Erst die zweite Untersuchung brachte das erschreckende Ergebnis: Krebs. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Krebs: Selbsthilfegruppe kann während oder nach einer Erkrankung ein psychischer Rettungsanker sein

Von Jasmin Cools

"Wir lachen viel" – eine Aussage, die zunächst nicht zu einer Frauenselbsthilfegruppe nach Krebs zu passen scheint. Doch für die Frauen, die noch unter der Krankheit leiden oder gelitten haben, bietet die Gruppe gerade dann einen wichtigen Halt, wenn alles andere ins Wanken gerät.

Haiterbach-Oberschwandorf/Horb-Hohenberg. "Ich habe zuerst gesagt, ich brauche das nicht", erinnert sich Susanne Müller (Name geändert) an die Anfangszeit, nachdem ihre Welt aus den Angeln gehoben worden war. Bis ihr schließlich klar wurde: Dieses Problem ist zu groß, als dass man allein damit fertig werden könnte. Im September 2005 spürt sie den Knoten in der Brust zum ersten Mal – irgendetwas stimmt nicht, weiß sie instinktiv. Der Frauenarzt schickt die damals 47-Jährige ins Krankenhaus zur Mammografie, doch dort gibt der Arzt Entwarnung. "Er meinte, ich habe lediglich dichtes Brustgewebe und solle wieder nach Hause gehen", erzählt Müller.

Den Herbst und Winter über sei es ihr dann nicht gut gegangen. Immer wieder war sie erkältet, wusste aber nicht, was los ist – der Körper rebellierte. Letztendlich bleibt die Sorge um den Knoten, den sie deutlicher denn je spürt. Im Februar 2006 sucht sie erneut das Krankenhaus auf und fordert eine weitere Mammografie. Dort wird sie darauf hingewiesen, dass sie gesund sei und man ihr dies bereits vor einem halben Jahr gesagt hätte. Müller bleibt hartnäckig und die Mammografie wird durchgeführt – zum Glück, wie sich herausstellt. Leicht verunsichert will der Arzt noch ein Ultraschallbild machen.

Die erste Reaktion nach der Diagnose: Panik

"Ich wollte einfach nur ein Ergebnis", sagt Müller. Man habe sie nach Tübingen geschickt, wo dann alles Schlag auf Schlag ging. Die Biopsie brachte die Diagnose, die Müller die ganze Zeit über befürchtet hatte: ein bösartiger Tumor in der rechten Brust, drei mal vier Zentimeter groß.

Die erste Reaktion nach der Gewissheit: blanke Panik. "Es zog mir den Boden unter den Füßen weg." Auf einmal war sie da, die Angst vor dem Tod. "Auch wenn es Möglichkeiten der Behandlung gibt, ist der Gedanke der Endlichkeit da", gibt sie zu. Die heute 58-Jährige wirkt gefasst, doch ihr Blick verrät, dass sie noch genau weiß, wie sich der Moment anfühlte.

Im April 2006 folgte die erste Operation mit dem Versuch, die Brust zu erhalten.

Zeit zum Durchatmen gab es aber nicht, denn wenig später entdeckten die Ärzte einen zweiten Tumor sowie 18 bösartige Lymphknoten. Der Krebs hatte gestreut, die Angst würde weitergehen. In einer zweiten Operation nahm man die Brust ganz ab und begann gleich darauf mit der Chemotherapie. Was folgte, waren elf Monate voller Qualen: Neun Sitzungen, 37 Bestrahlungen und der ständige mentale Kampf gegen die Krankheit. "Man hat mir Betreuung angeboten, aber ich konnte sie nicht annehmen", sagt Müller.

Endlich wieder zu Hause sollte das Schlimmste erst noch kommen: Bei der Rückkehr in die Arbeit wurde ihr plötzlich nur noch eine geringfügige Beschäftigung angeboten. Für Müller ein Schlag ins Gesicht. "Die Arbeit war nach der Krankheit mein ganzer Halt". Nach der Behandlung sei der Körper am Boden, man fühle sich furchtbar. Doch ähnlich schlimm sei die Psyche beschädigt. "Während der Behandlung war ich dauernd im Kampfmodus und als es dann vorbei war, fiel ich in ein Loch", erinnert sie sich an die dunkle Zeit.

Ihre Grenze erreichte Müller im Sommer 2007. Die Probleme waren so schwerwiegend, dass sie bei der Arbeit einen Nervenzusammenbruch erlitt und 15 Wochen in einer psychosomatischen Klinik verbrachte. "Man kann einfach nicht von heute auf morgen wieder normal sein", musste sie sich damals eingestehen.

Das war auch die Zeit, in der sie zum ersten Mal die Selbsthilfegruppe besuchte. Die damalige Gruppenleiterin besorgte ihr einen Platz bei der psychosozialen Krebsberatungsstelle. "In der Gruppe wird ein Netzwerk aufgebaut. Man unterstützt einander, begleitet Mitglieder zum Arzt und kann über seine Ängste sprechen, muss aber nicht", fasst Müller zusammen, was die Gruppe leistet. Bei den Frauen, die ihr Schicksal teilten, konnte sie ganz offen sein. "Hier habe ich Dinge erzählt, von denen ich dachte, dass ich sie niemandem anvertrauen kann – bis ich gehört habe, dass es den Anderen genauso ging", erzählt sie.

Vor dem Arztbesuch ist ihr immer noch mulmig

Beispielsweise habe sie nach der Behandlung nicht mehr richtig lesen können. Am Ende der Seite sei ihr bereits der Beginn entfallen. Dass dies nur eine vorübergehende Folge der Behandlung war, fand sie erst im Austausch heraus.

Neben der offenen Gesprächsrunde finden in der Gruppe auch informative Gastvorträge von Ärzten oder Leuten vom sozialen Dienst statt. Es gibt eine Nachmittags- und eine Abendgruppe mit jeweils etwa 20 Frauen aller Altersgruppen, die regelmäßig kommen. Auch Männer sind willkommen.

"Ich bin zuvor nie ernsthaft krank gewesen", sagt Müller nachdenklich. Doch als sie es schließlich doch wurde, hat es ihr Leben komplett umgekrempelt. Heute ist die Panik dem Respekt gewichen. "Ich weiß jetzt mehr als damals. Das hat mir die Angst genommen", erklärt sie.

Das mulmige Gefühl vor dem Arzttermin bleibt dennoch. Trotzdem war der Krebs aus heutiger Sicht auch eine Chance für sie. Inzwischen hat sie sich selbstständig gemacht und sieht viele Dinge anders. "Früher habe ich immer nur versucht zu funktionieren. Jetzt weiß ich: Ich muss nur mir genügen, sonst niemandem mehr."

Mit der Krankheit hadert sie nicht mehr – auch nicht mit dem Arzt, der nur halb hinschaute, oder ihrem früheren Job. Das alles spielt keine Rolle mehr. "Heute weiß ich mich zu wehren und das auch dank der Gruppe."

Weitere Informationen: (Frauen-) Selbsthilfegruppe nach Krebs Horb, Kontakt: Gruppenleiterin Sidonia Volk, Telefon 07451/8724