Claus Boser, Vorsitzender des Fördervereins Loreto- und Friedhofskapelle Binsdorf, kennt sich mit der Geschichte des Kreuzwegs gut aus. Zwischen 1875 und 1879 wurde dieser von sieben auf 14 Wegstationen ausgebaut. Foto: Schnurr Foto: Schwarzwälder-Bote

Ortsgeschichte vor der Haustüre (9): Seit 1737 führt ein Kreuzweg hinauf zur Binsdorfer Loreto-Kapelle

Von Wolf-Ulrich Schnurr

Geislingen. 14 Stationen führen den Kreuzweg hinauf zur Loretokapelle bei Binsdorf, jede von ihnen mit einer lateinischen Zahl nummeriert. Doch der Steinmetz, der die Ziffern einst schlug, beherrschte womöglich kein Latein.

Die Kapelle hat der Sage nach der Gruoler Kaspar Seger 1627 errichtet. Der Kreuzweg entstand hingegen erst 1737 – und damals standen ihm entlang nur sieben Stationen, die die Passion Jesu Christi darstellten.

Ursprünglich hatten die Figuren darin beim hohenzollerisch-hechinger Kloster St. Luzen gestanden. Die Binsdorfer "Kirchenfabrik" – vergleichbar dem heutigen Kirchengemeinderat – finanzierte ihren vom damaligen Pfarrer Franz Schwenk angeregten Kauf. Der Sulzer Oberforstrat Kuno Otto Graf zu Üxküll legte in der ersten Häfte des 19. Jahrhunderts den heutigen Pfad hinauf auf Loreto an – entlang der ursprünglichen sieben Stationen

Zwischen 1875 und 1879 wurde der Kreuzweg, wie andernorts schon lange üblich, auf 14 Stationen ausgebaut. 100 Mark pro Bild bekam der Bildhauer Wolf aus Horb, rund 300 Mark erhielt die Kirchengemeinde an privaten Spenden für ihr Vorhaben.

Erneut waren es Binsdorfer Steinmetze, die aus dem Schilfsandstein der örtlichen Steinbrüche das Material für die Kreuzweghäuschen lieferten. Die dank regelmäßiger Pflege bis heute zu erkennende Nummerierung an drei Stationen des Kreuzwegs entspricht allerdings nicht der korrekten Schreibweise römischer Zahlen: Statt IV, IX und XIV für die Zahlen 4, 9 und 14 hat der ausführende Steinmetz damals IIII, VIIII und XIIII in die Bögen geschlagen.

Wer damals der ausführende Handwerker war, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, berichtet Claus Boser, Vorsitzender des Fördervereins Loreto- und Friedhofskapelle. Möglicherweise habe dieser kein Latein gekonnt – vielleicht war im 19. Jahrhundert aber auch die abweichende Schreibweise üblich.

Für letzteres spricht eine Beobachtung, die Claus Boser vor kurzem im Italienurlaub gemacht hat: Auch in der prächtigen Kathedrale di San Lorenzo in Alba, eingeweiht 1517, gibt es einen Kreuzweg. Die Bilder dort sind gemalt, die Nummern der 14 Stationen aber ebenfalls in Stein gehauen. Und auch dort werden die 4 und die 9 mit den Ziffern IIII und VIIII dargestellt.

An der Anziehungskraft des Kreuzwegs hat sich bis heute nichts geändert: Jedes Jahr in der Fastenzeit findet eine Kreuzwegandacht statt. Im Mai, ebenfalls von der Kirchengemeinde vorbereitet, gibt es eine Marienandacht. Und an jedem Sonntag nach dem 2. Juli findet vor der Kapelle das Wallfahrtsfest Mariä Heimsuchung statt – immer mit einem auswärtigen Festprediger, Chor oder einer Bläsergruppe.

Auch Mitglieder anderer Kirchengemeinden – Heiligenzimmern und Gruol beispielsweise –, halten auf Loreto Kreuzweg- und Maiandachten ab. Ebenso finden in der Kapelle immer wieder Taufen und Trauungen statt, auch von Auswärtigen.

Etwas hat sich zwischen dem 18. Jahrhundert und heute hingegen geändert: Ursprünglich war der Kesselberg, auf dem die Loreto-Kapelle steht, ein unbewaldeter Hügel. Erst ab 1799 wurde einer der Hänge aufgeforstet. Oberförster Üxküll ließ dann ab 1841 Linden, Platanen und andere für diese Gegend untypische Baumarten pflanzen. In ihrem Schatten gehen noch heute die Gläubigen hinauf zur Loreto-Kapelle.

u Wie kommt man dorthin? Vor dem Ortsausgang Richtung Heiligenzimmern zweigt von der Kreisstraße 7122 rechts die Friedhofsallee ab. Nach 280 Metern steht linkerhand die Friedhofskapelle St. Michael. Folgt man dem Fahrweg weiter, mündet dieser ins Loretosträßle. Man biegt halblinks ab. Nach 350 Metern erreicht man den Parkplatz unter Loreto. Von dort führt der Kreuzweg durch den Wald die letzten 270 Meter zu Fuß hinauf zur Loretokapelle.