Ein Bild aus glücklicheren Tagen in der Wahlheimat USA. Mit Irwin Ullmann verstarb der letzte von lediglich elf Haigerlocher Juden, die die Nazi-KZs überlebt hatten. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder-Bote

Zum Tode Irwin Ullmanns, dem letzten jüdischen Bürger Haigerlochs, der das KZ überlebte

Von Robert Frank

Haigerloch. Vor kurzem erreichte den Gesprächskreis ehemalige Synagoge die Nachricht vom Tode Irwin Ullmanns (93). Er war schon im September in New York verstorben. Ullmann war der letzte von elf jüdischen Bürgern Haigerlochs, die die Deportation in Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten überlebt hatten.

"Menschen können schlimmer als Tiere sein und sich nicht mehr an das Gebot der Nächstenliebe halten!" Diese Antwort gab er in seinem immer noch schwäbisch gefärbten Deutsch, als er im Oktober 2000 Haigerloch besuchte.

Irwin Ullmann war am 24. September 1921 als einziges Kind der Eheleute Albert (Aron) und Elsa Ullmann, geboren worden und besuchte von 1928 bis 1936 die jüdische Volksschule, die damals zusammen mit der katholischen und evangelischen Volksschule im Haigerlocher Rathaus untergebracht war. Am 1. Mai 1936 zog er nach Ulm, um im Restaurant des Jüdischen Kulturbundes eine Kochlehre zu beginnen. Dort arbeitete er bis 1940. Zuvor scheiterte sein Versuch und der seiner Eltern 1939 in die USA auszuwandern.

Das Restaurant wurde 1940 geschlossen, und Irwin Ullmann zog im Oktober/November des selben Jahres nach Stuttgart, wo er im jüdischen Restaurant Bloch arbeiten konnte. Aber schon ein Jahr später ereilte ihn das selbe Schicksal wie seinen Eltern.

Am 4. Dezember 1941 wurde er als einer von 1000 Juden nach Riga (Lettland) ins Lager Jungfernhof deportiert. Später kam er ins KZ Kaiserwald wo Ullmann ab Sommer 1944 als Koch arbeiten konnte, was ihm nach eigenen Aussagen das Leben rettete. Als die Rote Armee vorrückte wurde er mit anderen Häftlingen ins KZ Stutthof östlich von Danzig verlegt. Dieses Lager wurde am 23. März 1945 von der Roten Armee befreit. Damit war auch er gerettet.

Am 16. Juni 1945 kam Irwin Ullmann nach Haigerloch zurück um noch übrige Habseligkeiten von sich und seiner Familie zusammenzusuchen. 1946 wanderte er in die USA aus, wo er in mehreren Hotels arbeitete, zuletzt 20 Jahre im Waldorf-Astoria in New York. Nach einem Herzanfall ging Irwin Ullmann in den Ruhestand, den er in wechselweise in New York und im warmen Florida verbrachte.

Irwin Ullmann besuchte Deutschland erstmals 1985, um in Düsseldorf gegen einen SS-Offizier auszusagen, der in Riga die Juden selektierte. Kurz danach erfolgte eine Einladung nach Stuttgart durch den damaligen Bürgermeister Manfred Rommel und 1997 nach Tübingen, wobei er jeweils Abstecher nach Haigerloch machte.

Im Juli 1994 durfte der Gesprächskreis Irwin Ullmann zusammen mit seiner Frau Lotte in Haigerloch begrüßen. Bei einem Gesprächsabend im Bürgerhaus im Oktober 2000 stand er im Mittelpunkt, schilderte mit fester Stimme sein Schicksal und beantwortete bereitwillig alle Fragen des Publikums. Der Abend wurde von einem Kamerateam des SWR aufgezeichnet.

Irwin Ullmann verlor während des Nazi-Terrors seine Eltern und fast die gesamte Verwandtschaft beider Seiten, nur sein Cousin Max Ullmann überlebte und ist auch in die USA ausgewandert.