Gechingen - Der äußerst engagierte Freundeskreis Asyl in Gechingen hat sich durch seine Aktivitäten einen guten Ruf über die Ortsgrenzen hinaus erarbeitet. Aber Tiefschläge bleiben auch für die dortigen Flüchtlingshelfern nicht aus.

Nach ihren Erlebnissen in der Landeserstaufnahmestelle (LEA) für Flüchtlinge in Karlsruhe ist für Bettina Schöttmer, die Vorsitzende des Freundeskreises, eine Welt zusammengebrochen. Über die Zustände und Arbeitsweise in der LEA (siehe "Info") ist sie entsetzt. Schöttmer betreut seit November einen Mann aus Syrien, der in der Gechinger Gemeinschaftsunterkunft (GU) lebt. Der Mann kam über Griechenland, die Balkanstaaten und Ungarn nach Deutschland. In der Mannheimer LEA wurde er als Asylsuchender registriert und bald darauf in die Gemeinschaftsunterkunft in der Gäugemeinde verlegt, wo er bis heute wohnt.

Hilfsbereiter Dolmetscher

"Herr S. hat in Syrien Soziologie studiert und spricht sehr gut Englisch. Dadurch konnte ich schnell Kontakt aufbauen. Er hat vom ersten Tag sehr diszipliniert Deutsch gelernt und steht dem Freundeskreis, der Polizei und den Sozialarbeitern jederzeit als Dolmetscher zur Verfügung", berichtet die Gechingerin. Keine Frage war es für Schöttmer, den Syrer wegen der schlechten Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu seinem Termin in der Karlsruher LEA zu fahren, wo über sein weiteres Schicksal entschieden werden sollte.

"Ich wollte ihn bis zum BAMF-Gebäude begleiten und dann später abholen. Doch gleich in den ersten Minuten wurde ich von der menschenunwürdigen Behandlung völlig überrascht", schriebt die Flüchtlingshelferin in ihrem offenen Brief an die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney. Darin heißt es weiter: "Wir hatten in der Kälte vor dem Tor angestanden und waren endlich an der Reihe. Herr S. wurde in das Pförtnerhäuschen gebeten, ich zeigte meinen Personalausweis vor. Der Sicherheitsmann stieß Herrn S. mit dem ausgestreckten Arm unvermittelt gegen die Brust und schrie ›Abstand!‹, dann bat er mich, vorzugehen. Herr S. war völlig irritiert, und ich selbst musste mich erst einmal sammeln".

Nachdem beide Einlass bekommen haben, müssen sie stundenlang in einem notdürftig beheizten Zelt außerhalb des LEA-Geländes an den Bahngleisen warten. Dieser Bereich ist eingezäunt. Unzählige weitere Flüchtlinge warten dort, frieren und sind offensichtlich eingeschüchtert. "Die Menschen in dem Zelt wurden bewacht. Sie waren eingesperrt. Warum?", fragt Schöttmer. In ihrem Brief heißt es dann weiter: "Nach über sieben Stunden wurde Herr S. aufgerufen. Ich durfte ihn bis zum BAMF-Gebäude begleiten. Völlig durchgefroren (und in der Folge dann auch krank) begegneten uns an diesem Tag endlich freundliche Menschen, die mit Anstand und Höflichkeit ihre Anordnungen geben konnten. Und dennoch. Herr S. war am Boden zerstört. Obwohl er in Mannheim bereits erkennungsdienstlich behandelt worden war, würde sich hier nun eben dies wiederholen, und zwar nur das! Keine Befragung, kein Entscheid über seine Zukunft. Es gebe nicht genug Personal. Er könne froh sein, dass er diesen Termin habe, und er würde einen Brief bekommen, mit einem Termin zur Anhörung. Das könne aber vier Wochen oder sechs Monate dauern, man wisse es nicht".

Alles ist in Frage gestellt

Mit der Perspektive, die Herr S. habe, sei alles in Frage gestellt. Der Freundeskreis habe bereits nach einem Praktikumsplatz für ihn gesucht. "Er verbessert seine Sprache täglich und strebt eine Ausbildung an. Und das würde er auch bewältigen können", ist Schöttmer sicher. Viele Bewohner der Gechinger GU hätten ihre Anhörung in der BAMF-Außenstelle Meßstetten oder Ellwangen gehabt. Dort seien sie nicht nur höflich und ordentlich behandelt worden, sondern ihre Termine seien zeitnah gewesen und die Entscheide bereits kurze Zeit nach der Anhörung gekommen.

"Herr S. hat also einfach Pech gehabt? Pech dass das BAMF in Karlsruhe für ihn zuständig ist? Warum können Fälle wie er nicht in den offensichtlich weniger überlasteten Außenstellen behandelt werden? Wäre eine Überstellung mehr bürokratischer Aufwand, als Menschen auf den zum Teil langen Weg nach Karlsruhe gehen zu lassen, um sie desillusioniert und beschämt unverrichteter Dinge nach Hause zu schicken?", fragt die Gechingerin in ihrem Brief ans Ministerium.

Schöttmer bittet in ihrem Schreiben inständig darum, alles dafür zu tun, die Verfahren der Flüchtlinge, für die Karlsruhe zuständig ist, zu beschleunigen. Außerdem heißt es darin: "Dies ist nicht nur für die Flüchtlinge eminent wichtig. Auch die Mitarbeiter der zahlreichen Freundeskreise, die Sozialarbeiter und die örtlichen Behörden können kaum mehr verhindern, dass frustrierte Flüchtlinge ihrer Wut freien Lauf lassen."

Info: LEA

Die erste Anlaufstelle für Asylbewerber und Flüchtlinge in Deutschland sind die Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) der Regierungspräsidien. In den LEAs werden die Asylbewerber registriert und erkennungsdienstlich behandelt. Außerdem erhalten sie einen Gesundheitscheck, um insbesondere ansteckende Krankheiten auszuschließen.

Das Asylverfahren selbst wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) übernommen. Damit die Asylsuchenden direkt ihren Antrag stellen können, hat das BAMF in den meisten LEAs ein Büro eingerichtet. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den LEAs beträgt sechs Wochen. Von dort aus werden die Asylsuchenden vom Regierungspräsidium Karlsruhe in die Stadt- und Landkreise verteilt (vorläufige Unterbringung).

In den Stadt- und Landkreisen sind die Asylsuchenden bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens – maximal für zwei Jahre – untergebracht. Danach werden sie innerhalb der Landkreise auf die kreisangehörigen Kommunen in die sogenannte Anschlussunterbringung verteilt.