Annelies Ismail (rechts) geht in ihrem neuen Buch der Frage nach, wie es Kindern aus binationalen Ehen gelingt, ein Leben zwischen zwei Kulturen zu führen. Foto: Bausch Foto: Schwarzwälder-Bote

Lesung: Annelies Ismail beschreibt Empfindungen von Kindern aus binationalen Ehen

Gechingen/Calw. Das Misstrauen gegenüber dem Islam hat in Deutschland stark zugenommen. "Es besteht die Gefahr, dass viele friedliebende Moslems unter Generalverdacht gestellt werden", sagt die Autorin Annelies Ismail, die mit einem muslimischen Ägypter verheiratet ist. In ihrem jüngsten Buch "Mein Vater ist Ägypter", in dem sich die Mutter dreier Kinder mit dem Befinden des Familiennachwuchses aus binationalen Ehen befasst, richtet sie ihren Blick auf die Frage, ob diese Menschen starker Diskriminierung ausgesetzt sind.

Ismail kennt dieses Phänomen aus eigenem Erleben. Als am 11. September 2001 von Terroristen entführte Passagierflugzeuge die Türme des World Trade Centers in New York angriffen und hunderte Menschen in den Tod rissen, änderte sich die wirtschaftliche Situation in ihrem deutsch-amerikanischen Computerunternehmen schlagartig. "Für uns bedeutete dies geschäftlich das Aus. Plötzlich standen wir unter Generalverdacht, keiner wollte mehr mit uns Geschäfte machen. Ganz ohne unser Zutun hatten wir alles verloren", erinnert sich sie Wahl-Calwerin.

In ihrem jüngsten Buch, das die 75-Jährige beim internationalen Kulturverein Gechingen vorstellte, richtet sie ein besonderes Augenmerk auf die Folgen interkultureller Unterschiede im Leben von Kindern, die in verschiedenen Kulturen aufgewachsen sind. Sind Jungen und Mädchen aus binationalen Ehen ohne eindeutige Identität deshalb verunsichert und unglücklich oder hat ihre innere Bindung an zwei unterschiedliche Kulturen ihren Gesichtskreis erweitert und erleben sie deshalb ihre Situation sogar als Bereicherung? Diese Fragen versuchte die Autorin zu beantworten.

Nicht immer einheitlich

Ismail berichtete beispielsweise von einer jungen Frau, deren Mutter Deutsche und deren Vater Ägypter ist. Sie ist in dem Land am Nil aufgewachsen, hat jedoch von ihrer Mutter und Besuchen in Deutschland viel europäisches Gedankengut aufgenommen, das sich nicht immer zu einem einheitlichen Weltbild zusammenfügen lässt. Dies wurde dem Mädchen erstmals bei einer Klassenfahrt bewusst, als es ihr nicht gelang, Anschluss zu finden. "Dieses am Rand stehen sollte mich mein Leben lang begleiten: Ich betrachte, höre zu, empfinde aber immer eine große Distanz und bin nie selbst Teil des Geschehens", so die junge Frau. Dies führt sie in erster Linie auf ihre freiere Geisteshaltung, die sie von ihrer deutschen Mutter hat, und die strengeren muslimisch geprägten Ansichten ihres Vaters zurück.

"Meine Herkunft empfinde ich durchaus als Bereicherung, auch wenn sie nicht nur den Blick für Schönes, sondern auch für potenzielle Probleme schärft", sagt die junge Frau.