden lang debattierten sie in direkter Nachbarschaft zum Regierungssitz von Ministerpräsident Winfried Kretschmann über das umstrittene Projekt, auf dem derzeitigen Segelfluggelände zwischen Haiterbach und Nagold ein Absetzgelände für die Calwer Eliteeinheit zu schaffen.

Während man im Staatsministerium glaubt, auf diesem Gedankenaustausch aufbauen zu können und in einen engeren Dialog mit einer so genannten Begleitgruppe eintreten will, sieht Birgit Kaupp die Chancen vertan. Allesamt seien sie "frustriert" aus dieser Diskussion herausgekommen: "An diesem Gespräch war überhaupt nichts positiv." Letztlich habe man ihnen nur vermittelt, dass man nicht über die Frage des "Ob", sondern lediglich über die Frage des "Wie" verhandle. Ihr Eindruck: "Die wollen doch nur, dass wir die Klappe halten."

Aber die Bürgerinitiative bleibe bei ihrer Forderung: "Wir lassen Haiterbach nicht verkaufen." Auch das Angebot von Staatsrätin Erler, an der Begleitgruppe mitzuwirken, lehne man ab: "Wir sehen keinen Sinn darin", sagt Kaupp. Ihr Fazit: "Wir sind das Bauernopfer der Politik."

Ulrich Arndt, Ministerialrat unter Erler, will gleichwohl an der Begleitgruppe festhalten: "Je offener man miteinander redet, desto mehr nähert man sich dem Ziel – nämlich dem Eindruck: Die wollen uns nicht übers Ohr hauen", erklärte er im Gespräch mit unserer Zeitung.

In diese Gruppe, die im Optimalfall das Projekt bis zum Schluss begleite, sollen neben den Vertretern des Landes auch Gemeinderatsmitglieder, Vertreter der Verwaltungen, zwei Repräsentanten der Bürgerinitiative wie auch zufällig ausgewählte Mitglieder aus der Bürgerschaft aus beiden betroffenen Städten, also aus Nagold und Haiterbach, sitzen.

Haiterbachs Bürgermeister Andreas Hölzlberger wusste zwar von dem Gespräch der Haiterbacher Bürgerinitiative in Stuttgart, war aber nicht dazu eingeladen worden. Er muss sich zudem heftiger Angriffe aus seiner Bürgerschaft erwehren. In einem offenen Brief nimmt die Bürgerinitiative kein Blatt vor den Mund. Der Schultes habe sich bei der Bürgerinformationsveranstaltung "unterordnend, destruktiv und feige" verhalten.

Wie hält man so eine Kritik aus? "Bei mir ist das bezahlter Ärger", antwortet er gescholtene Schultes auf diese Frage, "mal ist es mehr, mal ist es weniger." Er versucht derweil im Hintergrund auszuloten, was seine Stadt als Ausgleich für diese Belastung der Bürgerschaft durch die KSK-Übungen beim Land herausschlagen könnte. Ihm schwebt eine Art Finanzausgleich vor: Schon heute erhalten Kommunen mit Bundeswehrstandorten Geld vom Staat, dagegen gehen Kommunen mit bloßem Übungsgelände bislang leer aus. Diese Gesetz, meint Hölzlberger, könne man ändern und rechnet mit einem Betrag zwischen jährlich 100 000 bis 200 000 Euro für seine Stadt. Im Köcher hat er noch eine weitere Forderung: nämlich einen direkten Straßenanschluss für das Fluggelände, der von der L 353 abzweigt und über eine Brücke führt. Das Problem, um das er sehr wohl weiß: Diese Anbindung würde mitten durch ein Naturschutzgebiet führen: "Aber es wäre der Einstieg in eine Ortsumfahrung für Haiterbach."

Auch sein Nagolder Kollege, Oberbürgermeister Jürgen Großmann, sieht das Land und auch den Bosch-Konzern in der Pflicht, der den bisherigen KSK-Absprungplatz bei Malmsheim für seine Expansionspläne für sich reklamierte. "Wenn’s keine rechte Kompensation gibt", sagt Großmann," wird Nagold die rote Karte zeigen. Es kommt überhaupt nicht in die Tüte, dass die einen die Lasten übernehmen und die anderen die Wertschöpfung. Da muss für uns ein Vorteil rauskommen, der die Last aufwiegt." Noch warte man im Gemeinderat ab, bis neue Fakten vorliegen.

Bislang befindet sich das Projekt noch in der Planungsphase. Das noch gar nicht eingeleitete Genehmigungsverfahren einschließlich naturschutz- und lärmschutzrechtlicher Gutachten ist wiederum Sache des Bundes und wird über ein Jahr lang dauern.

Haiterbachs Bürgermeister Hölzlberger macht keinen Hehl daraus, dass ihm eine Verfahrensweise wie in Nagold, zuerst die Faktenlage abzuwarten, lieber wäre. Wenn nämlich Haiterbachs Bürger beim Bürgerentscheid – am 24. September gleichzeitig mit der Bundestagswahl, wie es Hölzlberger vorschwebt – gegen das Übungsgelände votieren, sei man drei Jahre an dieses Ergebnis gebunden. Alle Ratsstellungnahmen müssten im Tenor dann negativ sein, die Stadt dürfte in diesem Fall keine Grundstücke verkaufen und müsse den Klageweg beschreiten. Und darin sieht Hölzlberger eine Gefahr: "Das Land realisiert das Absetzgelände und wir in Haiterbach schauen in die Röhre."

Der Ausgang des Bürgerentscheids hat rein rechtlich nämlich keine Relevanz. Um das Projekt zum Scheitern zu bringen, müsste es – wie bei Stuttgart 21 – zu einem landesweiten Plebiszit kommen.

Wenn die Bürgerschaft bei der Frage: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Haiterbach alle rechtlich zulässigen Maßnahmen ergreift, um zu erreichen, dass das geplante KSK-Absprunggelände mit Flugplatz beim Dürrenhardter Hof nicht realisiert wird" dagegen mehrheitlich mit Nein stimme, habe man in der Kuckucksstadt eine wesentlich bessere Verhandlungsposition: "Der Gemeinderat kann dann immer noch Nein sagen, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen. Man entscheidet dann, wenn es entscheidungsreif ist." In diesem Fall, sagt Hölzberger, blieben der Stadt "alle Handlungsoptionen offen". Der Schultes glaubt dabei die Mehrheit hinter sich: Mehr als die Hälfte seiner Bürger, so schätzt er, warte ab, welches Angebot das Land unterbreite. 20 bis 30 Prozent der Einwohner seien sowieso "immer dagegen, egal was passiert".