Historisches: Vor 90 Jahren wurde Hohenzollern wegen katastrophaler Ernte zum Notstandsgebiet erklärt

Witterungsbedingt musste die Getreideernte diese Woche eine kleine Pause einlegen. Wie Lanwirte klagen, bleibt auch die Qualität der Ernte hinter den Erwartungen zurück. Vor 90 Jahren war die Situation allerdings viel dramatischer.

Haigerloch. Die Getreidemenge soll in diesem Jahr etwa zehn Prozent geringer sein als noch im letzten Jahr. Ein Grund dafür ist wohl auch der heiße Juni der sich bei den Ernteerträgen jetzt deutlich bemerkbar macht. Durch die Trockenheit wurde das Restwachstum beeinträchtigt. Sowohl beim Weizen als auch beim Hafer liege der Hektolitergewicht, ein Maß für den Ertrag unter dem Durchschnitt der letzten Jahre. Auch die Braugerste habe gelitten.

Ein Blick in den "Haigerlocher Boten", der damaligen Zeitung für Hohenzollern zeigt aber, dass es vor 90 Jahren viel schlimmer aussah. Im Sommer 1927 war dort zu lesen: "Hohenzollern als Notstandsgebiet erklärt". Die Berichte, die die Landwirtschaftskammer Sigmaringen über den Ernteausfall und die Ernteschäden an den Herrn Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten gemacht hat, hätten dazu geführt, dass Hohenzollern neben einigen anderen preußischen Provinzen als Notstandsgebiet anerkannt wurde.

Tatsächlich sei die Ernte infolge "Unwetterschäden, nasskalter Witterung, Auswilderung, Lagerung, Verunkrautung, ungenügender Ausreife und schlechter Körnerbildung, ferner durch Verderben infolge der schlechten Witterung" im August und Anfangs September, derart schlecht gewesem, dass bei Getreide und auch Kartoffeln mit einem Ausfall von ein bis zwei Dritteln für das ganze Land durchschnittlich gerechnet werden muss. Vor allem sei das geerntete Getreide als Saatgut in sehr vielen Fällen nicht zu gebrauchen. Die Landwirtschaftskammer sei daher zunächst um die Bewilligung eines billigen Saatgutkredits (Notstandskredits) bemüht und habe auch bereits eine ansehnliche Summe für Hohenzollern erwirkt. Eine weitere Folge müsse sein, so wird in dem Artikel gefordert, "dass der Ernteausfall auch steuerliche Berücksichtigung findet."

Vor 90 Jahren war eine schlechte Ernte also wesentlich existenzieller für die Bevölkerung und es ist daher nicht verwunderlich, dass damals der Staat steuernd eingreifen musste. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass die restliche Ernte bei guter Witterung noch eingebracht werden kann und sich die Verluste ein Grenzen halten.