An den Gymnasien wird es im kommenden Schuljahr eng Foto: dpa-Zentralbild

In den nächsten Wochen informieren weiterführende Schulen über ihre Angebote. Ob alle Eltern ihr Kind am Wunschgymnasium unterbringen, ist aber ungewiss: Es wird auch Absagen geben, weil es an manchen Schulen an Platz fehlt für zusätzliche Klassen.

Stuttgart - Im vergangenen Sommer haben 3936 Stuttgarter Grundschüler die vierte Klasse einer staatlichen Grundschule abgeschlossen. 2312 von ihnen besuchen inzwischen die fünfte Klasse eines staatlichen Gymnasiums, das sind 58,7 Prozent. 1175 Grundschüler (29,9 Prozent) wechselten in die fünfte Klasse einer staatlichen Realschule. „Berücksichtigt man, dass es inzwischen mehr Privatschulangebote gibt, sind die Zahlen sogar noch höher“, sagt Karin Korn, die Leiterin des Stuttgarter Schulverwaltungsamts.

Die Zahlen des Statistischen Landesamts, die auch Übergänge auf Privatschulen berücksichtigen, belegen dies mit geringfügig höheren Werten. Klar ist aber vor allem: Die Werkrealschulen spielen kaum noch eine Rolle, nur noch rund 450 Schüler wählten diese Schulart in Stuttgart, während sich der Trend aufs Gymnasium seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung weiter verstärkt. In Klasse acht hat es zurzeit 1991 Gymnasiasten, das sind 321 Schüler weniger als zurzeit in Klasse fünf.

Wegen des großen Ansturms musste die Stadt mittlerweile 86 Gymnasialklassen aufmachen; im Jahr 2004 waren es laut Karin Korn noch 77 Klassen. Damit sind die Kapazitäten der Gymnasien an ihren Grenzen angelangt. Die Schulverwaltung sei deshalb im Gespräch mit dem Regierungspräsidium, sagt Korn. Dabei geht es um die neuen Anmeldungen für das kommende Schuljahr und um die Genehmigung neuer Gymnasien. Dafür gibt es schon länger Absichten, und zwar in den Neckarvororten und im Innenstadtbereich.

Allein damit ist freilich nicht allen Schulen geholfen. An manchen Gymnasien „werden wir über Außenklassen sprechen müssen“, sagt Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU). Das bedeutet, dass eine oder mehrere Klassen nicht im Schulgebäude selbst unterrichtet werden, sondern in einem benachbarten Gebäude, unter Umständen in einer bis dahin geschlossenen Werkrealschule. Allerdings bietet sich diese Möglichkeit nicht an jedem Ort. „Wir haben 26 Standorte, wir werden deshalb an einigen Standorten, wo es diese Ausweichmöglichkeit nicht gibt, selbst Grenzen setzen müssen. Das heißt, dass wir nicht allen Eltern einen Schulplatz zusagen können“, macht Karin Korn die Konsequenzen deutlich.

Zurzeit erarbeitet die Schulverwaltung eine Vorlage für den Gemeinderat, die erstmals am 25. Februar in den Schulbeirat eingebracht werden soll. „Wir werden uns dort über die Außenklassen unterhalten und darüber, wo weitere Werkrealschulen wegfallen sowie über die Gemeinschaftsschulen“, sagt die Schulbürgermeisterin. Eine Korrektur der bisherigen Schulentwicklungs- und Sanierungsplanung sei nicht nötig. „Wir sind gut vorbereitet, wir müssen sie jetzt lediglich konkretisieren“, sagt Eisenmann.

Abgewiesene Schüler hat es auch unabhängig vom Wegfall der Grundschulempfehlung gelegentlich gegeben, unter anderem an der Brunnen-Realschule in Bad Cannstatt. Die Schule ist dreizügig, hat zwei Ganztagsklassen und ist deshalb sehr beliebt im Stadtbezirk. „Wir fragen die Prioritäten der Eltern ab: Legen sie Wert auf den Stadtbezirk? Oder dass Geschwister zusammenbleiben können? Eine weitere Klasse bringen wir nicht unter, deshalb müssen wir immer wieder mal Eltern abweisen“, sagt Rektorin Birgit Zink.

Auch am Hegel-Gymnasium in Vaihingen sind die Räumlichkeiten ausgereizt. „Der Ansturm ist noch nicht gebremst, und ich gehe davon aus, dass der Bedarf in ganz Stuttgart eher bei 88 denn bei 86 Klassen liegen wird“, sagt Barbara Graf, die Geschäftsführende Schulleiterin der Stuttgarter Gymnasien.

Die Heterogenität der Kinder in Realschulen wie in Gymnasien nimmt zu. Beide Rektorinnen stellen fest, dass mehr und mehr Kinder Konzentrationsschwächen haben, keinerlei Frustrationstoleranz aufbringen, in absolut unterschiedlichem Tempo lernen. Barbara Graf beobachtet zudem, dass es mehr Verhaltensauffälligkeiten gibt; dass Kinder zunehmend aggressiv sind oder autoaggressive Störungen haben. Wo einzelne Kinder überfordert sind, könne es zu einem Fall wie in Vaihingen kommen: Dort hat ein Schüler das Reden eingestellt, berichtet Rektorin Graf.

Die Rektorin appelliert deshalb an die Eltern, von ihrem Recht auf die freie Wahl der weiterführenden Schule tatsächlich auch gewissenhaft Gebrauch zu machen. „Es geht um das Glück dieser Kinder, weshalb sich Eltern wirklich gewissenhaft fragen müssen: Ist das die richtige Schulart für mein Kind?“