Nach Beleidigung und Vorstrafen: Zwei Monate Gefängnis ohne Bewährung für 62-Jährigen aus Haiterbach.

Haiterbach/Nagold - Ist der Ausdruck "verlogener Siech" eine Beleidigung? Ja, sagt Richter Martin Link und verurteilte einen Pensionär aus Haiterbach zu zwei Monaten Gefängnis ohne Bewährung.

Ausschlaggebend waren für den Nagolder Richter die Zahl der Vorstrafen, wiederholte Attacken gegen Nachbarn und drittens die Befürchtung "dass es sonst immer so weiter geht". Deshalb habe er ein Stoppschild setzen müssen in der Hoffnung, dass der 62-Jährige zur Besinnung kommt und endlich Ruhe gibt.

Der Nachbarschaftsstreit dauert inzwischen fünf Jahre. Der Angeklagte soll den Anhänger seines Nachbarn die Wiese runtergerollt, seinen Mülleimer direkt vor dessen Carport abgestellt, mit seinem "scharfen" Hund den Weg versperrt und einen anderen Nachbarn die Treppe hinuntergestoßen haben.

Nun musste sich der Angeklagte wegen weiterer Vorfälle vor Gericht verantworten. Am 5. September 2014 wollte sein mitgeführter Hund bei der Rückkehr von einem Spaziergang den Hund des Nachbarn beschnuppern. Sofort sei er von dessen Besitzer angefahren worden: "Guck bloß, dass Du von meinem Grundstück kommst." Darauf habe er ihm zugerufen: "Halt Du dei Gosch, du Hitzkopf."

Geldstrafe kommt wegen Vorstrafen nicht mehr in Betracht

An den angeblich gefallenen Ausdruck "Knallkopf" konnte sich der als Zeuge auftretende Nachbar angesichts "vieler Verbalinjurien" nicht mehr erinnern, deshalb wurde der 62-Jährige in diesem Punkt freigesprochen.

Am 4. Oktober 2014 ereignete sich der nächste Zusammenstoß. Der Angeklagte sagte aus, er sei am Abend von seiner Geburtstagsfeier zurückgekehrt. Beim Blick aus dem Wohnzimmerfenster habe er bemerkt und sich gewundert, dass der Nachbar auf dem Dach herumturnt. Kurze Zeit später sei die Polizei vor der Tür gestanden. Der Nachbar habe ihn angezeigt, weil er eine Glaskeramikfigur auf dessen Hausdach geworfen habe.

Über die Behauptung "habe ich mich fürchterlich aufgeregt." Ja, es sei richtig, dass er den Nachbar und einen weiteren, verfeindeten Hausbesitzer als "ihr verlogene Siech" bezeichnete. Inzwischen hatte sich die Nachbarsfrau auf die Suche nach dem Glassplitter gemacht, der vom Adlerkopf abgesprungen war und wurde fündig. "Der passte genau auf den Adlerkopf" sah sich der Nachbar in seiner Beschuldigung bestätigt.

Für Staatsanwältin Carmen Ljubicic ist "Siech" keine Beleidigung im klassischen Sinn, dafür aber das Attribut "verlogen". Wegen der Vorstrafen (Sachbeschädigung, Beleidigung, Körperverletzung) und mehrerer rechtskräftiger Urteile kam für sie eine Geldstrafe nicht mehr in Betracht, auch keine Bewährung, sondern ein Gefängnisaufenthalt von zwei Monaten.

Da spielt es in ihren Augen auch keine Rolle, dass sich der Angeklagte bei einem Verein "vorbildlich und mit unglaublicher Begeisterung" engagiert, wie aus einem Brief von dessen Vereinsvorsitzendem ans Nagolder Amtsgericht hervor geht. Für Verteidiger Wolfgang Schäfer sei der zugegebene Vorwurf der Beleidigung höchstens mit einer einmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung zu ahnden.

Richter Link sah das anders. Wie bereits in früheren Fällen habe der Angeklagte erwiesenermaßen einen Gegenstand auf das Dach des Nachbarn geworfen "um ihn zu provozieren". Auch habe er bei der Verhandlung weder Einsicht noch Reue gezeigt. "Es tut mir leid, dass ich Sie ins Gefängnis schicken muss, aber irgendwann ist Schluss." Um weiteren Streitereien aus dem Wege zu gehen, sollte der 62-Jährige "lieber wegziehen".