Ein Abfall-Frachter verlässt den Clara-Stollen. Foto: Kost

Technische Gegenmaßnahmen sollen ab Frühjahr 2017 greifen. Salzbergwerk nicht hundertprozentig zu versiegeln.

Haigerloch-Stetten - Verantwortliche der Wacker Chemie AG kündigten am Dienstag im Ortschaftsrat Stetten weitere Maßnahmen an, um Gerüche zu beseitigen die aufgrund von Mülleinlagerungen immer wieder aus dem Salzbergwerk dringen. Sie sollen bis zum Frühjahr 2017 umgesetzt sein.

Sie waren in den Ortschaftsrat gekommen, um im wahrsten Sinne des Wortes "gut Wetter" zu machen. Und dies scheint Dieter Gilles, Leiter des Wacker-Chemiewerkes im bayerischen Burghausen und Werner Boehm, Direktor des Bergwerkes in Stetten, allem Anschein nach auch gelungen zu sein. Denn als sie ihre Ausführungen zur Bekämpfung der Geruchsproblematik vor sehr vielen Zuhörern in der Aula der Werkrealschule beendeten, gab es sogar Applaus.

Eine kleine Überraschung: hätten sich die beiden schon vor ein paar Wochen, als die Geruchsbelästigung noch deutlich stärker wahrnehmbar war, den Bürgern in Stetten gestellt, wäre ihnen womöglich deutliche Verärgerung entgegengeschlagen.

Aber so blieb die Ortschaftsratsitzung trotz des brisanten Themas fast die ganze Zeit auf sachlichem Boden. Hauptsächlich Bergwerksdirektor Werner Boehm arbeitete in seinen Darlegungen im Wesentlichen einen zuvor von der Initiative "Bürger informieren Bürger" (BiB) erstellten Katalog mit 20 Fragen ab.

Doch zunächst machte er Eingeständnisse. Ja, die Geruchsbelästigung sei nicht wegzudiskutieren – auch wenn alle bisherigen Messungen von leicht flüchtigen Stoffen (VOC), insbesondere Ammoniak, laut Boehm um "mehrere Zehnerpotenzen" unter den zulässigen Grenzwerten blieben und somit keine Gesundheitsrisiken entstünden. Und ja, die Verlagerung des Abfall-Umschlagbunkers tiefer in den Berg hinein hat offensichtlich nicht viel bewirkt. "Die Hoffnung in diese große Investition war etwas trügerisch. Es ist nicht so gekommen, wie wir uns das vorgestellt haben", konstatierte der Bergwerksdirektor. Der Ansatz sei nicht falsch gewesen, aber reiche eben nicht aus.

Auch die Bewetterung zur "Verdünnung der Luft" wurde hochgefahren und mit 7- bis 8000 Kubikmeter pro Minute fast verdoppelt. Selbst ein Versuch, die Abluft mit Heublumenaroma zu "beduften" wurde rasch wieder eingestellt.

Wie aber kommt es, dass trotz aller solcher Bemühung immer wieder stechender waschküchenartige Geruch nach außen dringt?

Zum einen wohl, weil die mit Salz abgedichteten Kammern mit dem Abfall nicht hundertprozentig hermetisch zu versiegeln sind. Das Material arbeitet in sich und setzt sich. Dadurch entstehen an den Firsten der Kammern kleine Lücken, über die Luft abfließen kann.

Zum anderen gibt es für die Geruchsbildung wohl auch thermische Ursachen. Wenn 16 bis 17 Grad warme Luft bei deutlich wärmeren Außentemperaturen im Sommer nach außen dringt, fehlt die Kaminwirkung: Sie wird also nicht nach oben weggezogen, sondern bleibt stehen.

Auf die unerquickliche Situation will das Bergwerk nun reagieren. Zunächst einmal ist eine Salzschleuder bestellt, laut Boehm wird sie noch im Dezember geliefert. Mit ihr will man die Hohlräume in den Versatzkammern mittels einem Salz-Zement-Gemisch noch besser abdichten.

Dann werden sowohl im Clara-Zufahrtsstollen als auch im alten Schrägschacht zweistufige Waschanlagen zur Reinigung der Abluft installiert. Dem Wasser wird außerdem ein Wirkstoff auf Zuckerbasis zugesetzt – so wie er in handelsüblichen Raumluft-Erfrischern zu finden ist. Erste Versuche damit, so Boehm, hätten gute Ergebnisse gebracht.

Er geht davon aus, dass die technischen Aufrüstung bis ins Frühjahr 2017 abgeschlossen sein wird, damit sie wirksam ist, wenn die warmen Monate kommen.

Auf kaufmännischer Ebene will Wacker ebenfalls reagieren, wie Dieter Gilles erklärte. Versatzstoffe mit höherem Geruchspotenzial sollen künftig nicht mehr eingelagert werden, Verträge mit deren Lieferanten nach Ablauf nicht mehr verlängert werden. Eine komplette Umstellung auf geruchsarmes Versatzmaterial werde so bis Ende 2017 der Fall sein. Gilles: "Das ist eine sehr weitreichende Entscheidung, die bei uns zunächst zu Einbußen führen, denn wir müssen uns nach neuen Kunden umsehen." Er sah diesen Schritt aber auch als klares Signal an der Verbesserung der Situation mitzuwirken.

Die angekündigten Schritte wurden im Ortschaftsrat und in der Zuhörerschaft begrüßt, auch wenn nicht jeder restlos zufrieden gestellt werden konnte. Einzelne machten nochmals deutlich, wie sehr sie die Gerüche belasten ("Man kann abends das Fenster nicht mehr zum Lüften öffnen"). Mit einem Satz von BiB-Mitglied Armin Bauer waren deshalb alle einverstanden: "So schlimm wie 2016 darf’s nicht mehr werden."

Ein Bekenntnis bekam der Ortschaftsrat noch zu hören als die Zuhörer schon zu Hause waren. Die Einstellung der Steinsalzgewinnung in Stetten steht laut Werkleiter Dieter Gilles nicht zur Debatte. Gilles: "Wir brauchen qualitativ hochwertiges Steinsalz für die Elektrolyse in Burghausen."

Kommentar: Zeit geben

Von Thomas Kost

Freilich, man muss nicht immer alles glauben, was einem erzählt wird. Der Einsatz des eigenen Verstandes und Urteilsvermögens hat noch nie geschadet. Doch was die Verantwortlichen der Wacker-Chemie bei ihrem Auftritt im Stettener Ortschaftsrat den zahlreichen kritischen Bürgern präsentierten, überzeugte. Ja, sie nehmen es sehr ernst, dass die Bevölkerung – und nicht nur die in Stetten – von den Gerüchen, die periodisch aus dem Bergwerk dringen im wahrsten Sinne des Wortes "die Schnauze voll hat". Und ja, die technischen Lösungen und Vertragsverschärfungen, mit denen Wacker die Sache anpacken will, klingen vernünftig und sinnvoll. Man muss der AG nun einen Vertrauensvorschuss und Zeit geben, ihren Maßnahmenkatalog umzusetzen. Erst danach kann man wirklich realistisch beurteilen, ob die Änderungen fruchten. Wünschenswert wäre es.