Brauchtum: Seit zehn Jahren lassen drei Männer an Fronleichnam Banner vom Binsdorfer Kirchturm wehen

Von Wolf-Ulrich Schnurr

Aus den höchsten Luken des Turms der katholischen Kirche St. Markus werden an Fronleichnam wieder weiß-gelbe Fahnen wehen. Diesen Brauch pflegen seit zehn Jahren die Binsdorfer Heinz Bonaus, Guido Schweizer und Andreas Schreijäg.

Geislingen-Binsdorf. Als 2005 die Glocken von St. Markus neue Motoren erhielten, half Schreijäg bei der Demontage der alten – und entdeckte dabei im Raum unter der Turmspitze mehrere überlange Fahnenstangen. Von älteren Binsdorfern erfuhr er: Dort wurde 1945 die weiße Fahne gehisst, als von Gruol her die Franzosen einmarschierten. Doch früher sei vom Turm zu Fronleichnam geflaggt worden.

"Da hat’s mich bitzelet", sagt der heute 36-jährige Schreinermeister schmunzelnd. Den 58-jährigen Bonaus und den 52-jährigen Schweizer hat er mit dem "Bitzeln" angesteckt. Sie machten sich auf die Suche nach den dazugehörigen Fahnen.

Diese fanden die Männer bald: Vermutlich jahrzehntelang hatten sie in einer Schublade in der Sakristei gelegen. Die Säume waren erkennbar länger als jene der Fahnen, die vor der Kirche beim Fronleichnamsalter aufgestellt werden – und passten nach einigen Schneiderarbeiten auch wieder problemlos über die Fahnenstangen. Schweizer sorgte für elektrisches Licht in dem dunklen Raum über den Glocken und richtete die Halterungen – alles war bereit.

2006 sind die drei dann erstmals gemeinsam im Turm hinaufgestiegen. Seither waren sie jedes Jahr an Fronleichnam oben, um die Fahnen aus den höchsten Turmfenstern zu hängen: Eine gen Süden, in Richtung Rom, eine gen Norden.

"Das Timing ist wichtig", erklärt Guido Schweizer: Um 6.25 Uhr treffen sie sich unten am Kirchportal. Während die halbe Stunde geschlagen wird, geht es eilig hinauf in den Raum über dem Glockenstuhl. Innerhalb einer Viertelstunde müssen die Fahnen hängen. Denn alle 15 Minuten erklingen die Glocken von St. Markus – ein bis vier Hammerschläge ertönen. "Am Anfang sind wir bös’ verschrocken", erinnert sich Schweizer.

Spätestens wenn die größte, mehr als einen Meter durchmessende Dreifaltigkeitsglocke schwingt, muss die schmale Alu-Leiter, die hinauf zur Luke in den Turmhelm führt, wieder entfernt sein. Sonst würde sie wohl umgestoßen, und die drei "Fahnenjunker" wären in luftiger Höhe gefangen. Passiert ist aber noch nie etwas: "Es war bisher immer Gottes Segen dabei", sagt Heinz Bonaus.

Nur eine kurze Zeit bleibt den Dreien oben, um einen Blick aus den Luken zu werfen. "Da genießt man die Aussicht", sagt Heinz Bonaus. Er bringt auch das "Turmwässerle" mit: Ein Schlückchen Obstler trinken sie, wenn die Fahnen gerade hängen.

Bis um 8 Uhr der Festgottesdienst beginnt, haben die drei Männer dann noch Zeit, sich sauber anzuziehen. Probleme macht mitunter der Wind, wenn er etwa die Stoffbahnen um die Stangen schlingt. Falls nötig, steigen die drei nach der Prozession noch einmal empor und bringen das wieder in Ordnung. Abends um 18.30 Uhr wiederholt sich die Prozedur, und die Fahnen werden vom Turm geholt.

Warum sie diesen Brauch seit zehn nunmehr Jahren pflegen? "Man tut’s gern", sagt Andreas Schreijäg, und die beiden älteren Binsdorfer nicken zustimmend: Das sei, wie das "Himmeltragen" bei der Prozession, eine Familientradition.