Zahlreiche Interessierte nahmen am Europäischen Tag der jüdischen Kultur an einer Führung durchs Haag teil. Robert Frank erläuterte dabei, wie die Juden mit Handel und Gewerbe im ehemaligen jüdischen Viertel ihren Lebensunterhalt verdienten. Foto: Fechter Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Robert Frank beleuchtet Handel und Gewerbe der jüdischen Bevölkerung im Haag

Wie lebten und arbeiteten die Juden im Haigerlocher Haag? Dieser Frage ging der Heimatforscher Robert Frank in einer Führung am "Europäischen Tag der jüdischen Kultur" nach.

Haigerloch. Sicher, es gab auch wohlhabende Juden, die etwa durch Viehhandel reich geworden waren. Die meisten aber, so Frank, fristeten ein eher kärgliches Dasein und lebten mehr schlecht als recht.

Denn den Juden war lange Zeit das Erlernen und Ausüben eines Handwerks verwehrt, auch Grundbesitz durften sie nicht haben, so dass auch die Landwirtschaft für sie ausfiel. Sie wichen folglich auf das aus, was übrig blieb: Den Handel und den Geldverleih, der Christen verboten war. Allerdings, so schränkte Frank ein, war bei den armen Landjuden mit Geldverleih nicht wirklich ein Geschäft zu machen.

So blieb der Handel: Während der Woche zogen die Männer als Hausierer in die Umgebung und handelten mit allem, was sich denken lässt. "Das Haag war während der Woche praktisch männerfrei", so Frank. Den christlichen Geschäftsleuten war dieser "Schacherhandel" ein Dorn im Auge, denn dadurch kauften die Bauern und Dorfbewohner der Umgebung weniger in den städtischen Geschäften. Bei den Bauern hingegen waren die jüdischen Händler nicht nur wegen der Vielfalt der angebotenen Waren beliebt: sie brachten auch allerhand Neuigkeiten mit.

Im Jahr 1837 wurden die Juden mit den anderen Bewohnern Haigerlochs rechtlich gleichgestellt. Sie mussten also kein "Schutzgeld" mehr an den Fürsten bezahlen. Auch stand ihnen jetzt freie Berufswahl zu, es war sogar erwünscht, dass ihre Jugendlichen ein Handwerk lernen.

Dennoch blieben die Juden dem Handel treu: Es gab Ende der Dreißiger Jahre nur einen einzigen jüdischen Handwerksbetrieb, einen Elektriker in der Pfleghofstraße 3. Ein einziges landwirtschaftliches Gebäude gab es in der Pfleghofstraße. Einzige Gasthof und gesellschaftlicher Mittelpunkt war das "Haus Rose".

Im Handel, so gibt Frank als Grund an, waren sie konkurrenzlos, er entsprach ihrer Tradition. Der Schacherhandel wurde allerdings verboten, und so entstanden im Haag etliche kleinere Geschäfte. Manche Frauen verdienten sich als Gänsestopferin etwas dazu. Pelzhandel, Kolonialwaren, ein Metzger, eine Mazzenbäckerei, ein Öl- und Fettladen, dazwischen die Häuser der wohlhabenderen Viehhändler: Die Teilnehmer der Führung konnten dieser Geschichte vor den jeweiligen Häusern nachspüren.

Ab 1935 tauchten auch in Haigerloch die Schilder "Kauft nicht bei Juden" auf. Ab 1940 durften die jüdischen Bewohner das Haag nicht mehr verlassen. Gleichzeitig kamen viele Juden aus den Städten der Umgebung ins Haag – vor ihrem Abtransport die Konzentrationslager wurden sie dort "zwischenstationiert". Die Haigerlocher Juden wurden Anfang der 40er Jahre deportiert, viele davon nach Theresienstadt. Nur wenigen hatten die finanziellen Mittel, um vorher auszuwandern.

Von den Haigerlocher Juden kehrten sechs nach Ende des Zweiten Weltkriegs für kurze Zeit ins Haag zurück, ehe sie der früheren Heimat für immer den Rücken kehrten. Manche der Ausgewanderten besannen sich später ihrer Wurzeln, ihre Nachkommen haben nach wie vor Häuser im Haag und in der Pfleghofstraße.