Joseph Rothschild Foto: Schubert Foto: Schwarzwälder-Bote

Joseph Rothschild zeichnet bei Vortrag den Wandel jüdischen Lebens in Württemberg nach

Von Klaus Schubert

Haigerloch. Der Tübinger Politik- und Religionswissenschaftler Joseph Rothschild referierte am vergangenen Montag in der ehemaligen Synagoge Haigerloch über heutige jüdische Gemeinden in Württemberg.

Um die heutige Situation einordnen zu können, schilderte der Referent zunächst die Vielfalt jüdischer Gemeinden im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zur Zeit der Ausgrenzung und schließlich Vernichtung der Gemeinden im nationalsozialistischen Deutschland.

Bis zu ihrer Vernichtung war die jüdische Gemeinde Haigerlochs Teil Württemberg-Hohenzollerns, in dem 13 so genannte Rabbinatsbezirke bestanden. Diese Rabbinatsbezirke waren weitgehend selbstständig. So konnte eine religiöse Vielfalt bestehen, die im ländlichen Raum zu eher traditionell-orthodoxen und im städtischen Raum, besonders in Stuttgart, zu liberalen Gemeinden führte. Diese Vielfalt wurde in der NS-Zeit zerstört.

Joseph Rothschild, der in Tübingen Dozent für Politik- und Religionswissenschaft sowie für Hebräisch und Jüdische Wissenschaft ist, verstand es durch seinen lebendigen Vortrag und seine Kenntnis der heutigen Gemeinden, diese historischen Hintergründe immer wieder mit der heutigen Situation zu verknüpfen.

Nach der Zerstörung der Gemeinden erfolgte im Nachkriegsdeutschland noch in den 40er Jahren der Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde, vor allem durch "Displaced Persons", also jüdische Frauen und Männer, die Konzentrationslager überlebt oder Flucht und Vertreibung überstanden hatten. Deren Zahl war klein und so kam es nur in Stuttgart zur Gründung einer Gemeinde für ganz Württemberg. Die Vielfalt, die im 19. Jahrhundert in den 13 Rabbinatsbezirken zum Ausdruck kam, konnte damit natürlich nicht wieder aufleben.

Die bis heute in Stuttgart bestehende Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg versteht sich als Gemeinde für alle Glaubensrichtungen, als Einheitsgemeinde. Diese Einheitsgemeinde steht in regem Dialog mit den anderen Religionen und den verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen – bis hin zum Land Baden-Württemberg.

Eine besondere Herausforderung bildet dabei die Zuwanderung von Jüdinnen und Juden, zum Beispiel in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts aus Russland. Vereinendes Element sind, wie Joseph Rothschild abschließend aufzeigte, jährlich wiederkehrenden Feste, wie zuletzt das zentrale Pessachfest.