Junges Team dreht im Gutacher Freilichtmuseum Foto: Wood Water Films

Junges Team dreht im Gutacher Freilichtmuseum

Ton läuft ... Und bitte!" Im Falkenhof auf dem Gelände des Gutacher Freilichtmuseums herrscht mit einem Schlag angespannte Stille. Regisseur Arto Sebastian blickt konzentriert auf den Bildschirm, der im kleineren Raum des Falkenhofs steht. Der zeigt ihm, was die Kamera im größeren Nebenraum gerade aufnimmt. Im Falkenhof wird gefilmt.

Für die Besucher ist das Gutacher Freilichtmuseum Vogtsbauernhof momentan im Winterschlaf. Trotzdem herrscht im Foyer und auf dem Gelände geschäftiges treiben. Der Falkenhof und der Vogtsbauernhof haben sich in Filmkulissen verwandelt. Studierende und Absolventen der Filmakademie Baden-Württemberg drehen hier den Spielfilm "Schneeblind". Für drei von ihnen ist der 90-Minüter ihre Diplomarbeit: Arto Sebastian, Jasper Mielke und Karoline Henkel. Die beiden letztgenannten machen mit "Schneeblind" ihr Produktionsdiplom, Arto Sebastian seins im Bereich Regie.

Kaum ist die Szene gedreht, bricht in den beengten Räumen des Falkenhofs geordnetes Chaos aus. Ein Heizlüfter rauscht wieder an. Menschen diskutieren miteinander, gehen Teile der Szene noch einmal durch. Das Set wird wieder gerichtet. Die Grüppchenbildung sorgt dafür, dass es in den Räumen noch enger wird. "Pro Drehtag sind hier 30 bis 35 Menschen zehn Stunden lang beschäftigt", erklärt Jasper Mielke. Wer nicht zu diesem Ameisenhaufen gehört und genau weiß, was er gerade zu tun hat, kann nur im Weg stehen.

Die Kamera im Nebenraum überträgt weiter ein Live-Bild des Trubels. Je weiter die Vorbereitungen für die nächste Szene fortschreiten, desto weniger Hektik zeigt dieser Bildausschnitt. Die Konzentration kehrt zurück, und als die letzen Teammitglieder wieder im Nebenraum sitzen und der Heizlüfter ausgestellt ist, herrscht in dem beengten, abgedunkelten Raum fast gespenstische Stille.

Die Einstellung, die nun aufgenommen wird, besteht aus einer Nahaufnahme: Der Oberkörper eines Manns, während er sich ein Hemd überstreift. Die Kamera zeigt Verletzungen, dem Schauspieler penibel auf den Leib geschminkt. Und das kleine Detail, auf das es in dieser Einstellung ankommt: Eine Blutgruppentätowierung.

Kammerspiel auf einem Schwarzwaldhof

"Schneeblind" spielt im Jahr 1946. "Es ist ein historisches Coming-of-Age-Drama", erklärt Karoline Henkel. Der 16-jährige, blinde Peter und sein Vater, ein ehemaliger SS-Offizier, sind auf der Flucht. Mit von der Partie ist der schwer verletzte Soldat Karl. Dessen Versprechen: Die beiden über die Schweizer Grenze zu bringen, wenn sie ihm helfen. Doch Karl stirbt. Peter und sein Vater bringen den Toten zu dessen Familie, die auf einem abgelegenen Hof im Schwarzwald lebt. Sie hoffen, dass der Vater Karls Versprechen einlöst. Ein Schneesturm zwingt sie jedoch zunächst, auf dem Hof zu bleiben. Eine Kette aus schicksalhaften Ereignissen nimmt ihren Lauf.

Team erschafft beim Drehen neue Welten

Die Innenaufnahmen dieses Kammerspiels werden im Falkenhof und im Vogtsbauernhof gedreht. Die Außenaufnahmen entstehen auf einem Hof bei Schluchsee. Der Hof, auf dem "Schneeblind" spielt, besteht also eigentlich aus drei Höfen. "Das ist ja gerade das Magische am Filmemachen", sagt Karoline Henkel. Wer Spielfilme dreht, bildet die Realität nicht einfach ab – er kann mit ihrer Hilfe neue Welten erschaffen.

Der Kontakt mit dem Freilichtmuseum sei zuerst lediglich zu Recherchezwecken entstanden, berichten die beiden Produzenten. Aber schnell sei das Museum auf die Idee gekommen, das Team während der Wintersaison auf seinem Gelände drehen zu lassen. "Dafür sind wir sehr dankbar", sagt Karoline Henkel. Auf anderen Höfen hätte es einiger Umbaumaßnahmen bedurft, bis sie ausgesehen hätten wie 1946. In den Museumshöfen hat das Team nahezu ideale Bedingungen vorgefunden. Auch mit den Mitarbeitern des Museums klappt es sehr gut. "Wir arbeiten Hand in Hand", berichten die Studenten. Die Belegschaft mache Vieles möglich und stehe ihrem Team mit Rat und Tat zur Seite.

Elfriede Moser – die "Mutti des Projekts"

Ideale Bedingungen hat das Team aber nicht nur im Freilichtmuseum vorgefunden – sondern im Grunde in ganz Gutach. Spürbar begeistert erzählen die beiden Produzenten davon, wie gut sie in den vergangenen Wochen und Monaten im Ort aufgenommen wurden. "Das Klischee vom eigenbrötlerischen Schwarzwälder haben wir noch nicht gefunden", sind sie sich einig. Besonders Elfriede Moser sei zu einer "Mutti des Projekts" geworden. Die Familie Moser, auf deren Hof Karoline Henkel und Jasper Mielke seit Beginn der Vorbereitungen leben, habe sie "quasi adoptiert". Und auch in Sachen Requisite sei Elfriede Moser eine wertvolle Unterstützung: "Wenn man etwas braucht, weiß sie, wo’s steht", loben sie. Auch der Zimmerei Gebele sind die Filmemacher dankbar. Denn das Team der Zimmerei hat für die Außenaufnahmen eine Kapelle gebaut. Sie steht am Drehort oberhalb des Schluchsees, auf etwa 1100 Metern Höhe.

Eine eher unfreiwillige Begegnung hatten die Studenten mit der freiwilligen Feuerwehr. Bei einer Feier zum "Bergfest" der Dreharbeiten sei man wohl etwas zu übermütig mit der Nebelmaschine umgegangen. Die Wehrleute, die auf den ausgelösten Feueralarm reagierten, hätten sich allerdings kulant gezeigt, erzählen Karoline Henkel und Jasper Mielke lachend.

Für drei Wochen haben die Studenten in Gutach gedreht. Nun geht es zwei Wochen zum Schluchsee, danach noch einmal eine Woche zurück zum Freilichtmuseum. Denn für einige Aufnahmen brauchen sie die Kühe des Museums. Die sind aber noch nicht in ihre Ställe auf dem Gelände zurückgekehrt.

Mit der Postproduktion wird das Team hinter "Schneeblind" bis zum Jahresende beschäftigt sein. Und danach? Mit ihrem Diplomfilm wollen die Filmemacher sich bei diversen Festivals bewerben, auch bei der Berlinale.

Karoline Henkel, Jasper Mielke und Arto Sebastian haben sich außerdem mit der Filmproduktionsfirma "Wood Water Films" selbstständig gemacht. Die nächsten Projekte stehen für die Firma bereits an.  "Wir hoffen natürlich, dass das funktioniert ", sagte Karoline Henkel. "Denn auf diese Art können wir unsere Herzensprojekte umsetzen."                             Lisa Kleinberger