Wohin steuert Griechenland? Alexis Tsipras bei der Stimmabgabe. Foto: dpa

Wohin will Griechenland? Das Hilfspaket, über das die Griechen am Sonntag eigentlich abstimmen sollen, ist gar nicht mehr auf dem Tisch. So wird das Referendum zur Schicksalsfrage: Will Hellas den Euro behalten - oder nicht?

Athen - In Griechenland stimmen die Bürger bei einem historischen Referendum über die Annahme oder Ablehnung der Sparforderungen der Geldgeber ab. Dabei geht es um das letzte - inzwischen hinfällige - Angebot der Geldgeber aus EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB). Der Ausgang könnte auch über die Zukunft der Regierung von Alexis Tsipras entscheiden.

Tsipras hatte dazu aufgerufen, mit Nein zu stimmen. Dies werde die griechische Verhandlungsposition stärken. "Man kann den Willen einer Regierung ignorieren, aber nicht den Willen eines Volkes", sagte er bei der Stimmabgabe am Sonntag.

"Nein" könnte Grexit nach sich ziehen

Die Opposition und die europäischen Gläubiger warnten, ein Nein werde alles noch schwieriger machen und könne ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro und sogar aus der Europäischen Union nach sich ziehen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warb klar für ein Ja.

Umfragen zufolge zeichnete sich ein äußerst knappes Rennen beider Lager ab. Tsipras hatte die Volksabstimmung zur Verärgerung der Geldgeber überraschend am Samstag vor einer Woche angesetzt. Die Verhandlungen gerieten danach in eine Sackgasse; noch zur Verfügung stehen Hilfsgelder in Milliardenhöhe für das von der Staatspleite bedrohte Land verfielen am Dienstag. Ohne neue Hilfskredite droht ein schneller Zusammenbruch der Banken und der Staatsfinanzen.

Das Votum der Bevölkerung gilt aber als wichtiges Signal für eine mögliche Wiederaufnahme der Gespräche. Mit einer schnellen Rettung können die Griechen jedoch kaum rechnen. Berlin dämpfte Hoffnungen der Regierung in Athen, zügig frische Hilfsgelder zu erhalten.

Über nennenswerte Zwischenfälle bei dem Referendum wurde zunächst nichts bekannt. Es gebe landesweit keine Probleme, teilte das Innenministerium in Athen mit. Die wichtigsten Politiker des Landes gaben am Morgen ihre Stimmen ab.

Samaras: "Ja" zu Europa

Tsipras bezeichnete die Abstimmung als einen Sieg der Demokratie. Der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras betonte hingegen: "Wir Griechen entscheiden heute über das Schicksal unseres Landes. Wir sagen ja zu Griechenland und ja zu Europa." Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos rief die Griechen zur Einheit auf. "Unabhängig vom Ausgang der Abstimmung werden wir den schweren Weg, der nach dem Referendum vor uns liegt, gemeinsam gehen müssen", sagte er.

Der Chef der aufstrebenden spanischen Protest-Partei Podemos, Pablo Iglesias, erklärte sich solidarisch mit der Regierung in Athen und warf den Geldgebern "Tyrannei" vor. Die Gläubiger versuchten den Menschen in Griechenland und auch in Spanien mit Drohungen Angst einzujagen. Er nahm damit Äußerungen des griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis auf: "Was man mit Griechenland macht, hat einen Namen: Terrorismus", sagte der.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schloss ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nicht aus. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte jedoch vor den Folgen. "Selbst wenn wir eine solche Entwicklung finanz- und währungspolitisch bewältigen können, wäre das Signal eines Grexit an die Länder außerhalb der EU verheerend", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". China, Indien und die USA beobachteten genau, ob die Europäer diese Krise meisterten.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), warf der Regierung Tsipras eine Mentalität des Alles-oder-Nichts vor. Er sei von dieser "ideologischen" Haltung "100 Prozent von Nichts ist mehr als ein Prozent von Etwas und wer ein Prozent von Etwas nimmt, ist ein Verräter an der hehren Sache" überrascht worden, sagte er dem Deutschlandfunk am Sonntag.

Eine Reihe von Bundestagsabgeordneten der Grünen und der SPD legten den Griechen in einem am Samstag in der Zeitung "Kathimerini" abgedruckten Brief indirekt nahe, mit Ja zu stimmen: "Wir wollen, dass Griechenland im Euro bleibt und unsere gemeinsame Währung nicht auseinanderbricht. (...) Wir sind überzeugt, dass wir Fehler und Ungerechtigkeiten in der bisherigen Krisenpolitik besser mit Griechenland im Euro korrigieren können."