Am 15. Mai 2009 hieß es in Gechingen "Land unter!". Beim Hochwasserschutz ist seither nicht viel passiert. Foto: SB-Archiv

Acht Jahre nach verheerendem Unwetter noch keine Baumaßnahme umgesetzt.

Gechingen - Viele Gechinger werden den 15. Mai 2009 nie mehr vergessen. Sie mussten zusehen, wie ein Unwetter Häuser unter Wasser setzte und Autos wie Spielzeug davongetragen wurden. Acht Jahre danach ist nicht eine Hochwasserschutzmaßnahme in die Tat umgesetzt.

"Es ist so viel Zeit vergangen und nichts ist passiert" – diesen Vorwurf müssen sich Verwaltung und Gemeinderat immer wieder anhören. Doch das täuscht. Seit Jahren arbeiten beide an Maßnahmen, die eine weitere Katastrophe verhindern sollen. Bislang allerdings nur in der Theorie und auf dem Papier, weil Hochwasserschutz eine komplexe Angelegenheit ist. Viele verschiedene Rädchen müssen ineinander greifen, damit Vorschriften eingehalten und Zuschüsse beantragt werden können. Wasserrechtliche und naturschutzrechtliche Belange spielen eine Rolle sowie geologische und weitere Untersuchungen.

Vielschichtige Probleme

Wegen vielschichtiger Problemstellungen und zahlreicher offener Fragen kommt es seit Jahren immer wieder zu Verzögerungen. Eine Flussgebietsuntersuchung war nach dem verheerenden Unwetter gemeinsam mit der Nachbargemeinde Aidlingen in Auftrag gegeben worden, die als Grundlage für das Hochwasserschutzkonzept in Gechingen diente. "Der Vorentwurf dafür wurde im November 2013 gebilligt, die Entwurfsplanung läuft immer noch", sagt Gechingens Bürgermeister Jens Häußler im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten.

Am Ortsausgang Richtung Althengstett ist ein Hochwasserrückhaltebecken geplant. Doch nur, wenn auch ein teurer Regenwasserkanal gebaut wird, gibt es dafür Zuschüsse. Ob das für beide Maßnahmen der Fall sein kann, ist momentan unklar. "Zuerst konnten wir nach Ansicht unseres Planers davon ausgehen, dass wie bisher die Einleitung in den Mischwasserkanal ausreicht und dies den Vorschriften entspricht", geht Häußler weiter ins Detail. Alles sei mit dem Landratsamt vorabgestimmt gewesen. Lange habe anschließend Funkstille geherrscht. Bei einem Termin Anfang April hatte das Karlsruher Regierungspräsidium die Haltung der Kreisbehörde bestätigt. "Dass wir einen Regenwasserkanal bauen sollen, war für uns der Knaller", äußert sich Häußler. Misch- und Fremdwasser in die Kläranlage abzuleiten, sei heute laut Wassergesetz nicht mehr Stand der Technik und damit nicht förderfähig.

Das Thema muss nun von Verwaltung und Ingenieurbüro für die Beratung im Gemeinderat vorbereitet werden. Dabei geht es insbesondere auch um die Festlegung der Trasse des geforderten Regenwasserkanals. In einer Machbarkeitsstudie werden drei Möglichkeiten vorgeschlagen: zwischen Rathaus, Kindergarten "Zauberwald" und Gemeindehalle, die vom Planer favorisierte im Bereich Dorfäckerstraße und schließlich in der Althengstetter Straße. In diesem Zusammenhang verweist der Gechinger Rathauschef auf die zum Teil heftig verlaufene Diskussion über den Bau der Wegverbindung über das Gelände der Betreuungseinrichtung (wir berichteten), die beim Kanalbau ebenfalls berücksichtigt werden müsse. "In meinen Augen darf der Kanal in den nächsten zwei bis drei Jahren noch nicht gebaut werden. Laut Landratsamt muss es im Zusammenhang mit dem Bau des Hochwasserrückhaltebeckens gesehen werden. Das sollte zuerst dran sein", betont Häußler. Zudem sollen die örtlichen Einzelhändler nach der Großbaustelle Gartenstraße nicht schon wieder monatelang unter einer ähnlichen Situation leiden müssen.

Feuersee als Herzstück

Ein weiteres wichtiges Element sind so genannte lokale Maßnahmen entlang der Gewässer. Herzstück ist laut Häußler der Bereich Feuersee bis zur Brücke über die Irm. Die Wassermassen waren im Mai 2009 nicht in den verdolten Bach ab dem Feuersee eingelaufen, sondern hatten sich ihren Weg oberflächlich gebahnt. In diesem Bereich sei man auf einem guten Weg zu einer Lösung, nachdem die beteiligten Grundstückseigentümer grundsätzlich ihr Einverständnis für anstehende Maßnahmen erklärt hätten. Derzeit werde eine Planung links der Irm zwischen Brücke und Feuersee erstellt, und "diese soll der Verwaltung noch vor Pfingsten vorgestellt werden". Zwischen Pfingsten und den Sommerferien soll das Ratsgremium sich damit und dem Thema Altortentwicklung in diesem Bereich befassen. "Altortentwicklung und Hochwasserschutz sind in der Brunnenstraße kombinierbar", so Häußler.

Allerdings sei ein Eingriff in die dortige Gebäudesubstanz notwendig, nachdem die Erkenntnis gereift sei, dass dort eine Art Bypass in offener Bauweise mit rund 1,6 Meter Durchmesser wohl die beste Lösung sei. Aufkaufen und neu entwickeln soll dort die Devise lauten. Die Gäugemeinde hofft auf einvernehmliche Verhandlungen über die Preise mit den Grundstückseigentümern und auf Zuschüsse aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum, kurz ELR. Der Antrag muss bis spätestens September ausgearbeitet werden, damit man in der nächsten Vergaberunde im März 2018 zum Zuge kommen könnte. "Für diesen Bereich gibt es noch keine fertige Planung", betont Häußler.

Für die lokalen Maßnahmen und das Hochwasserrückhaltebecken wird derzeit mit Kosten von rund vier Millionen Euro gerechnet. Der Höchstfördersatz durch das Land Baden-Württemberg liegt bei 70 Prozent. "Beim Regenwasserkanal gehen wir von 700 000 Euro Kosten aus", berichtet der Bürgermeister.

Bedacht werden muss beim weiteren Vorgehen ein zusätzlicher Faktor: Im neuen Wohngebiet "Furt" könnte es im oberen Bereich eng mit dem Löschwasser werden. Im Bereich Feuersee wurden laut Häußler Quellzuläufe am Boden entdeckt, für die möglicherweise ein Behälter gebaut werde. Es gehe um die Löschwasserversorgung bis hin zum Pflegeheim. "Das alles braucht Zeit, es gibt hier noch Fragen über Fragen", so Häußler.

Nicht nur Gefahrenabwehr

Der Gechinger Rathauschef weist auf einen noch ganz anderen Umstand hin. Beim Hochwasserschutz gehe es nicht nur um die Gefahrenabwehr an sich. Alle Grundstücke, die laut Gesetz im Überschwemmungsgebiet liegen, seien nicht ohne Weiteres bebaubar: "Alles, was alle 100 Jahre überschwemmt wird, ist Überschwemmungsgebiet". Damit hätten sich die Entwicklungsmöglichkeiten für Privatgrundstücke geändert, und es gehe jeweils um Ausgleichsmaßnahmen für viel Geld: "Die Trauben hängen da sehr hoch".

"Das mit dem Hochwasserschutz dauert mir auch zu lange", sagt Häußler. Er wolle aber niemandem die Schuld zuweisen: "Es geht um eine Summe von Faktoren". Diese würden das Gesamtprojekt erheblich verzögern. Einen Baubeginn 2019 bezeichnet der Verwaltungschef als "relativ wahrscheinlich", auch wenn unklar sei, ob es erst um lokale Maßnahmen oder den Bau des Hochwasserrückhaltebeckens gehe.