Kennt die Orts-Geschichte: Gerhard Mozer. Foto: Wagener Foto: Schwarzwälder-Bote

Ein Blick auf 150 Jahre Kinderbetreuung in Binsdorf / Sonntag werden neue Räume im "Regenbogen" eröffnet

Von Fabian Wagener

Geislingen-Binsdorf. Die neuen Räume im Binsdorfer Kindergarten werden am Sonntag feierlich eingeweiht. Damit wird die Geschichte der Einrichtung um ein weiteres Kapitel fortgeschrieben. Grund genug, einmal zurückzublicken – auf rund 150 Jahre Kinderbetreuung in Binsdorf.

Wer mehr erfahren will über die Geschichte der Kinderbetreuung in Binsdorf, der ist bei Gerhard Mozer genau richtig. Mozer ist in Binsdorf geboren, war sechs Jahre lang Ortsvorsteher, Teile seiner Familie wohnen seit Generationen in dem Geislinger Ortsteil. Und für die in diesem Jahr erscheinende Binsdorfer Ortschronik hat er sich intensiv mit der Historie der örtlichen Kinderbetreuung befasst: "Es ist richtig spannend zu sehen, wie sich das alles im Laufe der Zeit entwickelt hat", sagt Mozer.

Während seiner Recherchen wälzte Mozer Akten, las Protokolle, alte Ortschafts- und Stadtratsbeschlüsse. Und beim Stadtarchivar Alfons Koch hat er eigens einen Schnellkurs in Altdeutsch gemacht: "Damit ich die alten Texte auch verstehe."

Von einer Kinderbetreuung in Binsdorf wird erstmals in einem Dokument aus dem Jahr 1878 gesprochen, verrät Mozer. Unter der Bezeichnung "Kleinkindpflege" wurden die Kinder von Ordensschwestern aus Reute betreut, in Räumen des alten Klosters.

Ein Bericht aus dem Jahr 1894 gibt Aufschluss über das, was man heute Betreuungsschlüssel nennt: 35 Knaben und 35 Mädchen kamen regelmäßig in die Einrichtung, zuständig für die Betreuung war nur eine Schwester, täglich sechs Stunden. "Früher waren die Dinge etwas anders", sagt Mozer und lacht.

Bemerkenswert: Im Sommer besuchten schon Kinder ab eineinhalb Jahren den Kindergarten im Kloster, zur Entlastung der Eltern, wie Mozer erklärt: "Die mussten zum Arbeiten aufs Feld."

Wie für ganz Binsdorf war der verheerende Stadtbrand 1904 auch für den Kindergarten ein einschneidendes Ereignis. Zwar blieb das Kloster unbeschädigt, dennoch wurden Kinder und Betreuer für ein Jahr im Geislinger Schloss untergebracht. "Der Kindergarten zog wohl vorübergehend um, weil die gesamte Infrastruktur im Ort zusammengebrochen war", vermutet Mozer. "Die Eltern waren beim Wiederaufbau gebunden."

"Beim Bau hat manSkelette gefunden"

Wann und warum aber verließ man die Räume im Kloster und baute einen neuen Kindergarten? Mitte des 20. Jahrhunderts zeigten sich in den Klosterräumen mehr und mehr Mängel. Es gab nicht genügend Sanitäranlagen, im Winter fehlte Beleuchtung. So entschloss sich 1953 der Gemeinderat für einen Neubau. Die Kosten damals: knapp 130 000 Mark. Und einen passenden Ort hatte man rasch gefunden: den ehemaligen Friedhof.

"Warum sich die Räte für diesen Bauort entschieden, weiß ich nicht", sagt Mozer. Durch Gespräche mit Zeitzeugen aber hat er etwas anderes herausgefunden: "Beim Bau des Kindergartens hat man tatsächlich Skelette gefunden und ausgegraben."

Als Landrat Friedrich Roemer und Stadtpfarrer Theodor Streble am 19. Dezember 1954 den Neubau in der Turmstraße einweihten, war von diesen nichts mehr zu sehen. Mit dem Neubau wurde eines neues Kapitel in der Geschichte der Kinderbetreuung in Binsdorf eingeleitet. Und am kommenden Montag kommt ein weiteres hinzu, wenn der "Regenbogen" seine Türen erstmals für Kinder ab einem Jahr öffnet. Das ist auch für Gerhard Mozer ein Grund zur Freude: "Wie sich der Kindergarten entwickelt hat, ist schon genial."