Der Gechinger Freundeskreis Asyl organisiert regelmäßig gemeinsame Ausflüge mit den Flüchtlingen. Hier hat die Gruppe viel Spaß auf einer Sommerrodelbahn. Foto: Freundeskreis Asyl

Amerikanische Tageszeitung berichtet über Integrationsarbeit im Gäu. Zeichen gegen Trumps Politik.

Gechingen/Calw - Wenn das ganze Dorf zusammenhält, kann die Integration von Flüchtlingen gelingen. Vorbildlich geschieht das seit zwei Jahren beispielsweise in Gechingen. Die dortigen Helfer machen mit ihrer Arbeit jetzt Schlagzeilen in den USA.

Auf das von US-Präsident Donald Trump verhängte und gerichtlich gestoppte Einreiseverbot für Muslime aus sieben Ländern haben in den Vereinigten Staaten sowie in Deutschland viele Menschen mehr als verdutzt reagiert. Ein Zeichen gegen Trumps Politik wollte Yardena Schwartz setzen. Die freiberufliche Journalistin und Nahost-Expertin schreibt für mehrere große amerikanische Tageszeitungen, unter anderem die USA Today, und beschloss, in Deutschland auf Recherche zu gehen. Sie wollte herausfinden, wie es hier um die Willkommenskultur bestellt ist.

Schwartz hat vor einiger Zeit ihren Urlaub im Schwarzwald verbracht und während einer Motorradtour Halt in Calw gemacht. Während ihrer aktuellen, mehrwöchigen Recherche im Raum München kommt ihr wieder das nette, kleine Schwarzwald-Städtchen in den Sinn, das ihr auf Anhieb sehr gefällt. "Sie hat schnell gemerkt, dass das Meiste und Interessanteste in der Flüchtlingsarbeit in den Dörfern passiert", sagt Bettina Schöttmer, Vorsitzende des Freundeskreises Asyl Gechingen und eine von Schwartz’ Interviewpartnern.

Erster Anruf bei OB Eggert

Der erste Anruf der Journalistin gilt Calws Oberbürgermeister Ralf Eggert. Er erklärt Schwartz beispielsweise, dass in den Flüchtlingen eine große Chance für den deutschen Arbeitsmarkt gesehen werde. Es würden nicht nur Ingenieure und Ärzte gebraucht, sondern zum Beispiel auch Personal im Pflegebereich, in der Gastronomie und vielen anderen Branchen.

Was Interviews mit Flüchtlingshelfern betrifft, verweist Eggert die Autorin an Günter Stricker, den Leiter des Calwer Arbeitskreises Asyl, der wiederum Schwartz mit dem syrischen Flüchtling Samir (32) zusammenbringt. Dieser absolviert ein Praktikum in Calw und wohnt in Gechingen. "Beide standen plötzlich bei mir vor der Tür", erinnert sich Schöttmer. "Samir ist ganz ohne Frage ein Teil unserer Familie", sagt Schöttmer der Autorin.

Sie habe Yardena Schwartz geschildert, was der Freundeskreis Asyl in zwei Jahren alles auf die Beine gestellt habe. Zum Beispiel den Deutschunterricht, der an jedem Wochentag stattfindet, "egal, ob ein Flüchtling da ist oder zehn". Hilfe bei Formularen und Anträgen, Hausaufgabenbetreuung, Krankenfahrten, Kontakte zu Sportvereinen, Unterstützung beim Weg in die Berufsausbildung, Übersetzen und vieles mehr gehören zu den Aufgaben der Flüchtlingshelfer. Außerdem gibt es eine große Kleiderkammer.

Schöttmer schildert beim Besuch der Journalistin vor allem, wie sich die Vorbehalte so mancher Gechinger gegen die Flüchtlinge in einen angstfreien Umgang gewandelt haben. "Direkte Anwohner der Gemeinschaftsunterkunft haben sich anfangs vehement gegen die Aufnahme so vieler Flüchtlinge im Ort gewehrt. Heute fließen Tränen, wenn ein Flüchtling wegen der Anschlussunterbringung Gechingen verlässt", erzählt die Gechinger Helferin.

Derzeit ist ein fester Stamm von 30 Personen auf Abruf beim Freundeskreis Asyl aktiv. "Vom Chirurgen bis zum Arbeiter ist alles vertreten. Das ist eine Herausforderung, aber es funktioniert", sagt Schöttmer im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. Und: "Integration kommt von beiden Seiten. Wir bekommen bei all unseren Mühen menschlich auch viel zurück". Das liege vor allem daran, dass man von Anfang an alles über die Arbeit mit Flüchtlingen öffentlich gemacht habe. Auch Veranstaltungen für Bevölkerung und Flüchtlinge hätten zur Überwindung von Vorbehalten beigetragen.

Samir begeistert für syrische Küche

Samir spielt inzwischen Volleyball im Ort und geht zum Schwimmtraining. Außerdem hat er zahlreiche Gechinger für die syrische Küche begeistert. Zur Unterstützung der Bevölkerung seit der Ankunft in Deutschland sagt er: "The volunteers here are like our angels – Die freiwilligen Helfer hier sind unsere Engel".