Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) schlägt Alarm. Vorübergehende Schließungen von Abteilungen seien früher "die Superausnahmen gewesen, aber das nimmt in letzter Zeit zu". Foto: BLUR LIFE 1975/ Shutterstock

Viele Kliniken im ländlichen Raum schreiben seit Jahren rote Zahlen. Ein Überblick. Mit Kommentar

Oberndorf - Die chronische Unterfinanzierung der Krankenhäuser durch Bund, Land und Kommunen schlägt sich auch in den Zahlen nieder, die gestern die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) in Stuttgart vorlegte: Mehr als jede dritte Klinik im Südwesten kämpft mit Verlusten. Viele Kreise versuchen, mit Millioneninvestitionen gegenzusteuern, andere suchen ihr Heil in der Privatisierung. Aber nur wenige schaffen es, langfristig in der Gewinnzone zu bleiben – wie zum Beispiel Lörrach.

Lörrach

Dabei steht die Kliniklandschaft im Dreiländereck aktuell vor einem großen Umbruch. Zwar vermeldeten die Kliniken des Landkreises erst vor wenigen Tagen zum vierten Mal in Folge mit 1,7 Millionen Euro Plus ein positives Jahresergebnis, doch die Kreispolitik hat bereits mit einem Grundsatzbeschluss grünes Licht für die umfassenden strukturellen Veränderungen gegeben.

Die insgesamt vier Krankenhäuser im Landkreis Lörrach könnten in einigen Jahren zu einem verkehrsgünstig gelegenen Zentralklinikum zusammenwachsen, das dann bis zu 800 Betten aufweisen würde. Der Kreiskliniken-Geschäftsführer kalkuliert aktuell mit 35 000 Patienten jährlich, die dann von etwa 2000 Mitarbeitern versorgt werden.

Die Kreispolitik soll in den nächsten Monaten abschließend abstimmen, ob ein Zentralklinikum gewollt ist oder ein Zwei-Standorte-Modell: mit einem Krankenhaus in Lörrach und einem weiteren ohne OP-Vorhaltung in Rheinfelden oder Schopfheim. Kreisverwaltung und -politik setzen auf eine 50-prozentige Bezuschussung des grob mit "200 Millionen Euro plus x" kalkulierten Zentralklinikums. Eine Eröffnung könnte etwa in etwa acht Jahren erfolgen. Der Baustart hängt davon ab, in welches Landesförderprogramm die Lörracher gelangen.

Enthalten wäre dann voraussichtlich neben den bisher auf drei Standorte verteilten Kreiskliniken-Dienstleistungen auch das St. Elisabethen-Krankenhaus in Lörrach, das sich vor Jahren im Rahmen des "Lörracher Weges" auf die Frauenheilkunde und Geburtshilfe spezialisiert hat. Der Krankenhaus-Träger, der Orden der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul, kann sich eine Betriebsübergabe gut vorstellen, da die Zahl der Ordensschwestern immer weiter sinkt.

Mit unter das Zentralklinikum-Dach rutschen sollen auch einige Betten und Dienstleistungen im psychiatrischen Bereich, die derzeit noch in weiter Entfernung im Zentrum für Psychiatrie in Emmendingen vorgehalten werden.

Erst wenn die Bettenzahl und damit die Größe des Kreisklinikums feststeht, werde die Standortfrage geklärt, hieß es zuletzt von Seiten des Kreises und der Klinikspitze. Lörrach wird dabei als Favorit gehandelt. "Wir haben auch noch kein Grundstück reserviert", erklärte Landrätin Marion Dammann.

Einen teilweisen Finanzierungsausfall für den laufenden Betrieb kritisierte Kliniken-Geschäftsführer Armin Müller jüngst bei der Vorstellung der Jahreszahlen. So sei der Landesbasisfallwert lediglich um 1,4 Prozent gestiegen. Dieser bildet die Grundlage für die Vergütung von Krankenhausleistungen. "In dieser Hinsicht macht es keinen Spaß, Krankenhaus in Baden-Württemberg zu sein", meinte Müller. Stets betont er auch, dass der Spagat zwischen guter medizinischer Versorgung einerseits und Bezahlbarkeit andererseits gelingen müsse, um den Betrieb nachhaltig zukunftsfähig zu machen.

In diesem Zusammenhang musste sich Müller bereits vor dem Bundesarbeitsgericht verantworten. Es ging um die via Kliniken-Tochter Data-Med praktizierte Leiharbeit, für die nun ein neues "Gemeinschaftsunternehmen" eingerichtet wird. Mit diesem ist die Leiharbeit nun begrenzt weiter möglich, doch sie wird, wie vom Gesetzgeber gewünscht, deutlich zurückgefahren. Damit werde die Leiharbeit rechtlich sauber geregelt.

Rottweil

Dagegen ist der Landkreis Rottweil 2011 ganz aus dem Krankenhauswesen ausgestiegen, die Schramberger Klinik wurde in diesem Zug geschlossen, mit Helios im Rottweiler Haus ein auf Gewinn zielender privatwirtschaftlicher Betreiber ans Ruder gelassen. Durch den Deal entledigte sich der Landkreis Rottweil seiner von ihm mit hohen jährlichen Millionenverlusten betriebenen Gesundheits GmbH.

Das Rottweiler Krankenhaus, das auch für Patienten außerhalb des Kreisgebiets eine kompetente Anlaufstelle sein will, steht seither unter besonderer Beobachtung. Wohl auch, weil in der Bevölkerung die Etikette "Gewinn erzielen müssen" im Widerspruch zu Qualitätsmedizin und einer patientenfreundlichen Versorgung zu stehen scheint.

Der Rottweiler Helios-Geschäftsführer Marcel Koch spricht heute von einem hohen Grad der Akzeptanz für das Rottweiler Krankenhaus. Im Zuge der Übernahme hatte sich Helios verpflichtet, den verbliebenen Standort Rottweil für 25,5 Millionen Euro zu modernisieren. Die umfangreiche Erneuerung ist demnächst abgeschlossen.

Fast zeitgleich mit dem Rottweiler Kreiskrankenhaus wurde auch das städtische Krankenhausin der Nachbarstadt Oberndorf privatisiert. Eine Umsatzrendite von einem bis zwei Prozent erwirtschaftet das SRH Krankenhaus seit Jahren, so dessen Geschäftsführer Harald Glatthaar. Für die Stiftung stehe der Gewinn nicht an erster Stelle. "Wir haben das Glück, dass die Entwicklung für Oberndorf seit Jahren positiv ist."

Schwarzwald-Baar

Unter massivem Kostendruck trotz Synergieeffekten durch einen Neubau steht das Schwarzwald-Baar-Klinikum Villingen-Schwenningen GmbH. "Wir müssen jedes Jahr eine Million Euro besser werden, um den gleichen Stand zu erreichen": So formulierte es Geschäftsführer Mathhias Geiser im vergangenen Jahr bei der Vorstellung des Geschäftsberichts 2014. Obwohl das in kommunaler Trägerschaft betriebene Klinikum, eines der größten im Land, 2014 eine Steigerung der Fälle von 3,3 Prozent und der "Casemix-Fälle" von 5,6 Prozent sowie höhere Erlöse aus stationären Aufenthalten habe, schließe das Jahresergebnis mit einem Minus. Immerhin war es gelungen, das Ergebnis des Jahres 2013 zu halbieren. Damals schloss die Jahresrechnung des Klinikums mit einem Bilanzverlust von ungefähr fünf Millionen Euro. Dieser war vor allen Dingen mit höheren Kosten für Umzug in einen Neubau und Inbetriebnahme des neuen Klinikums zwischen Villingen und Schwenningen begründet. Zuvor hatte das Schwarzwald-Baar-Klinikum jahrelang schwarze Zahlen geschrieben.

Stadt Villingen-Schwenningen und Landkreis Schwarzwald-Baar hatten sich nach jahrelangen Verhandlungen dennoch frühzeitig geeinigt, ihre Krankenhäuser zu vereinigen und mit einem beträchtlichen Zuschuss des Landes den Neubau für insgesamt 281 Millionen Euro in die Wege zu leiten. Geschäftsführer Geiser hatte bereits im Vorfeld der Krankenhausreform des Bundes im vergangenen Jahr kritisiert, dass die aktuellen Probleme dadurch nicht gelöst werden. Beispielsweise sei die ambulante Notfallversorgung völlig unterfinanziert, obwohl die Krankenhäuser in der Bevölkerung zunehmend als generelle Anlaufstelle betrachtet würden. Das bedeute für das Schwarzwald-Baar-Klinikum ein jährliches Millionen-Defizit. Außerdem könnten bei der Betriebskostenfinanzierung keine tarifbedingt steigenden Lohn-kosten berücksichtigt werden; die Kliniken könnten diese Kosten nicht auf die Preise umlegen. Durch das neue Gesetz drohe eine Verschärfung der Rahmenbedingungen.

Zollernalb

Auch das Zollernalb-Klinikum mit den beiden Standorten in Albstadt und Balingen gehört zu der Gruppe von Krankenhäusern, die Verluste machen. 2014 belief sich das Minus aus dem laufenden Betrieb auf annähernd vier Millionen Euro, für 2015 wird ein Defizit in ähnlicher Größenordnung erwartet. Träger des Klinikums ist der Landkreis Zollernalb. Angesichts der regelmäßigen deutlichen Verluste sowie steigender Anforderungen an die medizinischen Leistungen hat der Kreistag im Sommer 2015 ein Gutachten in Auftrag gegeben, auf dessen Grundlage die künftige medizinische Konzeption erarbeitet werden soll.

Schon vor der Veröffentlichung hat das Gutachten eine intensive Diskussion über die Zukunft des Zollernalb-Klinikums ausgelöst: Im Raum Albstadt war und ist die Befürchtung groß, dass das dortige Krankenhaus geschlossen werden und damit die bisher wohnortnahe Klinikversorgung der größten Stadt im Kreis zur Disposition stehen könnte. Der Albstädter Gemeinderat gab deswegen ein Gegengutachten in Auftrag – das indes zum selben Ergebnis kommt wie das des Landkreises: Auf lange Sicht mache aus betriebswirtschaftlicher und medizinischer Sicht nur der Bau eines neuen Zentralklinkums Sinn. Die Debatte über die Zukunft des Zollernalb-Klinikums ist mittlerweile in vollem Gange. Entscheidend ist dabei neben den lokalpatriotischen Befindlichkeiten vor allem der finanzielle Aspekt: Ohne Förderung durch das Land wäre ein Zentralklinikum nicht zu stemmen – dabei hat das Sozialministerium den Um- und teilweisen Neubau der beiden Krankenhäuser in den vergangenen Jahren bereits großzügig unterstützt. So flossen in den erst im November 2015 eingeweihten, insgesamt 90 Millionen Euro teuren Neubau am Standort Balingen 30 Millionen Euro Landesmittel.

Calw

Auch im Kreis Calw schreiben die Kliniken in Calw und Nagold weiter rote Zahlen. Damit sich das mittelfristig ändert, hat man sich unter Beteiligung der Bevölkerung auf den Weg der Reform gemacht. Diese Reform, die auf einem Gutachten der Firma GÖK aus Berlin fußt, sieht vor, mit Zuschüssen des Landes in Calw einen Neubau mit rund 120 Betten für die Grund- und Regelversorgung sowie die neurologische Schwerpunktversorgung zu errichten, während der Standort in Nagold aufwendig saniert werden soll. In dem 270-Betten-Haus in Nagold soll dann die Grund- und Spezialversorgung im Kreis erfolgen. Dafür sind Gesamtinvestitionen in Höhe von rund 75 Millionen Euro vorgesehen. Diese Pläne sind eingebettet in das Medizinkonzept des Klinikverbunds Südwest, zu dem die Kliniken des Kreises Calw gehören, das unter anderem den Neubau einer großen Klinik auf dem Flugfeld zwischen Böblingen und Sindelfingen vorsieht. Kostenpunkt: rund 450 Millionen Euro.

Freudenstadt

Ein dickes Minus schreibt ebenso die Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH (KLF). 2014 und auch 2015 lag das Defizit bei minus 8 Millionen Euro. Mit der Schließung der Akut-Klinik in Horb hatte man versucht, das Ergebnis zu verbessern. Doch der Effekt blieb aus. Die nächste Mammutaufgabe steht dem Landkreis und der KLF bevor: ein Neubau oder Teilneubau. Letztere Variante wird von der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat befürwortet, um das neue Medizinische Versorgungszentrum und den Hubschrauberlandeplatz weiter nutzen zu können. Der Kreistag soll darüber noch vor der Sommerpause abstimmen.

Insgesamt würden dann wohl Kosten von 100 Millionen Euro entstehen, die Häfte soll durch Zuschüsse abgedeckt werden. Eine Privatisierungsdebatte versucht die KLF-Geschäftsführung im Keim zu ersticken: Diese würde den Landkreis aktuell viel Geld kosten.

Kommentar: Kein Königsweg

Von Roland Buckenmaier

Das Krankenhaus als eierlegende Wollmilchsau: wohnortnahe Rundumversorgung,   Koryphäen  im OP, modernste Ausstattung  – und   unterm Strich ein dicker Gewinn.   Doch die   Wirklichkeit im Land sieht anders aus: Mehr als jede  dritte Klinik  im Südwesten   schreibt rote Zahlen.  Das spiegelt sich gerade im ländlichen Raum wider:   Calw, Freudenstadt, Schwarzwald-Baar und Zollernalb – alle in den Miesen. Und es gibt keinen Königsweg  aus dem Dilemma.    Auch Gigantismus nicht.  Die Kommunalpolitiker sollten sich nichts vormachen: Ein   teures Zentralklinikum ist nicht unbedingt Garant für sprudelnde Gewinne, wie das Beispiel  Baar zeigt.   Angesichts des   Ärztemangels  auf dem Land  werden die Kliniken     ohnedies   bald  einen ganz anderen Stellenwert einnehmen. Die Verluste mögen  weh tun, aber  sie sind zugleich als  Sicherung der Standortqualität schier alternativlos.