Bundespräsident Gauck hat alle Demokraten zum Eintreten gegen Rechtsextremismus aufgerufen.

Rostock - Zum 20. Jahrestag der fremdenfeindlichen Krawalle von Rostock-Lichtenhagen hat Bundespräsident Joachim Gauck alle Demokraten zum mutigen Eintreten gegen Rechtsextremismus aufgerufen.

"Unsere Heimat kommt nicht in braune Hände", sagte er am Sonntag bei der zentralen Gedenkkundgebung in Lichtenhagen. Jenen, die die Demokratie verachten oder bekämpfen, stehe heute eine breite Front gegenüber. "Wir versprechen Euch, wir fürchten Euch nicht. Wo ihr auftretet, werden wir Euch im Wege stehen", sagte Gauck an die Adresse von Rechtsextremisten. "Demokratie muss wehrhaft sein und darf sich das Gewaltmonopol nicht aus der Hand nehmen lassen", sagte er.

Einer der schlimmsten Übergriffen der deutschen Nachkriegsgeschichte

Tausende Menschen demonstrierten am Wochenende in Rostock für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit. Die Veranstalter sprachen von einem machtvollen Eintreten gegen das Vergessen und gegen Ausgrenzung.

Im Sommer 1992 hatten in der Plattenbau-Vorstadt rechte Randalierer tagelang ein überfülltes Asylbewerberheim belagert. Unter dem Applaus von Anwohnern warfen sie schließlich Brandsätze auf das dort ebenfalls untergebrachte Ausländerwohnheim. Zu der Eskalation hatten auch ein völlig unzureichendes Polizeiaufgebot und eine überforderte Polizeiführung beigetragen. Die Ereignisse zählen zu den schlimmsten fremdenfeindlichen Übergriffen der deutschen Nachkriegsgeschichte und hatten weltweit für Entsetzen gesorgt.

Die Ausschreitungen von damals seien "bis heute für Rostock ein Brandmal", sagte Gauck, dessen Rede kurzzeitig von Zwischenrufen wie "Heuchler" durch Linksautonome gestört wurde. Der von Rechtsextremen verbreitete Hass dürfe als Mittel der Konfliktlösung niemals geduldet werden. "Wenn Hass entsteht, wird nichts besser, aber alles schlimmer." Noch entzündeten sich hierzulande mitunter Ängste angesichts fremder Kulturen und Religionen. "Aber Konflikte sind im gegenseitigen Respekt zu lösen", forderte Gauck. "Zur Lösung gehört, sich darüber klar zu werden, dass unser Land inzwischen ein Einwanderungsland geworden ist."

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) betonte: "An den furchtbaren Ereignissen am "Sonnenblumenhaus" im August 1992, an diesen beschämenden Bildern, die um die Welt gegangen sind, gibt es nichts zu beschönigen, nichts zu rechtfertigen, nichts zu relativieren". Lichtenhagen sei ein Schock gewesen, der Deutschland aber auch verändert habe. "Wir sind aufmerksamer geworden." Überall seien Bürgerinitiativen entstanden, die sich mit Kreativität und Vielfalt "der dumpfen Borniertheit der Rechtsextremen" entgegenstellten.

Keine nennenswerte Zwischenfälle

Nach Schätzungen der Polizei, die nach eigenen Angaben rund 1700 Beamte aus mehreren Bundesländern im Einsatz hatte, beteiligten sich bis Sonntagnachmittag insgesamt etwa 7000 Menschen an den Kundgebungen, Demonstrationen und Musikveranstaltungen in Rostock. Zu nennenswerten Zwischenfällen sei es nicht gekommen, hieß es. Die Veranstalter gingen von einer größeren Teilnehmerzahl aus.

Die größte Aktion gab es am Samstag, als laut Polizei knapp 5000 Menschen friedlich zum Sonnenblumenhaus, dem damaligen Schauplatz der Ausschreitungen, zogen. Die aus vielen Teilen Deutschlands angereisten Teilnehmer forderten Toleranz, Mitmenschlichkeit und Änderungen an der Asylgesetzgebung in Deutschland. Zuvor war am Rathaus der Hansestadt eine Gedenkplakette angebracht worden, die allerdings umstritten ist, weil der Text nach Ansicht von Kritikern eine direkte Linie zwischen den Verbrechen der Nazis in Auschwitz und den Krawallen in Lichtenhagen zieht.

Am Sonntagmittag wurde vor dem Sonnenblumenhaus ein Baum gepflanzt, der an die Ausschreitungen dort erinnern soll. Die Aktion auf Initiative der Stadt war wegen der Auswahl einer Eiche aber ebenfalls umstritten. Oberbürgermeister Roland Methling (parteilos) verteidigte die Wahl: "Wir haben uns vom Symbol der Friedenseiche inspirieren lassen."