Die Mitglieder des Arbeiterradvereins Gutach bei einer sonntäglichen Ausfahrt mit ihren geschmückten Union Star-Rädern Foto: Repro: Dorn

Hans Moser beginnt 1912 mit der Produktion von Herren- und Damenfahrrädern

Gutach (dor). 1912 wurden im Kinzigtal mit dem "Arbeiterradverein Frischauf Gutach" und "Radfahrerverein Eintracht Fischerbach" gleich zwei Fahrradvereine gegründet. Seit der Erfindung des Fahrrads 1817 durch Freiherr von Drais waren da schon fast 100 Jahre vergangen und auch die Arbeiterbewegung, die das Rad als Verkehrsmittel für sich entdeckt hatte, war andernorts schon 1896 gegründet worden.

Ab 1912 waren Fahrradfahrer damit urkundlich auch im Gutach- und Kinzigtal keine Exoten mehr und wenige Jahre nach Ende des ersten Weltkriegs begann der Gutacher Schmied Hans Moser mit der Produktion von Herren- und Damenfahrrädern.

Mit Ausnahme der Mäntel, Schläuche und Teilen der Beleuchtung wurden die Fahrräder in Gutach gefertigt und montiert. Die in Spitzenzeiten nahezu 100 Mitarbeiter verstanden sich auf alle Arbeiten vom Schweißen der Rahmen über das Einspeichen der Felgen und die Lackierung.

Was die Vermarktung der Fahrräder anging erwies sich Firmengründer Hans Moser als wahrer Visionär, sei es beim genialen Logo – die zwei sich ineinander verschränkenden Buchstaben U und S und die geflügelte Standarte – den Zahlungsbedingungen, dem achttägigen Rückgaberecht bei Nichtgefallen oder den Garantieleistungen. Wartungs- und Reparaturarbeiten wurden ebenfalls von der Fahrradfabrik angeboten, die Preise waren stolz, danach bekamen die Kunden aber ein quasi fabrikneues Fahrrad zurück.

Nach dem zweiten Weltkrieg musste Moser seine Fahrradfabrik wieder neu aufbauen. Die Reparationsforderungen der französischen Fahrradnation und Besatzungsmacht wurden bis auf den letzten Schraubenschlüssel geleistet und ließen ihm kaum mehr als das Betriebsgebäude in Gutach-Turm. Mit wenigen Arbeitskräften konzentrierte sich Moser zunächst auf die Produktion von stabilen Damenfahrrädern und Lastanhängern – eine Transportkombination welche die Aufbaujahre bestimmen sollte. Zum 35-jährigen Bestehen der Fahrradfabrik erweiterte Moser die Produktpalette um Mopeds und Motorräder, Kinder- und Jugendfahrräder sowie "Luxus"-Sporträder.

Die Modefarben der 50er-Jahre waren eigentlich rot, blau und grün, aber Visionär Moser beherrschte die Kunst, diese Farben mit verkaufsfördernden Präfixen zu versehen: Aus blau wurde so beispielsweise "capriblau", rot mutierte zu "kardinalrot" und grün zu "laubgrün". Aber schon bald zeigte sich, dass ein capriblaues Fahrrad, mochte es "Made in Gutach" und noch so stabil und wertig gebaut worden sein, die Fahrt nach Capri mit der eigenen Isetta oder dem eigenen VW-Käfer nicht mehr ersetzen konnte. Kurzzeitig brachten die Erfolge eines Rudi Altig auf dem Rennrad bei den großen Rundfahrten der Fahrradbranche in den 60er-Jahren noch einmal einen letzten Schub, für den auch von Union Star – aus heutiger Retro-Sicht – wunderschöne puristische Rennmaschinen produziert wurden, auf Wunsch domestiziert zum alltagstauglichen Rad mit Schutzblechen, Gepäckträger und Beleuchtung.

Dann aber zwang der durch Käfer & Co. erschwinglich gewordene Traum vom eigenen Auto auch die Fahrradfabrik Union Star zur Aufgabe und Hans Moser junior baute die Fahrradfabrik zu einer Dreherei um.

2010 schließlich wurde das Fabrikgebäude von der Familie Moser verkauft, nach dem Vollbrand im gleichen Jahr wurde das Gebäude abgerissen und die Fläche mit Mehrfamilienhäusern bebaut. Derzeit erinnert nichts mehr an dieser Stelle an die Fahrradfabrik Union Star.

INFO

Auszüge aus den Prospekten der 50er- und 60er-Jahre

> Kinderrad für Kinder ab drei Jahren: 73 DM

> Kinderrad für Kinder ab vier Jahren: 85 DM

> Kinderrad Größe für Kinder ab fünf Jahren: 96 DM

> Kinderrad für Kinder ab sieben Jahren: 114 DM

> Kinderrad für Kinder ab neun Jahren: 120 DM

> Aufpreis für Mädchenräder (für den Rock- und Kleiderschutz zusätzlich zum Schutzblech): fünf DM

> Rennsportrad mit acht-Gang-Kettenschaltung: 222 DM

> Bei Nichtgefallen kann jedes Fahrrad innerhalb von acht Tagen zurückgesandt werden.

> Teilzahlung ist gegen Berechnung eines Zuschlags von fünf Prozent möglich, Anzahlung mit einem Drittel des Rechnungsbetrags, der Rest in sechs Monatsraten.

> Aufpreis für Straßenausstattung : 25 DM

 > Grundpreis für Fahrrad herrichten: 52 DM