Lehrt ihr Publikum das Fürchten: Erzählerin Billy Sum-Hermann im Vogtsbauernhof. Foto: Jehle

"Flößerhexe" erzählt mit viel Körpereinsatz Gruselgeschichten und historische Anekdoten

Von Evelyn Jehle

Gutach. Die Geisterstunde hat mit Flößerhexe Billy Sum-Hermann gestern beim Sagentag des Freilichtmuseums Vogtsbauernhof einfach zwölf Stunden später geschlagen – und das gleich doppelt. Der Andrang war so groß, dass zwei Gruppen gebildet werden mussten.

Der Papa mit der blauen Jacke durfte aber wieder in die gesteckt volle Stube hinein, nachdem der Nachwuchs lautstark protestiert hatte. Mit vollem Körpereinsatz und stark eingesetzter Stimme hat die berufene Performerin gruselige Geschichten im ältesten Museumshof, dem Hippenseppenhof, erzählt.

Geschickt verpackt waren die Geschichten in fesselnde Überlieferungen, und so lernten die Zuhörer ganz nebenbei auch vieles über die Lebensweise der Altvorderen. In der dunklen Stube des Hofes konnte man sich gut vorstellen, wie früher ein Kienspan und später eine Öllampe nur spärliches Licht verbreitete und die Menschen sich damals beim Spinnen und anderen Winterarbeiten haarsträubende Geschichten über den Tod, das Sterben und den Teufel erzählten.

Der Kopf des größten Ochsens hält Wache über den Hof

Helfen konnte nur das Gebet und Schutzzeichen wie geweihtes Brot, in das beim Anschneiden drei Kreuze gekerbt wurden. Ebenso wurde mit dem scharfen Sackmesser (Taschenmesser) verfahren, das Frauen wie Männer jederzeit bei sich trugen. "Jo, ihr hen scho richtig ghört, au des Wiebsvolk", unterstrich Billy Sum-Hermann nachdrücklich die Notwendigkeit eines allzeit bereiten scharfen Taschenmessers, nicht nur wegen des zu schneidenden Specks.

Amulette und Medaillons schützten ebenfalls vor Spukgestalten und dem Teufel. Sehr interessant war auch der Hinweis auf den Ochsenkopf, der auf dem Dachboden hoch oben im Gebälk Wache über den Hof hält. Früher war es üblich, nach der Fertigstellung eines Hofs den stärksten Ochsen zu schlachten. Sein Kopf wurde an den Dachfirst gebunden und sollte den Hof vor allem Unglück beschützen.

Denn das Übernatürliche war in alten Zeiten im Alltag fest verankert. Gebannt lauschten die Zuhörer, wie einen Bauern beim Kirchgang die Ahnung überkam, daheim stimme was nicht. Das ganze Gesinde ging ja bis auf eine Magd, die auf das Gehöft aufpasste, in die Kirche. Flugs eilte er heim und fand prompt die Magd ohnmächtig, die mit ihrem Stöbern in verbotenen Büchern eine ganz Horde Teufel angelockt hatte.

Schnell verstreute der Bauer Hafer, Weizen und Roggen um die Gesellen, die aus welchem Grund auch immer das Getreide sofort wieder sortierten. In der Zeit wurden die Teufel gebannt, aber grade noch so, es blieben nur drei Körner noch übrig.

Mit teils offenem Mund und großen Augen hörten die Kinder, wie der Pfarrer in alten Zeiten überprüfte, ob ein Mensch auch wirklich tot war: Mit einer Kerze fuhr er unter dem Arm entlang und vor allem auf die Stelle unter den empfindlichen Achseln kam es an, um den Tod festzustellen. Immer klappte das nicht, wie die Geschichte von der geizigen "Krizbiere" (Kreuzbäuerin) bewies.

Um zu verhindern, dass einer vom Gesinde bei der Kirschernte eine Frucht aß, befahl die Bäuerin zu singen. "Sie selber hot aber s´Mul voll ghett mit Grieße un isch verstickt bim gosche" (die Bäuerin erwischte jemand beim naschen und erstickte beim Schimpfen an einem Kirschkern). Alle feierten, und die Obermagd sah sich schon als neue Herrin, doch bei der abenteuerlichen Beerdigung spuckte die schwergewichtige Frau den Kirschkern wieder aus und drangsalierte das Gesinde noch weitere 15 Jahre lang.

Mehrmals kündigte Billy Sum-Hermann vor ihren Erzählungen an, dass diese eigentlich nichts für Kinder sind. Natürlich verließ keins der Kids den Raum, aber richtig starker Tobak kam in der "schwarzen Kuch" beim "Schragetisch" zur Sprache. Zuerst erfuhr der Zuhörer wieder Lehrreiches, warum die Schwarzwälder Küchen keinen Kamin hatten: Der Rauch wurde zum Konservieren von Lebensmitteln und noch mehr vom Gebälk gebraucht. "Do goht kei Holzwurm ni".

Am Schragetisch wurden die geschlachteten Sauen zerteilt – und jetzt ging es bei den Schauergeschichten zur Sache. Der Metzger Sepp aus Haslach, der die besten Würste im Tal herstellte, und verschwundene Kinder wurden in Zusammenhang gebracht und das auf mehr als deutliche Weise.

Makabre Geschichten von Metzgern und Henkern

Die makabre Erzählung rief in der Gruppe alle Reaktionen von Gelächter bis zu entsetzten Gesten hervor.

Billy Sum-Hermann setzte noch einen drauf und berichtete ausführlich vom Hausacher Henker Johann Anton Seidel, der Mitte des 18. Jahrhunderts in Hausach wirkte und der dem Metzger Sepp den Kopf abschlug. "De Seidel isch globt wore für sei glatte Schnitt", wetzte die Erzählerin beredt die Messer nebenher.

Mit einer weniger blutrünstigen Geschichte vom "Kittlerbeck", der beim Backhaus der Stadt Hausach spukte, um die Leute in seine Bäckerei zu locken, endete die Gruselstunde. Die nächste Gruppe stand erwartungsvoll bereit.