Nachfolger als Außenminister Österreichs könnte der erst 27 Jahre alte Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP, Bild) werden. Foto: dpa

Österreich bleibt sich treu: Eine große Koalition wird das Land in den nächsten Jahren regieren. Außenminister soll der erst 27 Jahre alte Sebastian Kurz werden.

Österreich bleibt sich treu: Eine große Koalition wird das Land in den nächsten Jahren regieren. Außenminister soll der erst 27 Jahre alte Sebastian Kurz werden.

Wien - Zuletzt ging es ganz schnell. War es die Sorge, eine gemeinsame Regierungsarbeit ausgerechnet am Freitag, dem 13., beginnen zu lassen? Jedenfalls haben sich in Österreich die sozialdemokratische SPÖ und die christdemokratische ÖVP dank einer Marathonsitzung noch am Donnerstag für eine Neuauflage ihrer Koalition entschieden.

Experten sind skeptisch, ob diese politische Verbindung unter einem günstigen Stern steht. „Das ist schon längst eine Zwangsehe, das ist auch keine Vernunftehe mehr“, sagt der Politikberater Thomas Hofer. Der Klebstoff der Zusammenarbeit sei die Alternativlosigkeit – und der Erfolg der rechten FPÖ, die inzwischen laut Umfragen die populärste Kraft in der Alpenrepublik ist.

Umso mehr muss die große Koalition, das Standard-Modell einer Regierung in der Alpenrepublik, angesichts einer lahmenden Wirtschaft und großer Finanzprobleme erhebliche Erwartungen erfüllen. „Bloß nicht weiter so“, hieß das selbstkritische und selbstauferlegte Motto zu Beginn der siebenwöchigen Koalitionsverhandlungen. Was genau herausgekommen ist, wollten SPÖ und ÖVP am Donnerstag noch nicht verraten. Beobachter gehen eher von kleinen Schritten als von einem großen Wurf aus.

So müssen sich die 8,5 Millionen Bürger zwischen Bregenz und Wien auf höhere Steuern fürs Rauchen, für Sekt und beim Autokauf einstellen. Andererseits können sich Familien wohl auf eine Anhebung des Kindergelds freuen. Die für die SPÖ brisante Frage von weiteren Privatisierungen – bei Post, Telekom Austria und beim Energieriesen OMV – wurde vertagt. Genauso ambitioniert wie aus Etatgründen dringend geboten ist die Anhebung des durchschnittlichen Renteneintrittsalters von 58,4 auf 60 Jahre. Wie das erreicht werden soll, blieb am Donnerstag noch unklar.

Parteifreunde schämten sich für misslungene Kampagne des jungen Mannes mit Gel im Haar

Immerhin kann die neue, alte Regierung unter Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vize Michael Spindelegger (ÖVP) darauf hoffen, dass sich die Zeiten sowieso bessern. Die österreichische Nationalbank rechnet nach nur 0,4 Prozent Wachstum in diesem Jahr für 2014 und 2015 mit einem spürbaren Plus von 1,6 beziehungsweise 1,9 Prozent. Viele Kommentatoren erwarten ein personelles Ausrufezeichen durch eine Rochade: Vizekanzler Spindelegger dürfte das Außenamt zugunsten des Finanzministeriums aufgeben. Nachfolger als Außenminister könnte der erst 27 Jahre alte Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) werden.

Als Kurz mit 24 Jahren Österreichs erster Staatssekretär für Integration wurde, war er wenigstens in Wien schon ziemlich bekannt. Das war kein Vorteil: Selbst Parteifreunde schämten sich für eine misslungene Kampagne des jungen Mannes mit dem Gel im Haar, der im „Geil-o-mobil“ durch seinen Heimatstadtteil Meidling tourte und die Parole „Schwarz ist geil“ unter die Jugend bringen wollte. Heute schämt sich Kurz selbst dafür. Nicht zuletzt sein Talent zu unbefangener Selbstkritik half ihm, der Party-Szene zu entwachsen. Eine erfolgreiche Kampagne für längere U-Bahn-Verkehrszeiten verschaffte ihm Respekt bei den Mächtigen in der konservativen ÖVP.

Kaum war Kurz im Amt, verstummte die Kritik an dem Nachwuchsstar. In den Runden wesentlich Älterer, in denen er sich bewegt, tritt der junge Staatssekretär bescheiden, aber entschieden auf und schafft eine ernste und sachliche Atmosphäre, der man sich nur schwer entzieht. Wer geglaubt hatte, die alte, schwerfällige Partei habe nur nach einem beliebigen jungen Gesicht gesucht, wunderte sich. Er habe „wider Erwarten eine gute Figur gemacht“, sagt Judith Schwentner, Sozialsprecherin der oppositionellen Grünen, heute über Kurz. Tatsächlich schaffte es Kurz, einige besonders arge Schikanen der österreichischen Ausländerpolitik abzuschleifen – etwa das Ausländerverbot bei der Freiwilligen Feuerwehr.

In der Partei galt der abgebrochene Jura-Student fortan als Shooting-Star und der ideale Vertreter der jungen Generation. Kurz nahm die Rolle an und forderte einen „Generationencheck“ für alle Gesetze – für die ÖVP, die auf Einsparungen bei der Rente drängt, eine passende Vorlage. Kurz-Vorschläge zur Reform des marginalisierten Parlaments wurden gelobt, dann aber höflich ignoriert. Seine viel gelobte „unverstellte“ Sprache wandelte sich rasch zum üblichen Polit-Sprech – als einen seiner Grundsätze präsentierte er den schönen Satz: „Alleine bleibt man einsam.“

Alles in allem, meint Schwentner, sei Kurz als Staatssekretär doch „sehr diplomatisch gewesen“. Die Tugend kann ihm in der neuen Funktion als jüngster Außenminister aller Zeiten nützen – konkret läuft Kurz seiner pakistanischen Amtskollegin Hina Rabbani Khar den Rang ab, die 33 war und sich zwei Jahre lang hielt.