Mit reservierter Miene nimmt CDU-Stadtrat Walter Stocker (rechts) den Handschlag von Bürgermeister Heinrich Götz zur Wahl als sein Stellvertreter entgegen. Minuten zuvor hatte Götz mit mehreren Freien Wähler dafür gestimmt, auf einen von bisher zwei Stellvertretern zu verzichten. Foto: Kost

An Wahl des Bürgermeister-Stellvertreters entzündet sich heftige Gemeinderatsdebatte.

Haigerloch - Walter Stocker (CDU) ist neuer erster Stellvertreter von Bürgermeister Heinrich Götz. Doch seine Wahl am Dienstag im Gemeinderat war von etlichen Misstönen begleitet.

Nach dem Rücktritt von Alexander Siedler war der Posten neu zu besetzen. Bisher war es Usus, dass die stärkste Gemeinderatsfraktion – in dem Fall die CDU – den Stellvertreter des Bürgermeisters stellt und die Freien Wähler (FW) als zweitstärkste Fraktion den zweiten Stellvertreter (Hans Fischer). Mit dem Erstarken der Sozialökologische Liste im Gemeinderat gab es vor Jahren sogar einmal die Überlegung, ob man sogar nicht auch ihr einen Stellvertreter-Posten zugesteht.

Was bisher in der Haigerlocher Kommunalpolitik immer ein formaler und für gewöhnlich nie umstrittener Akt war. bekam plötzlich und unerwartet, die Dimension einer politischen Debatte. Auslöser dafür war ein Antrag, den der Trillfinger Ortsvorsteher Hermann Heim im Namen der Freien Wähler vortrug.

Der Bürgermeister-Stellvertreter, so formulierte Heim die Erwartungen der Freien Wähler, solle jemand sein, der offen und ehrlich zur Verwaltung ist. "Wir hatten das Gefühl, dass das in den vergangenen Jahren nicht so war". Deshalb sei man der Ansicht das ein Stellvertreter reiche und man keinen zweiten brauche.

Die derart attackierte CDU- Fraktion reagierte zuerst nicht verbal, sondern ließ ihre Stimmen bei der folgenden Abstimmung sprechen. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat wurde der Antrag abgeschmettert. Unter den lediglich fünf Gemeinderäten, die den Antrag befürworteten, war auch Bürgermeister Heinrich Götz, der eigentlich selbst Mitglied der CDU ist.

Nachdem der CDU-Antrag gescheitert war, versuchte FW-Gemeinderat Dionys Pfister der CDU sogar andere Kandidaten als Walter Stockter schmackhaft zu machen. Vorgeschlagen wurden als "Stimmenkönig" Werner Pieper und Michael Ashcroft. Beide lehnten als Neulinge in der Kommunalpolitik dankend ab und überhaupt wollten sich die CDU nicht in ihr Vorschlagsrecht reinreden lassen.

Als nächster Schritt ging es dann zur Wahl. Diese – auch ein Novum – wurde nicht offen, sondern geheim durchgeführt. Nach der Auszählung der Stimmzettel stand Walter Stocker mit 17 Stimmen als gewählt fest. Elf Stimmzettel waren ungültig und einer war als Enthaltung gekennzeichnet.

Nachdem das Wahlergebnis fest stand, kam die erst Debatte richtig in Fahrt, denn dann ergriffen die CDU-Gemeinderäte das Wort. Fraktionssprecher Karl-Heinz Schneider bewertete den ganzen Vorgang als unglaublich und fragte sich wie die Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen besser werden soll, wenn man so mit Gemeinderatskollegen umgehen. "Wir sollten verhindern, dass wir uns hier selbst zum Kindergarten degradieren", meinte Schneiders Fraktionskollege Michael C. Ashcroft im Verlauf der Debatte und bedauerte zutiefst, das die Gemeinderatssitzung und die Wahl des Bürgermeister-Stellvertreters zu parteipolitischen Zwecken missbraucht werde.

Matthias Deppert und Weildorfs Ortsvorsteher Markus Gauss hielten dagegen. Das sei eben Demokratie, so Deppert. Auch Bürgermeister Götz hielt eine Debatte über die Zahl der Bürgermeister-Stellvertreter legitim. Jetzt sei es entschieden und es gebe keinen Grund weiter etwas darüber zu sagen, wollte er die Diskussion beenden.

Zum Schluss meldete sich auch noch der unvermittelt zum Spielball der Diskussion gewordene Walter Stocker zu Wort. Ihn verwundere es, dass man einen Stellvertreter der Mehrheitsfraktion in Frage stelle. Vor zwei Tagen, so erinnerte Stocker an das Ende des Wahlabends am Sonntag im Bürgerhaus, sei Bürgermeister Götz mit offenen Armen auf ihn zugegangen. Zu diesem Zeitpunkt sei er davon ausgegangen, dass Gräben zugeschüttet würden. Aber so reiße man neue auf.

So geräuschvoll wie dieser Akt endete, so geräuschvoll hatte der Abend begonnen. Und zwar mit einem lauten Türknall. Was war geschehen? Christa Heckert aus Hart hatte die Bürgerfragestunde dazu benutzt, um eine persönliches und weit ausgreifendes Statement zur Bürgermeisterwahl abzugeben.

Das habe mit dem Sinn der Bürgerfragestunde nichts zu tun und gehöre nicht hierher, beschwerte sich SÖL-Stadtrat Konrad Wiget. Bürgermeister Heinrich Götz hielt die Wortmeldung aber als Meinungsäußerung für zulässig. Als die Frau weiter redete verließ Wiget demonstrativ den Saal und schlug die Tür hinter sich zu.

Bei so vielen Getöse zwei Tage nach der Wahl waren die Worte von FW-Fraktionssprecher Hans Fischer schneller vergessen als gesagt. Er gratulierte Heinrich Götz im Namen der Freien Wähler zur Bürgermeisterwahl und sagte dabei: "Es liegt an uns, die Wogen zu glätten und sich als seriöses und vernünftiges Gremum zu präsentieren."

Von Thomas Kost

Die Bürgermeisterwahl ist vorbei, doch der Zoff im Gemeinderat scheint weiterzugehen. Aktuelles Beispiel dafür ist der Zwist um die Zahl der Bürgermeisterstellvertreter. Als die CDU nach dem Rücktritt von Alexander Siedler einen Nachfolger wählen lassen will, stellen die Freien Wähler (FW) in Frage, ob man überhaupt zwei Stellvertreter braucht. Sie wollen der CDU also etwas wegnehmen, was der größten Fraktion im Gemeinderat seit jeher zugestanden wurde – übrigens sind mehrere Bürgermeisterstellvertreter nicht nur in Haigerloch üblich. Und der Bürgermeister unterstützt den FW-Antrag mit seiner Stimme. Das ist sein gutes Recht. Politisch klug allerdings ist es nicht. Man bedenke: 48 Stunden zuvor wurden noch flammende Appelle zu Versöhnung und Gemeinsamkeit gehalten. Die Gräben in der Haigerlocher Politik bleiben offen. Das ist sehr bedauerlich.