Timo Scherer (links) und Johannes Schittenhelm sind zwei der drei Binsdorfer Jugendräte, die Verantwortung für den traditionsreichen Treffpunkt übernommen haben. Foto: Schnurr Foto: Schwarzwälder-Bote

Junge Leute aus Binsdorf betreiben Jugendraum in der Schule in Eigenverantwortung / Schließung wäre "zu kurz gedacht"

Von Wolf-Ulrich Schnurrund Fabian Wagener

Geislingen-Binsdorf. Im Obergeschoss der Binsdorfer Grundschule gibt es seit vielen Jahren einen selbstverwalteten Jugendraum. Für die Jugendlichen aus dem Ort ist dieser ein wichtiger Treffpunkt.

Johannes Schittenhelm (17), Timo Scherer (16) und Moritz Stehle (18) haben seit den Sommerferien gemeinsam die Schlüsselhoheit über den Jugendraum. Sie knüpfen damit an eine lange Tradition an: Schon die Generation ihrer Eltern kannte den Treff.

Billard oder Tischkicker wird in dem gemütlichen Raum gespielt, Musik gehört – vor allem aber bietet er die Möglichkeit, Gleichaltrige zu treffen und miteinander zu reden. Heranwachsende brauchen solche Freiräume: "Das Wichtigste ist, dass man sich sieht und miteinander schwätzen kann", findet Tim: "Nicht nur übers Handy. Man muss sich sehen können." Johannes ergänzt: "Es ist einfach etwas anderes, wenn man direkt miteinander spricht."

Das Besondere am Binsdorfer Jugendraum: Es gibt weder einen festangestellten Jugendarbeiter noch Erwachsene eines Vereins oder der Kirchengemeinde, die nach dem Rechten schauen würden. Die jungen Leute organisieren Öffnungszeiten und laufenden Betrieb in Eigenverantwortung. Sie schauen, dass aufgeräumt und geputzt wird, und besorgen Getränke. "Das funktioniert, das ist ein großer Zusammenhalt", sagt Timo. Für die Kosten von Heizung, Wasser und Strom kommt die Stadt Geislingen auf.

Üblicherweise zwei Mal pro Woche, freitags und samstags, ist der Jugendraum von 19 bis 24 Uhr geöffnet. Ein Dutzend oder mehr Besucher zwischen 15 und 18 Jahren kommen dann normalerweise – neben Binsdorfern auch Jugendliche aus Erlaheim oder Rosenfeld.

Wenn gefeiert wird, können es auch mal mehr als 20 Gäste sein. Doch das kommt selten vor – zuletzt an Silvester. Nach dieser Party beschwerte sich ein Anwohner beim Ortschaftsrat (wir berichteten). Nur: Dass das Gremium diskutierte, ob der Jugendraum geschlossen werden soll, davon haben die Jugendräte erst aus dem Schwarzwälder Boten erfahren.

"Ich bin zu Tode erschrocken", sagt Timo. Seit Silvester sei niemand auf sie als Verantwortliche zugekommen: "Man hat doch unsere Telefonnummern?", wundern sich die Jugendräte.

"Silvester war eine lange Nacht", sagt Johannes, "aber um 9 Uhr war der Erste da und hat den Hof gefegt." Und schon um die Mittagszeit waren die drei Organisatoren mit einer Helferschar selbst im Gebäude und haben alles feucht gewischt.

Dass einer der Partygäste sich in einen angrenzenden Garten übergeben hat, "geht überhaupt nicht", steht für sie außer Diskussion. Im Nachhinein haben sie den Jugendlichen deswegen schriftlich ermahnt. Aber hätte man beizeiten mit ihnen gesprochen, hätten sie auch die betroffene Stelle gereinigt. "Mit uns kann man ganz normal reden."

Für Ärger hat außerdem Lärm gesorgt. Das können eigentlich nur die Motorräder gewesen sein, sind die Jugendräte überzeugt. Denn laute Musik höre man auf der Straße vor der Grundschule nicht – "das schallt ins Tal hinunter", sagt Timo, und die Fenster blieben zu, wenn Musik laufe.

Die Raucher unter den Gästen hat Johannes zur Ruhe ermahnt, wenn diese vor die Tür gingen. Und um Mitternacht sei man gemeinsam auf der Hinteren Gasse gestanden, wo die Volljährigen mit einem "Kurzen" anstießen – Spirituosen sind im Schulgebäude verboten. Die Schnapsflasche sei nicht zersplittert auf dem Boden gelandet, sondern ordentlich im Mülleimer.

"Wir hatten den Eindruck, als hätten wir die Party gut über die Bühne gebracht", sagt Johannes. Die mit dem zeitlichen Abstand von drei Wochen auf Umwegen eingegangene Beschwerde hat die Stimmung im Binsdorfer Jugendraum getrübt: Es kamen spürbar weniger Besucher. "Es wäre schon von Vorteil, wenn man uns Bescheid gäbe", findet Timo. "Sonst können wir nichts ändern."

Nach dem Zeitungsbericht am Donnerstag kam am Freitagmorgen auch eine E-Mail mit der Einladung an die Jugendräte, die Situation mit Ortsvorsteher Hans-Jürgen Weger zu besprechen. Er sagt: "Wir haben in Binsdorf keine schlechte Jugend."

Weil es aber bereits im September eine Beschwerde wegen Ruhestörung gegeben habe, könne der jüngste Vorfall nicht ohne Konsequenzen bleiben. Während der Fasnet bleibt der Jugendraum auf Beschluss des Ortschaftsrats daher vom 8. bis 17. Februar zu. Der Antrag, den Treffpunkt dauerhaft zu schließen, war hingegen schnell vom Tisch.

Das wäre aus Sicht der Jugendräte auch der völlig falsche Weg. Für Johannes Schittenhelm sind die Alternativen klar: "Wir können hier drin was machen und selbst danach schauen, dass aufgeräumt wird. Oder es ist halt wie in Stuttgart, dass die Jugendlichen mit dem Bier an der Bushaltestelle sitzen und Dreck hinterlassen."

Timo Scherer sagt, der Raum sei ja nicht nur ein Platz, um sich zu treffen. "Wir haben hier auch eine Aufgabe. Wir schauen nach dem Raum, putzen und reparieren, wenn etwas kaputt geht." Und in der Gemeinschaft herrsche eine Art Gruppenzwang, Verantwortung zu übernehmen: Beim Putzen und Aufräumen mache fast jeder mit.

Deswegen wäre eine Schließung des Binsdorfer Jugendraums laut Johannes schlicht "zu kurz gedacht. Denn es ist einfach nicht wahr, dass ›die Jugendlichen von heute‹ nichts Sinnvolles machen."

Bliebe der Jugendraum zu, würde die bestehende Gruppe getrennt. "Dann sitzen wir am Freitagabend alle zuhause", sagt Timo. "Das wäre ein riesiges Loch."

Vor allem die Jüngeren ohne Führerschein hätten dann kaum eine Möglichkeit, Freundschaften zu pflegen. Insbesondere neu Hinzugezogene fehle dann womöglich der Kontakt zu Gleichaltrigen. Timo weiß, wovon er spricht: Er ist vor zweieinhalb Jahren aus Ebingen nach Binsdorf gezogen. Und sowas wie den selbstorganisierten Jugendraum gab es in der Großen Kreisstadt nicht.