Geislinger Ortsgeschichte vor der Haustüre (5): Auf Binsdorfer Gemarkung stand einst eine Kelter

Von Wolf-Ulrich Schnurr

Geislingen-Binsdorf. Über die Binsdorfer Loretokapelle wurden buchstäblich schon Bücher geschrieben. Weniger bekannt ist, dass entlang des Wegs zum Kesselberg einst Wein angebaut wurde.

Einen sichtbaren Hinweis darauf gibt ein 1990 von Hildegard Polzin gestifteter Bildstock östlich des Loretosträßles: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben" aus Johannes 15 steht in Sandstein gemeißelt zu lesen, mit dem Zusatz: "St. Urban, bitte für uns."

Papst Urban I. gilt der katholischen Kirche als Schutzpatron der Winzer. In Binsdorf wurden bis in die frühe Neuzeit hinein Urbansfeste gefeiert. Dabei zogen jährlich am 25. Mai Prozessionen mit Kreuz und Fahne durch die örtlichen Weinberge. Das letzte dieser Feste ist aus dem Jahr 1625 belegt.

Die historische Nutzung wird auch aus Geländenamen deutlich: Das Gebiet zwischen Loretosträßle und Keinbach heißt "Rebweinberg", nordöstlich von Loreto lag einst der "Neue Weinberg". In diesem Gebiet stand früher eine Kelter. Der Weinbau in Binsdorf wurde im 30-jährigen Krieg um das Jahr 1630 aufgegeben.

Wem die Weinberge damals gehörten und wie der Binsdorfer Wein schmeckte, ist nicht überliefert. Doch falls die Sommer in Zukunft durchschnittlich so warm bleiben wie in diesem Jahr, dann könnten die Binsdorfer Hänge vielleicht bald wieder als Weinberge genutzt werden.

Anfangs- und Endpunkt des wenige 100 Meter langen Wegs bilden die beiden Binsdorfer Kapellen. Vom Ort aus gesehen der Start, stellt der Friedhof mit der katholischen Kapelle St. Michael selbst ein Kapitel Ortsgeschichte dar. Zwischen 1788 und 1926 wurden die Binsdorfer Toten auf einem Begräbnisplatz westlich der damaligen Ortsgrenze bestattet – dem Gelände des heutigen Kindergartens Regenbogen. Im Mai 1925 wurde mit dem Bau des heutigen Friedhofs im Gewann "Röte" begonnen.

Auch die Michaelskapelle entstand damals. Ihr Altarbild zeigt den Erzengel Michael, der die Toten ins Jenseits führt. Gemalt wurde dieses im Winter 1927 von dem Kunstmaler August Blepp aus Weilen unter den Rinnen.

Dass dieses noch heute schön anzuschauen ist, ist nicht zuletzt dem am 21. Oktober 1997 gegründeten Förderverein Loreto- und Friedhofskapelle Binsdorf zu verdanken. Dieser setzte sich nicht nur für die Renovierung des durch Feuchtigkeit geschädigten Innenraums ein, sondern war auch an der Sanierung der Friedhofsmauer (2008/2009) und des Glockenturms (2013) beteiligt.

Der Förderverein kümmert sich auch um die Instandhaltung der Loretokapelle. Deren umfangreiche Sanierung des Gebäudes fand zwischen 1997 und 2001 statt.

u  Wie kommt man dorthin? Vor dem Ortsausgang Richtung Heiligenzimmern zweigt von der Kreisstraße 7122 rechts die Friedhofsallee ab. Nach 280 Metern steht linkerhand die Friedhofskapelle St. Michael. Folgt man dem Fahrweg weiter, mündet dieser ins Loretosträßle. Man biegt halblinks ab; rechterhand erstreckt sich jetzt das Gebiet Rebweinberg. Nach 350 Metern erreicht man den Parkplatz unter Loreto. Von dort führt der Kreuzweg durch den Wald die letzten 270 Meter zu Fuß hinauf zur Loretokapelle.