Caroline Wurth (links) und Sophie-Marie Nattmann fanden schon als Kinder zum Kunstrad und fahren seit Jahren im Team beim Radsportverein Gutach.. Foto: Schwarzwälder-Bote

Caroline Wurth aus Gutach und Sophie-Marie Nattmann aus Wolfach wollen als Kunstrad-Team den Titel holen.

Gutach - Caroline Wurth und Sophie-Marie Nattmann vom RSV Gutach fahren als einziges deutsches Kunstradlerinnen-Team im Mai zur Europameisterschaft nach Nufringen. Die beiden 17-jährigen Abiturientinnen peilen den Titel an – und schreiben Vereinsgeschichte.

Eine EM im Terminkalender, das schriftliche Abitur gerade geschrieben und drei- bis viermal in der Woche Training: Dafür sitzen die beiden Schülerinnen recht gelassen an einem heißen Mittwochnachmittag auf der Zuschauerbank in der Gutacher Liebich-Sporthalle und plaudern mit dem SchwaBo über ihren Sport und Zukunftspläne.

Sie widmen sich einer Randsportart, die es ein wenig schwer hat neben den Massen- und Breitensportarten. Sie tun dies jedoch ehrgeizig und erfolgreich. Neben ihnen trainieren die anderen Mädchen der Gruppe, etwa zwölf erscheinen dreimal pro Woche zum Training. Eine Achtjährige übt gerade den freien Stand auf den Dornen – im Fachjargon die Fußstützen am Hinterrad. Die Älteren haben sich auf dem Rad bereits akrobatisch nach oben gearbeitet und proben den Sattelstand oder stellen sich waghalsig auf den Lenker ihrer Spezialrädern.

"Früher haben wir so was gerne auf unseren normalen Rädern auf dem Radweg gemacht", erzählt Sophie-Marie Nattmann. Die Zeiten sind vorbei, man sei älter geworden. Beide besitzen bereits den Führerschein und planen ihr Studium, das Caroline nach dem Abi nach Karlsruhe und Sophie-Marie nach Freiburg führen soll. Treffen wollen sie sich dann noch immer in Gutach in der Halle zum Training.

Einmal im Monat Training im Deutschland-Kader

Caroline Wurth kam als etwa Sechsjährige mit einer Freundin erstmals mit zum Training auf dem Kunstrad: "Damals war ich noch zu klein fürs Rad", berichtet sie heute lachend. Mit sieben saß sie zum ersten Mal drauf, und inzwischen sind sie und ihre Partnerin so erfolgreich, dass sie einmal monatlich in Tauberbischofsheim im Deutschland-Kader trainieren, in der Nationalmannschaft mitfahren und eigene Räder vom Verein gestellt bekommen.

Sophie-Marie Nattmann fing mit neun Jahren mit dem Sport an, nachdem sie sich erst im Handball erprobt hatte. Auch für sie war schnell klar, dass ihr der Kunstradsport zusagt, und inzwischen resümiert sie: "Klar, wenn man richtig erfolgreich sein will, muss man schon Mut haben – wenn man ängstlicher ist, kann man den Sport zwar auch machen, aber man kommt nicht so weit."

Ihre Trainerin Ramona Szabo steht am Rand und korrigiert Haltung und Beinstellung der Sportlerinnen. "Man arbeitet sich von unten nach oben vor, Stufe für Stufe höher", sagt Karin Wurth, Carolines Mutter, die sich auch scherzhaft als Managerin der beiden Sportlerinnen bezeichnet. "Kunstrad, das gibt es immer dort, wo sich Fuchs und Hase ›Gute Nacht‹ sagen", meint sie mit Blick aufs ländliche Gutach.

Dort haben Caroline Wurth und Sophie-Marie Nattmann es mit ihrer Akrobatik weit gebracht. Sie sind das einzige deutsche Team, das zur Junioren-Europameisterschaft am 15. und 16. Mai in Nufringen (Landkreis Böblingen) fährt. Damit schreiben sie nicht "nur" Vereinsgeschichte: Ihr Kunstrad-Zweier ist der erste, der für den Bundesverband RKB Solidarität bei einer Junioren-EM antreten wird.

Aufregung ist den beiden kaum anzumerken, Freude dafür sehr viel: "Klar, der erste Platz ist das Ziel", sagt Sophie-Marie Nattmann mit Nachdruck, "wir fahren ja nicht zur EM und sagen schon vorher, wir begnügen uns mit dem zweiten Platz." Die Konkurrenz, etwa 15 Teams, kommt aus ganz Europa. Manchen sind die Radlerinnen vom TV Gutach bei Wettkämpfen bereits begegnet.

Was erwartet Caroline Wurth und Sophie-Marie Nattmann im Mai? In einer fünfminütigen Kür müssen die Sportlerinnen 25 Übungen zeigen, "das geht zack-zack", sagt Caroline Wurth.

Zeigen müssen sie auch Übungen auf zwei sowie zu zweit auf einem Rad, kritisch beobachtet von zwei Kampfrichtern, die Fehler in der Haltung oder Ungenauigkeiten in der Ausführung mit Punktabzug quittieren.

Karin Wurth, die auch schon als Trainerin aktiv war, nennt das Kunstradfahren eine lebenslange Schule: "Dieser Sport fördert das ganze Kind." Konzentration, Ausdauer und Kraft spielten laufend zusammen. Und wenn man dazu noch rechnen könne, sei das hilfreich: Denn die Punkte für die Übungen, die man beim Wettkampf zeigen will, kann man sich vorher errechnen. So könne man von Anfang an mit schwierigeren Übungen und einer höheren Punktzahl kalkulieren. Nicht schlecht für die Kinzigtäler Sportlerinnen: Sie wollen Technik und Mathematik studieren.

Und wie lassen sich Schule, Abiturprüfung und zeitintensives Training unter einen Hut bringen? Über dieser Frage zerbrechen sich die beiden nicht unnötig den Kopf: "Wir haben keine Probleme in der Schule, es läuft okay", sagt Sophie-Marie Nattmann. Weil dem so ist, kann das Kunstradfahren getrost im Vordergrund stehen. "Wir wollen ja nicht Medizin studieren und brauchen keinen Einser-Schnitt", fügt Caroline Würth hinzu. Das hört sich sehr entspannt an.