Nachfahrin einer jüdischen Familie setzt sich für Lockerung des Denkmalschutzes im Haigerlocher Haag ein

Von Birgit Fechter

Haigerloch. Jennifer Ullmann, Nachfahrin einer jüdschen Familie aus Haigerloch, setzt sich für das "Haag" ein. Das ehemalige Jüdische Viertel steht als Gesamtensemble unter Denkmalschutz, ebenso wie jedes einzelne Haus. Das bedeutet aber, dass dieses an sich schutzwürdige Gebiet teilweise dem Verfall preisgegeben ist, da Bauherren, die ans Herrichten der Häuser denken, die Auflagen des Denkmalschutzes meist nicht erfüllen können.

So haben laut Jennifer Ullmann in den vergangenen Jahren junge Leute ein altes Haus im Haag gekauft, nur um festzustellen, dass sie es nicht nach den Erfordenissen modernen Wohnens umbauen dürfen. Somit ist dieses und weitere Häuser dem Verfall preisgegeben.

Jennifer Ullmann-Jones, deren Urgroßeltern auf dem jüdischen Friedhof im Haag beerdigt sind, findet diesen "Denkmalschutz" empörend und überhaupt nicht im Sinne der ehemaligen jüdischen Bewohner und ihrer Nachkommen. Sie hat sich deshalb in einem Schreiben an den Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn gewandt und ihn gebeten, sich für die "tired old houses" (müden alten Häuser) einzusetzen oder ihr Schreiben an die entsprechenden Stellen (Authorities) weiter zu leiten. Dieses Schreiben hat jetzt die Stadtverwaltung Haigerloch erreicht, der städtische Ausschuss hat sich damit beschäftigt. Das Schreiben spreche ihm aus dem Herzen, erklärte Bürgermeister Heinrich Götz, der es gerne sähe, wenn junge Familien ins Haag zögen. Er habe es jetzt an das Regierungspräsidium Tübingen und auch an die Abgeordneten Thomas Bareiß, Günther-Martin Pauli und Hans-Martin Haller weitergeleitet.

In dem Brief schreibt Ullmann, sie hoffe, dass die "müden alten Häuser" im Haag fürs 21. Jahrhundert fit gemacht werden dürften. Was spiele es für eine Rolle, wenn sie neue Fußböden, Fenster und Zentralheizung bekämen? Sie sei sicher, dass die Nachfahren der jüdischen Familien es vorzögen, ihre ehemaligen Häuser in gutem Zustand und bewohnt zu sehen. Dies sei auch wichtig im Hinblick auf das wundervolle jüdische Museum in der ehemaligen Synagoge, in dem auch Dinge von Jennifer Ullmanns Großvater ausgestellt sind.

Jennifer Ullmann, die mit ihrem britischen Ehemann in Kent in Südengland lebt, hat im Haag an der Stelle des Hauses ihrer Vorfahren ein neues Haus gebaut, das sie sehr gerne mehrmals im Jahr besucht und in das sie oft Freunde einlädt. Das alte Haus war nicht mehr zu retten.

Die Ausschussmitglieder zeigten sich schwer beeindruckt von dem Brief. Gerade dass so ein Brief mit einem klaren Bekenntnis zu Haigerloch von einer Frau komme, deren Familie unter dem Holocaust gelitten habe, sei etwas ganz Besonderes. Und es solle unbedingt darauf hingearbeitet werden, dass Ullmanns Brief an den entsprechenden Stellen Gehör finde. Die Häuser im Haag, so Hans Fischer, seien nach dem Krieg ohnehin umgebaut worden, so dass diese strikte Form des Denkmalschutzes absurd sei. Bürgermeister Götz ist zwar skeptisch, dass beim Denkmalamt etwas zu erreichen ist, dennoch will er auf Anraten des Ausschusses versuchen, einen Ortstermin mit der Behörde zu bekommen, bei dem möglichst auch Jenny Ullmann anwesend sein sollte.