Hier steckt Heinz Urbschats Herz drin: das Heimatmuseum. Es gibt Einblick in den früheren Lebens- und Schulalltag. Fotos: Eberhardt Foto: Schwarzwälder-Bote

Das Heimatmuseum Beihingen ist ein Ort der Geschichte zum Anfassen / Mehrmals im Monat werden neue Exponate gesichtet

Von Tina Eberhardt

Haiterbach-Beihingen. Viele Vitrinen, ein paar Einrichtungsszenen und alles gut vor den Händen der Besucher geschützt – so zeigt sich das Bild vieler Heimatmuseen. In Beihingen hingegen ist es anders. Hier wird Geschichte nicht gezeigt, hier darf man sie erleben.

Schon äußerlich sieht das Heimatmuseum gar nicht so sehr nach Heimatmuseum aus. Viele dieser Kulturkleinode gibt es im ländlichen Raum. Oft untergebracht in historischen, ehemals kommunal bedeutsamen Gebäuden. Das Museumsgebäude Beihingen hingegen ist verhältnismäßig jung – die eine Hälfte 100, die andere Hälfte 200 Jahre alt – und ein schlichtes altes Bauernhaus. Sein Zauber zeigt sich innen. Wenn man die ausgetretene Holzstiege nach oben geklettert und im Wohnstock angekommen ist.

Hier gibt es keine Vitrinen und keine Schilder mit Erläuterungen. Was der Heimat- und Geschichtsverein hier vor 20 Jahren auf die Beine gestellt hat, ist ein Freilichtmuseum in Miniaturform. Eines, in dem nicht Gegenstände gezeigt, sondern Lebenswelten nachgestellt werden.

In diesen wird Besucher nicht von dicken Samtkordeln auf Abstand gehalten, sondern darf es sich etwa auf einem alten mit handbestickten Deckchen verzierten Sofa gemütlich machen. Von dort kann man den Blick durch die gute Stube gleiten lassen. Über faszinierende Exponate, mit denen heute mancher nichts mehr anzufangen weiß, zum Beispiel ein liebevoll besticktes Säckchen zur Aufbewahrung von Bürsten. Oder nach nebenan in die kleine Schlafkammer mit der Mausefalle unterm Bett, die wie viele unzählige Kleinigkeiten zeigt, mit wie viel Aufmerksamkeit man hier Ausstellung und Museum gestaltet. Oder man greift nach dem kunstvoll eingelegten Stopfei, das auf dem Nähmaschinen-Tischchen liegt und blickt dann schmunzelnd zu dem Paar schwer geflickter Socken, das über der Bettkante hängt.

"Anfassen erlaubt", betont Heinz Urbschat, der Vorsitzende des Heimat- und Museumsvereins. Als er und seine Kollegen seinerzeit das Museum eröffneten, brachten die Leute aus der ganzen Gegend Exponate nach Beihingen. Die Ausstellung ist beeindruckend. Küche, Wohnzimmer, Stube, Schlafzimmer und ein Archiv haben im Wohntrakt Platz, im Stall ist eine landwirtschaftlichen Ausstellung untergebracht, unterm Dach "Handwerker-Ecken" – das einzige, was an die klassische bekannte Museumsarbeit erinnert.

Noch heute sind Urbschat und seine Kollegen fünf- bis sechsmal im Jahr unterwegs, um Angebote zu sichten. Und immer wieder liegen auch einfach Sachen auf der Türschwelle des Museums. "Es ist schwierig, Ramsch zu unterscheiden", räumt Urbschat ein. Wer Ausstellungen konzipiert, muss hinter die Kulissen blicken können. Und dann wird aus einem Paar ramponierter Flick-Socken plötzlich ein Sinnbild für die Lebensrealität, die den ländlichen Nordschwarzwald über Jahrhunderte geprägt hat: Nichts wird weggeworfen, alles wird in vielfacher Weise weiterverwendet. "Die Leute haben damals praktisch gedacht", erklärt Urbschat. "Aus wenig viel machen."

Es ist eine spannende Zeit für das Heimatmuseum. Noch gibt es viele alte Menschen, die mit der Ausstellung noch eigene reale Erinnerungen verbinden. Und dann gibt es schon viele junge Menschen, für die das Außenplumpsklo so viel mit der eigenen Lebenswelt zu tun hat wie die Innenausstattung der Arche Noah; die nicht mehr wissen, dass das kleine Holzbrettchen über das sie gerade gestolpert sind, ein Stiefelknecht ist.

"Es geht viel Wissen verloren", meint Heinz Urbschat. Er sagt es aber sachlich, nicht jammervoll. Es ist eine Entwicklung, der man eben begegnen muss.

Als der Heimat- und Geschichtsverein Beihingen wiederholt mit Preisen ausgezeichnet wurde, wussten der Vorsitzende und die Mitglieder: "Wir sind auf dem richtigen Weg." Mit einem monatlich stattfindenden Aktionstag, bei dem eine Fülle an Vorführungen vom Handwerker über Waschtag bis zum Jäger geboten wird, leistet man heute aktive Geschichtsarbeit und Netzwerkarbeit für das Museum. Denn woher kommt das Wissen um Lebenswelten, Gegenstände, Verwendung? Meist aus der ältesten Wissensquelle der Welt, wie Urbschats Erklärung zeigt: Aus der mündlichen Überlieferung von Besuchern, Kooperationspartnern und alten Mitbürgern.

Mittlerweile hat der Verein so viel Material auf Lager, dass über Wechselausstellungen nachgedacht werden kann. Manches nimmt der Verein einfach an, damit alte Alltagsgegenstände nicht völlig verloren gehen. Manches wird dann in die Ausstellung integriert. Wie der elegante städtische Stubenwagen, der wohl nie ein der bescheidenen Stube in Beihingen gestanden hat.

Aber auch das ist ein Prinzip eines lebendigen Museums: Kontraste wecken, Gegensätze zeigen. Mittlerweile ist Beihingen ein Geheimtipp geworden. Und mit dem Prinzip "Museum zum Anfassen", betont Urbschat, habe man Glück. Die Leute wissen es zu schätzen und danken mit Rücksicht. In 20 Jahren wurden nur zwei kleine Exponate geklaut.