Pfarrer Christian Würtz (von links) stellte den Vertretern des Historischen Vereins für Mittelbaden, Alexander Vallendorf, Klaus Kaufmann und Martin Ruch für die Präsentation der 95. Ausgabe der "Ortenau" den Prälatenturm in Gengenbach zur Verfügung. Foto: Deckert

Dokument gibt neue Einblicke. "Es wurden Männer und Kinder verbrannt". Auch Nazis sammelten Informationen.

Ortenau - Das Thema Hexenverbrennung wird vor allem in Romanen oft verklärt und romantisch dargestellt. Licht ins kirchen- und gesellschaftspolitisch dunkle Zeitalter soll die neue Ausgabe der "Ortenau" des Historischen Vereins für Mittelbaden bringen.

"Damals sind fürchterliche Sachen passiert", fasst es Martin Ruch, Redakteur der "Ortenau" zusammen. "Aber es gibt bis heute auch fürchterliche Meinungen über das 16. und 17. Jahrhundert." Denn: Es wurden nicht wie in vielen Romanen beschrieben die attraktiven Frauen von einem Scharfrichter mit Kapuze und Beil in der Hand umgebracht, sondern oft waren es die Frauen, die am Rande der Gesellschaft lebten. Und: "Es wurden auch Männer und Kinder verbrannt", betonte Ruch. "Und zwar mehr, als man gemeinhin annimmt." In manchen Orten des heutigen Ortenaukreises seien 20 bis 30 Prozent derjenigen, die verbrannt worden sind, zwischen zehn und 13 Jahre alt gewesen. In Oppenau waren es beispielsweise zwischen 1629 und dem 12. Dezember 1631 zehn Männer, die ermordet wurden.

Einblicke in die Zeit und das Denken der Menschen geben unter anderem wiedergefundene Ratsprotokolle der Stadt Offenburg aus der Anfangszeit des 17. Jahrhunderts. Sie galten lange Zeit als verschollen und wurden in die 95. Ausgabe der "Ortenau" jetzt verarbeitet. Auf dem roten Buchumschlag sind diesmal drei Fotos von Glasscheiben zu sehen. Es sind Ausschnitte von Ratsscheiben aus Oppenau, auf denen drei Räte und ihre Frauen zu sehen sind. Drei der sechs Abgebildeten wurden Opfer der Hexenprozesse.

Auch die Nazis sammelten Dokumente über Hexenprozesse

Frank Flechtmann nahm sich Heinrich Himmlers fast in Vergessenheit geratener Hexenkartothek an. Der Nationalsozialist hatte, wohl um der katholischen Kirche eins auszuwischen und den Glauben in Verbindung mit Hexerei zu bringen, Akten und Geschichten über Hexen und die Prozesse gegen die unter dem Verdacht der Hexerei stehenden Menschen, in der Hexenkartothek zusammentragen lassen. Elf Beiträge befassen sich mit dem diesjährigen Thema – 22 Artikel sind freiverfasst und befassen sich unter anderem mit den Ettenheimer Gärten, mit dem Abt Paulus von Gengenbach und seiner Tätigkeit als Komponist, Erinnerungen an Familie Bodenheimer aus Durbach, dem wiedergefundenen Wiegendruck aus der Abtei Gengenbach, Inflation und Notgeld in Schiltach, Otto Walther – dem Begründer des Rehabilitationswesens in Nordrach und noch vielem mehr.

Wer sich mit den in verständlicher Sprache verfassten Beiträgen auseinandersetzen möchte, kann die "Ortenau" beim Historischen Verein für Mittelbaden kaufen. Weitere Informationen dazu gibt es online unter www.historischer-verein-mittelbaden.de. Wer aus den Bänden zwischen 1910 und 2009 etwas wissen möchte, kann sich online unter http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau die digitalisierte Version der "Ortenau" anschauen.

Die 96. Ausgabe des Jahrbuchs, die im kommenden Jahr erscheinen wird, wird sich mit dem Thema "Unterwegs: Zu Wasser, zu Lande und zu Luft. Aus der Geschichte der Verkehrswege" beschäftigen.